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Britische Band Wolf Alice
Vom Duo zur schlüssigen Einheit

Ellie Rowsell und Joff Oddie begannen 2010 als Duo, inzwischen ist daraus die vierköpfige Band Wolf Alice geworden. Wolf Alice spielen eine bunte Mischung aus Indie-Rock, Grunge, Folk und elektronischer Musik. Ihre Single "Moaning Lisa Smile" wurde für einen Grammy in der Kategorie 'Beste Rock Performance' nominiert.

Von Paul Baskerville | 11.12.2016
    Ellie Rowsell, Lead-Sängerin der britischen Alternative Rockband Wolf Alice bei einem Konzert in Lissabon
    Ellie Rowsell, Lead-Sängerin der britischen Alternative Rockband Wolf Alice bei einem Konzert in Lissabon (picture alliance / dpa / LUSA / Jose Sena Goulao)
    Fünf Jahre Hype, und dann endlich das mit Spannung erwartete Debütalbum "My love is cool".
    Ellie: "Die fünf Jahre sind nicht wesentlich: Ein Debütwerk besteht nämlich grundsätzlich aus dem ganzen bisherigen Leben."
    Britisches kreatives Kraftpaket
    Theo: "Wir haben diese Songs so oft live gespielt. Ich denke schon, dass wir so etwas wie einen eigenen Sound haben. Ich würde uns auf jeden Fall als vielschichtig bezeichnen. Wir haben nämlich alle gebrochene Herzen, sind alle oft traurig, auch mal sehr glücklich, und wir sind alle ein bisschen dauergeil!"
    Musik "Bros"
    Wolf Alice wurde 2010 ins Leben gerufen und war ursprünglich ein akustisches Duo:Ellie Rowsell und Joff Oddie. Seit 4 Jahren handelt es sich um eine vierköpfige Rockband: Ellie, Joff, Joel Amy und Theo Ellis. Einige Songs wie "Bros" auf dem Debütalbum "Love is cool" sind bereits vor sechs Jahren komponiert worden, und es dauerte eine Zeit, bis die Welt davon erfuhr. Die Promotion-Tournee und die Werbemaßnahmen für die erste Platte haben insgesamt zwei Jahre gedauert. Die Band hat bereits eine Welttournee als Headliner hinter sich, also kennen sie das Album in und auswendig. Wenn sie ihre Kulthits wie "Bros" live spielen, kommen sie sich jetzt schon ein bisschen wie die Rolling Stones vor, wenn die Stones "Satisfaction" spielen, dennoch ist die Band frisch geblieben. Davon sind die Sängerin und Gitarristin Ellie Rowsell und auch der Bassist Theo Ellis überzeugt:
    Ellie: "Ich empfinde dasselbe für die Musik wie vorher. Es ist vielleicht nicht mehr ganz so aufregend das Album live umzusetzen, weil wir die Songs so oft gespielt haben. Aber andererseits treten wir immer wieder in neuen Ländern vor einem neuen Publikum auf, so bleibt es spannend. Wir haben immer noch eine tolle Zeit."
    Zehren von Resonanz der Fans
    Theo: "Ich sehe es genau so, stimmt, was Ellie sagt...weil wir immer wieder vor neuen Leuten auftreten, bekommen wir neuen Auftrieb. Wir zehren von der Resonanz der Fans, sowie die Stones. Wenn ein Song älter ist, macht nichts. "Satisfaction" ist auch ein Riesensong. Wer könnte von einem solchem Riff müde werden?"
    Musik "Fluffy"
    Man kann nicht gerade behaupten, dass sie voll durchgestartet sind. Es gab schon 2013 die ersten Titelseiten in der britischen Musikpresse und man hielt Wolf Alice für die Rettung, die wichtigste Entdeckung seit Oasis und Blur, doch Wolf Alice Hype-Kampagne verlor etwas an Dynamik, weil das Debütalbum so lange auf sich warten ließ.
    Ellie: "Was das Debütalbum grundsätzlich betrifft: die fünf Jahre sind nicht wesentlich: ein Debütwerk besteht nämlich grundsätzlich aus dem ganzen bisherigen Leben, also mehr als nur fünf Jahre. Gewiss, wir haben uns Zeit gelassen, im Gegensatz zu vielen Bands, die sobald sie im Netz ein bisschen bekannt werden, gleich den Druck verspüren, ein Album herauszubringen. Wir wollten warten, bis wir soweit waren, und bis wir die richtigen Menschen finden konnten, mit denen wir arbeiten wollten. Ich glaube, wir haben es so richtig gemacht."
    Solide Basis
    Theo: "Wenn man uns mit Zeitgenossen vergleicht, könnte man uns als langsam betrachten, aber wir sind stolz, dass wir uns nicht so hetzen lassen haben, und sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Außerdem haben wir vor dem Album schon zwei EPs und zwei Singles veröffentlicht, also wenn man alles zusammenrechnet, hatten wir eine solide Basis aufgebaut, damit wir ausführlich auf eine weltweite Tour gehen konnten."
    Musik "Moaning Lisa smile"
    Eine ihrer schönsten Kompositionen ist das Titelstück der Debüt EP "Blush". Der Song bedeutet der Band viel.
    Ellie: "Blush" ist ein Favorit der Fans, also spielen wir es immer, sogar bei kürzeren Auftritten. Bevor "Blush" auf einer EP auftauchte, gab es das Lied schon vorher online, also ist es in Wirklichkeit deutlich bekannter, als man vielleicht erwarten würde."
