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Brexit-Verhandlungen
Kritik an Theresa Mays "roten Linien"

Im Streit über den Brexit sind in Großbritannien die Fronten weiterhin verhärtet. Oppositionsführer Jeremy Corbyn hatte Theresa May aufgefordert, auf die Option eines harten Brexits zu verzichten. Die Premierministerin lehnte dies ab. Kritik richtet sich gegen May, weil sie ihre alten Position nicht verlässt.

Von Jörg Münchenberg | 18.01.2019
    May verlässt Downing Street 10
    Weiterhin verhärtete Fronten in London: Theresa May (imago / ZUMA Press)
    Theresa May hatte zum parteiübergreifenden Dialog geladen und viele waren der Aufforderung gefolgt. Fast im Stundentakt hatte die Premierministerin gestern die Vertreter der eigenen innerparteilichen Flügel und Spitzenpolitiker der anderen Parteien an ihren Amtssitz in Downing Street No 10 empfangen. Um mögliche Kompromisswege und Lösungsansätze im festgefahrenen Streit über den Brexit auszuloten. Es gehe jetzt darum, die eigenen Interessen beiseite zu stellen, hatte May zuvor noch appelliert: "We must all work constructively together. This is now the time to put self interests by side".
    Doch inzwischen haben sich die Fronten schon wieder verhärtet, vor allem zwischen Labour und den Konservativen. Oppositionsführer Jeremy Corbyn hatte zuvor gefordert, May müsse auf die Option No-Deal-Brexit, also einen harten Brexit, verzichten. Das aber sei für die Regierung schlicht unmöglich, heißt es jetzt in einem Brief der Premierministerin an Corbyn.
    Corbyn verweigerte Treffen mit May
    Der Hintergrund ist klar: Eine solche Kursänderung würden die Hardliner innerhalb der Tories auf die Barrikaden treiben und zugleich die Verhandlungsposition von May schwächen. Doch der Labour-Chef bleibt bei seiner Forderung und verweigert deshalb auch ein Treffen mit May:
    "Ein Brexit ohne Abkommen ist das gefährlichste Ding für unser Land und unsere Gesellschaft. Also sage ich zur Premierministerin, auch wenn sie es nicht hören will: das muss vom Tisch."
    Doch May spielt offenbar ohnehin auf Zeit. Am kommenden Montag soll sie zwar Plan B vorstellen, nachdem der mit der EU ausgehandelte Brexit-Deal Anfang der Woche krachend im Unterhaus gescheitert war. Doch die nächste Abstimmung im Parlament über den Alternativplan soll erst am 29. Januar stattfinden. Beobachter vermuten, May wolle mit der Verzögerung den Druck auf die Kritiker im eigenen Lager und Labour erhöhen, um angesichts eines drohenden harten Brexits am 29. März doch noch dem Scheidungsvertrag zuzustimmen.
    71 Labour-Abgeordnete für ein zweites Brexit-Referendum
    Was wiederum bedeuten würde: So wirklich ernst nimmt es May mit ihrem Gesprächsangebot an die Opposition offenbar nicht, stattdessen hält sie an ihren alten Positionen fest. Was dann auch der Labour-Abgeordnete Hilary Benn offen kritisierte. May müsse endlich ihre selbstgesteckten "roten Linien" korrigieren.
    Doch danach sieht es derzeit nicht aus. Gleichzeitig steht auch Labour-Chef Corbyn selbst unter massiven innerparteilichen Druck. 71 Labour-Abgeordnete haben sich jetzt öffentlich für ein zweites Brexit-Referendum ausgesprochen. Und laut neuen Umfragen machen sich dafür auch 78 Prozent der Labour-Anhänger stark.
    Corbyn setzt dagegen weiterhin auf Neuwahlen, ohnehin gilt er als äußerst EU-kritisch. Immerhin wollte er jetzt auch öffentlich ein zweites Referendum grundsätzlich nicht mehr ausschließen. Was wiederum die Konservativen ablehnen, ebenso die Labour-Forderung für eine Zollunion mit der EU nach einem Brexit.
    Und so werden zwar die Sondierungsgespräche weitergehen, ohne dass sich eine mögliche Lösung oder gar ein Kompromiss wirklich abzeichnen. Klar ist nur: Einen No-Deal-Brexit lehnt das Unterhaus mehrheitlich ab, für alle anderen Optionen ist weiterhin keine Mehrheit in Sicht.