Dienstag, 16. April 2024

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Briefkastenfirmen
"Es gibt Oasen, die dem deutschen Mittelständler näher liegen als Panama"

Dass man nach der Veröffentlichung der Panama-Papers-Datenbank dort keine deutschen Namen finde, heiße nicht, dass deutsche Privatpersonen keine Briefkastenfirmen zur Steuerhinterziehung nutzten. "Sie machen es nur nicht über Mossack Fonseca", sondern gingen nach Luxemburg, Zürich oder Liechtenstein, sagte der Chefredakteur des Recherchezentrums "Correctiv", Markus Grill im DLF.

Markus Grill im Gespräch mit Thielko Grieß | 11.05.2016
    Der Journalist Markus Grill
    Der Chefredakteur des Recherchezentrums Correctiv, Markus Grill sagt: Dass kaum deutsche Privatpersonen in den Panama Papers auftauchen, heiße nicht, "dass deutsche Privatpersonen es nicht machen." (picture alliance / dpa / Horst Galuschka)
    Er habe zu überprüfen versucht, ob man Namen aus Deutschland in der am Montag veröffentlichten Datenbank finde, sagte der "Correctiv"-Chefredakteur Grill. Die wenigen Bekannten, wie der Finanzinvestor Florian Homm und der Privatagent Werner Maus, seien jedoch nicht verzeichnet.
    Die entscheidenden Dokumente wie Emails, Verträge und Passkopien finde man nicht in der Online-Datenbank. Journalisten nütze sie daher wohl nicht für ihre Recherchen. Doch sie biete möglicherweise Anhaltspunkte für Finanzermittler.
    Deutsche Regierung als internationale Verhinderer
    Die entscheidende Frage sei für Grill, ob die Empörung darüber, dass man man sein Vermögen so verstecken kann, groß genug sei, um Gesetze zu ändern. Die deutsche Regierung habe es bislang international verhindert, "dass die wirtschaftlich Berechtigten sichtbar werden müssen".
    Dass kaum deutsche Privatpersonen in den Panama Papers auftauchen, heiße nicht, "dass deutsche Privatpersonen es nicht machen. Sie machen es nur nicht über Mossack Fonseca". Das Netzwerk Steuergerechtigkeit habe sich dahingehend geäußert, dass Deutsche eher nach Luxemburg, Liechtenstein oder Zürich gingen, um ihre Gelder zu verstecken. Das seien "Oasen, die dem deutschen Mittelständler näher liegen als eine Kanzlei in Panama."
    Ächtung derjenigen, die nicht mitmachen
    Es gebe zwar die Ankündigung, international mehr Daten austauschen zu wollen. Die Frage sei aber, ob das alle Steueroasen umfasse. Auch das Geschäft mit Mossack Fonseca in Panama habe 2005 zugenommen, als bereits ein Informationsaustausch von Steuerbehörden in der EU beschlossen war. Wenn nur Teile bei Vereinbarungen mitmachten, gehe "das zu verschweigende Geld" demnach in andere Oasen. Deshalb müsse es eine Ächtung derjenigen geben, die sich aus Vereinbarungen heraushielten.

    Das Interview in voller Länge:
    Thielko Grieß: Seit Anfang dieser Woche stehen Hunderttausende Daten aus den Panama Papers online. Das internationale Konsortium investigativer Journalisten ermöglicht es jetzt, nach Namen oder Firmen zu suchen. Dann werden Verbindungen und Beziehungen sichtbar. Persönliche Daten allerdings wie Bankkonten, E-Mails, Telefonnummern sind nicht einsehbar. Begründung ist hier der Datenschutz. Die Daten verweisen auf Personen oder Organisationen, die Briefkastenfirmen betrieben haben oder betreiben und damit womöglich Steuervermeidung betrieben haben. Die Summe der nicht gezahlten Steuern geht sicherlich in die Hunderte Milliarden und das alles ist nicht illegal, hat aber mindestens ein Geschmäckle.
    Was nützt all das, dass das jetzt online steht? Das ist jetzt unser Thema im Gespräch mit Markus Grill, Chefredakteur von "correctiv", einem deutschen Recherchezentrum für investigativen Journalismus, darunter viele, viele datenjournalistische Themen. Herr Grill, guten Morgen.
