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Brexit und Umweltschutz
Saubere Strände, bessere Luft - ein Verdienst der EU?

Es sind nicht alle, aber die meisten britischen Umweltaktivisten kämpfen für ein Ja zur EU beim Referendum am 23. Juni. Ihre Hauptsorge: Viele Umweltschutzregularien aus Brüssel würden wegfallen - ohne adäquaten Ersatz in einem Großbritannien nach dem Brexit.

Von Korbinian Frenzel | 03.06.2016
    Im südenglischen Seebad Brighton sind zu jeder Jahreszeit Urlauber. Und das auch im Wasser.
    Im südenglischen Seebad Brighton treffen sich Umweltschützer, um für einen Verbleib in der EU zu werben (imago/ZUMA Press)
    Es gibt kaum einen Ort in Großbritannien, an dem zur Zeit nicht geworben wird für ein Ja oder Nein zu Europäischen Union, aber dieser Ort ist sicher einer der ungewöhnlicheren ... der Strand von Brighton. Mitte der Woche, etwa 50 Menschen haben sich versammelt - Environmentalists for Europe - so heißt die extra im Vorfeld des Referendums gegründete Plattform, Umweltschützer und Politiker, die für einen Verbleib in der EU werben. Zum Beispiel mit einem einfachen Vergleich: Vor 30 Jahren war das Wasser an gerade einmal 18 Stränden im gesamten Vereinigten Königreich sauber genug, um darin zu baden. Heute, sagt die Initiative, sind es gut 630.
    "Es ist recht einfach, die Umwelt in Großbritannien ist heute, weil wir Mitglied der EU sind, in einem sehr viel besseren Zustand, als wenn wir nicht Mitglied wären."
    Für Craig Bennett, Vorstandsmitglied der Plattform und Generalsekretär von Friends oft the Earth ist das keine Frage. Und so wirbt er für etwas, das die Brexit-Kampagne als Gängelei aus Brüssel brandmarkt: Richtlinien über Luftreinhaltung und Artenschutz oder Vorschriften über Klärwerke. Klagen über die Einschränkung der britischen Souveränität, wie man sie von Boris Johnson zu hören bekommt, dem ehemaligen Bürgermeister von London und inoffiziellen Anführer der Nein-Kampagne. Argumente, die ihn Umweltfragen in direkten Konflikt mit seinem eigenen Vater bringen: Stanley Johnson, der ehemalige Tory-Politiker hat lange auch in Brüssel Umweltpolitik gemacht, er war einer der Initiatoren der "Umweltschützer für Europa".
    "Natürlich, alle reden über die Wirtschaft und mögliche Folgen. Aber wir wollten die Aufmerksamkeit auf das lenken, welche wichtige Rolle die EU in der Umweltpolitik spielt. Sauberes Wasser, saubere Luft - und nicht zu vergessen: Natura 2000, wie lange haben wir daran gearbeitet - und es führt wirklich dazu, dass die Natur besser geschützt ist."
    Ob all das wirklich in Gefahr ist, wenn Großbritannien den Brexit wagt? Formal betrachtet würden europäische Regeln in der Tat spätestens am Ende der zweijährigen Austrittsphase nicht mehr gelten. Allerdings könnten dann schon eigene, britische Gesetze in Kraft sein. Und warum sollten die automatisch weniger ambitioniert daherkommen, fragt der Tory-Abgeordnete und frühere Justizminister Chris Grayling.
    "Ich weiß nicht, warum wir die EU zum Saubermachen unserer Strände brauchen. Wir haben selbst so viel erreicht in diesem Land. Wir sind Vorreiter bei den erneuerbaren Energien und beim Klimaschutz - ich glaube, wir müssen uns nicht verstecken - und wir können diese Politik bestens fortsetzen außerhalb der EU."
    Alles Gute soll bleiben - es ist das Grundmuster der Argumentation der Brexit-Befürworter, das auch bei der Umwelt gelten soll. Das allerdings Aktivisten wie Craig Bennett von Friends of the Earth nicht überzeugt:
    "Ich habe kein großes Vertrauen, dass wir nach einen Austritt aus der EU in naher Zukunft ähnliche Gesetze bekommen würden. Das wäre eine echte Gefahr für den Umweltschutz."
    Umweltpolitik spielt nur eine kleine Rolle
    Und Vater Johnson sekundiert: Erzählt mir nicht, dass eine Pro-Brexit-Regierung gleich am 24. Juni den Umweltschutz ganz oben auf die Agenda setzt.
    Nicht ganz oben - und wenn, dann auch sicher anders. Warum britische Umweltschützer für den Brexit sein sollten - so ist ein Text überschrieben, der dieser tage im Guardian erschienen ist. Autor ist Michael Liebreich, Wissenschaftler am renommierten Imperial College und Berater der UNO in Klimafragen. Die gemeinsame Fischereipolitik habe weder die Fischbestände geschützt noch die Fischer, kritisiert er. Gleiches gelte für die gemeinsame Agrarpolitik. Und Liebreich nennt zwei weitere Gründe, warum Großbritannien Umweltschutz lieber alleine betreiben sollte: die deutsche Energiewende und Brüssels Unterstützung für die Diesel-Technologie. Von wegen erfolgreiche Umweltpolitik.
    "Wir sagen nicht, dass alles perfekt ist" - die Entgegnung von Caroline Lucas, Grünen-Abgeordnete im britischen Unterhaus. Aber:
    "Wenn wir am Verhandlungstisch bleiben, in Brüssel, wo die Entscheidungen getroffen werden, dann können wir sicherstellen, dass das, was dabei herauskommt gut ist für Großbritannien wie auch für die ganze EU."
    Ein Argument, das valide ist - aber nur für die, die auch einen Mehrwert sehen in gemeinsamen Regeln in Europa.
    Insgesamt gilt, die Umweltpolitik spielt nur eine kleine Rolle in der aktuellen Brexit-Debatte. Doch angesichts des Kopf-an-Kopf-Rennens der Ja- und Nein-Seite in den aktuellen Umfragen könnte am Ende vielleicht auch ein Randthema ausschlaggebend sein.