    Markus Grill: Guten Morgen, Herr Grieß.
    "Wer die Berechtigten dieser Briefkastenfirmen sind, weiß man nicht"
    Grieß: Sie haben sich auch ein bisschen reingeklickt. Wonach haben Sie gesucht?
    Grill: Na ja, ich habe es halt versucht zu überprüfen, ob die Namen zum Beispiel aus Deutschland, die bisher bekannt waren, ob man die überhaupt findet, und das sind ja relativ wenig Namen. Die wenigen, die man zum Beispiel gekannt hat, das ist Florian Homm zum Beispiel, ein Finanzinvestor, oder Werner Maus, ein Privatagent. Aber selbst diese Namen findet man nicht in dieser Datenbank jetzt. Das heißt, man findet die offiziellen Bezeichnungen dieser Briefkastenfirmen, aber das Entscheidende, wer nämlich dahinter steht, wer die Begünstigten, wer die Berechtigten dieser Briefkastenfirmen sind, weiß man nicht. Insofern glaube ich nicht, dass diese Datenbank jetzt für irgendeine Recherche wirklich nützlich ist. Die Panama Papers an sich, die sind natürlich sehr nützlich. Nur das Entscheidende sind ja die Dokumente, die die Journalisten ausgewertet haben, die sie zur Verfügung haben, um diese Geschichten recherchieren zu können. Aber diese Dokumente, E-Mails, Verträge, Passkopien, das alles findet sich ja nicht in der Datenbank.
    Grieß: Können Sie denn verstehen, dass nicht alles online steht?
    Grill: Ja gut, es gibt halt juristische Hinderungsgründe. Insofern verstehe ich das natürlich schon, dass nicht alles online steht. Mir ist nur nicht ganz klar, wem diese Datenbank jetzt eigentlich nützen soll.
    Datenbank hat wenig Nutzen für Journalisten
    Grieß: Haben Sie eine Idee? Ihnen schon mal nicht?
    Grill: Ich glaube nicht. Ich glaube, dass es weder der Öffentlichkeit nützt, noch dass es Journalisten für ihre Recherche wirklich weiterhilft. Möglicherweise finden sich Ansatzpunkte für Ermittler, für Strafverfolgungsbehörden, für Finanzermittler, dass die doch jetzt mal einen Einblick haben und schauen können, tauchen irgendwelche Firmen oder Personen auf, die ihnen bekannt vorkommen und wo sie dann nachhaken können, in Deiner Steuererklärung taucht ja gar nicht auf, dass Du da in Panama oder in irgendeiner anderen Steueroase noch eine Briefkastenfirma hälst. Das kann Sinn machen.
    Grieß: Wenn Sie die Reaktionen sich anschauen, die auf die Veröffentlichung der Panama Papers gefolgt sind, weltweit aber auch in Deutschland, in welche Richtung geht ein Trend? Gibt es überhaupt einen Trend?
    Grill: Ja. Ich glaube, es gab natürlich schon mal eine große Empörung zunächst, dass man gesehen hat, welches Ausmaß diese Briefkastenfirmen haben, und diese Briefkastenfirmen dienen natürlich zum allergrößten Teil der Steuerhinterziehung, so dass man Vermögen, Gewinne, die man erwirtschaftet hat, nicht sichtbar macht, dass man die versteckt. Und es ist natürlich schon so ein Gefühl, dass es eine Oberschicht gibt, für die die Regeln offensichtlich nicht gelten, oder die glaubt, die Regeln gelten nur für andere.
    "Viel ist am Rande der Legalität"
    Grieß: Aber vieles ist ja auch legal.
    Grill: Na ja. Klar ist, viel ist am Rande der Legalität. Aber trotzdem ist die Frage, ob es legitim ist. Natürlich: Die Briefkastenfirma an sich ist legal. Sonst würde sie ja nicht gegründet. Aber die Geschäfte, die damit gemacht werden, die sind oftmals nicht legal. Nur das weiß man nicht, das geht aus den Unterlagen und aus der Tatsache einer Briefkastenfirma noch nicht hervor. Aber die Frage ist doch, ist diese Empörung, dass man sein Vermögen so verstecken kann, so intransparent machen kann, führt das jetzt zu einer gesetzlichen Änderung oder nicht, und da war ja Deutschland entgegen offiziellen Bekundungen gerade des Finanzministeriums bisher nicht ein Vorreiter für Transparenz. Gerade die deutsche Regierung hat es ja bisher international verhindert, dass zum Beispiel die wirtschaftlich Berechtigten in solchen Registern sichtbar werden müssen. Es wäre wünschenswert, wenn diese öffentliche Empörung über diese Zustände, über diese Briefkastenfirmen so weit anhält, dass es auch zu politischen Veränderungen kommt. Die US-Regierung hat ja bereits angekündigt, sie ist jetzt auch dafür, dass die wirtschaftlich Berechtigten in Registern sichtbar sind und dass die Banken wissen müssen, wer ist denn letztendlich der Begünstigte von so einer Firma.
    Grieß: Ich bin ja ein kleines bisschen auch für Zuspitzungen hier zuständig. Wen schützt denn Schäuble?
    Grill: Na ja, wen schützt Schäuble? Er weiß es wahrscheinlich gar nicht mal konkret. In der Datenbank tauchen ja deutsche Unternehmen nicht auf. Das heißt aber natürlich nicht, dass deutsche Unternehmen oder reiche Privatpersonen diese Praktiken nicht machen. Sie sagen nur, sie machen es nicht über die Kanzlei Mossack Fonseca. Wenn man mit Experten spricht zum Beispiel von dem Netzwerk Steuergerechtigkeit, dann sagen sie, auch in Deutschland ist so was üblich. Nur man geht dann vielleicht nach Luxemburg, man geht nach Liechtenstein, man geht nach Zürich. Das sind Oasen, die dem deutschen Mittelständler näher liegen, auch sprachlich näher liegen als zum Beispiel eine Kanzlei in Panama.
    "Sinnvoll ist natürlich eine internationale Zusammenarbeit"
    Grieß: Das Bundesfinanzministerium und auch der Minister, der schon angesprochen worden ist, verweist ja darauf, dass etliche Länder vereinbart haben, vom nächsten Jahr an und dann immer enger und immer öfter Kontodaten auszutauschen. Darunter sind zum Beispiel auch Liechtenstein und andere im Zweifel stehende Länder. Davon erwarten Sie sich wenig?
    Grill: Na ja. Die Frage ist, umfasst es alle, umfasst es alle Steueroasen. Gerade wenn man sich die Kanzlei Mossack Fonseca anschaut, dann hat das Geschäft mit diesen Briefkastenfirmen dort erst so richtig zugenommen im Jahr 2005, nämlich genau zu dem Zeitpunkt, als die EU-Zinsrichtlinie schon verabschiedet worden ist, der Informationsaustausch von Steuerbehörden. Wenn jetzt natürlich nur Teile mitmachen, dann gibt es immer wieder diese Bewegungen, dass dann das Geld oder das zu verschweigende Geld, das zu verheimlichende Geld in andere Oasen geht. Sinnvoll ist natürlich hier eine internationale Zusammenarbeit oder auch eine Ächtung derjenigen Steueroasen, derjenigen Länder, derjenigen Inseln, die nicht mitmachen.
    Grieß: Ganz kurze Frage noch, Herr Grill. Haben Sie bei "correctiv" eigentlich auch eine Geschichte zur Steuervermeidung am Haken?
    Grill: Nein. Wir haben viele andere Schwerpunkte, aber das ist im Moment kein Schwerpunkt von uns.
    Grieß: Kann noch kommen, das Thema bleibt. So habe ich Sie verstanden?
    Grill: Ja genau.
    Grieß: Markus Grill, Chefredakteur von "correctiv", ein deutsches Recherchezentrum für investigativen Journalismus. Wir haben uns angeschaut, was die Daten der Panama Papers, die online stehen, bringen können. Ergebnis: sehr wenig. Herr Grill, danke!
    Grill: Vielen Dank auch. Einen schönen Tag noch.
    Grieß: Einen schönen Tag.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.