    Theo: "Und wir mögen das Lied auch sehr gerne."
    Ellie: "Es gab verschiedene Versionen des Songs online, das war in der Zeit kurz bevor wir richtig künstlerisch aktiv wurden, und uns dann musikalisch etwas anders entwickelt haben."
    Erstes Mal im Profi-Studio
    Theo: "Blush" war einer der ersten Songs überhaupt, den wir gemeinsam als Band einspielten. Die EP entstand in vier Tagen. Es war das erste Mal, dass wir in einem Profi-Studio aufgenommen haben. Die EP dokumentiert unsere ersten Babyschritte, und war das erste Zeichen unseres Potenzials. Man bekam einen Eindruck von dem was wir vielleicht in einem professionellen Studio schaffen könnten."
    Musik "Blush"
    Das Album "My love is cool" hat bisher nur in Großbritannien eine hohe Chartplatzierung erzielt, nämlich Platz Zwei, aber Wolf Alice sind Kritikerlieblinge, über ihre Heimat hinaus. Ist Wolf Alice nun Pop, Pop-Rock, Folk oder Grunge? Ist die Gruppe zukunftsweisend oder reaktionär? Vielleicht ist Wolf Alice alles von diesen Dingen. Die Band lässt sich nur schwer kategorisieren.
    Der Coolnessfaktor
    Ellie: "Das habe ich auch bemerkt, als ich Rezensionen gelesen habe. Wir sind eigentlich ganz stolz darauf. Das spiegelt sich auch in unserem Publikum wider. Verschiedene Altersgruppen sind bei unseren Shows vertreten. Wir werden oft mit anderen Bands verglichen, die aber auch alle recht unterschiedlich sind. Unsere Einflüsse sind auch mannigfaltig. Wir gehen instinktiv vor, wenn es um die Entwicklung einer Komposition geht. Wir orientieren uns an keinem bestimmten Genre. Der Coolnessfaktor spielt keine Rolle."
    Theo: "Es ist bei uns das oberste Gebot, dass die Songs eine in sich geschlossene Einheit bilden. Das heißt aber nicht, dass wir stilistisch einseitig wären. Andererseits darf die Musik nicht zusammenhangslos wirken. Wolf Alice würde kein Album machen, das zur Hälfte aus Rap und zur Hälfte aus Cembalofolkmusik besteht. Jetzt wo ich es sage, klingt das ganz cool eigentlich. Ich denke schon, dass wir so etwas wie einen eigenen Sound haben. Ich würde uns auf jeden Fall als vielschichtig bezeichnen."
    Musik "Swallowtail"
    Der Song "Swallowtail" fällt aus dem Rahmen vor allem weil der Schlagzeuger Joel ausnahmsweise den Gesang übernimmt. Das Lied passt nicht zur musikalischen Richtung, die Wolf Alice im Moment verfolgen. Aber die Band lässt sich ungerne festlegen.
    Theo: "Joel’s Stimme ist schon ganz anders, ansonsten hat man durch Ellie’s Gesang immer wieder dieselbe beständige, Klangfarbe auf der Platte. Wir mögen die Abwechslung. Dafür waren Queens of the stone age Vorbild. ihren frühen Platten hatten sie auch zwei Sänger, die sich abwechselten, nämlich Mark Lanegan und Nick Oliveri. Diese Mischung mochten wir sehr gerne, aber unabhängig davon hat Joel eine nette Stimme."
    "Keine Konkurrenz"
    Ellie: "Joel’s Gesang klingt ganz anders, aber es passt. Ich bin immer noch die Chefin der Band. Da herrscht keine Konkurrenz. Joel war schon immer ein guter Sänger. Es wäre eine Verschwendung, wenn er nicht zur Geltung käme."
    Musik"Your loves’s Whore"
    Es ist ein Klischee, aber akustische Musik wird oft als "reine" Musik geschätzt. Wenn ein Musiker nur mit einer akustischen Gitarre auf der Bühne steht, und singt, denkt man, er sei ehrlich und bodenständig, weil seine Botschaft so direkt vermittelt wird. Wolf Alice war am Anfang rein "akustisch". Als Wolf Alice eine vollständige Rockband wurde, war Ellie unsicher, ob man ihre Aufrichtigkeit in Frage stellen würde, ob ihre Authentizität unter dem vollerem Sound leiden würde.
    Ellie: "Ich glaube, das ist eine berechtigte Sorge. Wenn man akustische Musik spielt, ist das Songwriting die Basis des Ganzen. Man kann keine schlechten Lieder durch Lautstärke oder mit Verzerrung als gute Songs tarnen. Inzwischen ergänzen wir den Sound schon mit reichlich vielen Effekten. Es geht darum, die richtige Balance zu finden. Als wir anfingen, waren wir zu zweit, Joff und ich. Joff spielte die akustische Gitarre, während ich gesungen habe. Ein dritter Freund war auch manchmal mit dabei. Wir traten eher spontan in Kneipen auf. War das der eigentliche Anfang? Wir hatten zu dem Zeitpunkt keine Vorstellung davon, wie wir Berufsmusiker werden sollten, obwohl wir vom Anfang an, eigene Songs gespielt haben. Also war es schon gewissermaßen der Einstieg, aber ohne eine erkennbare Orientierung gehabt zu haben. Es ging erstmal nur darum, kleine Fortschritte zu machen, und selbstbewusster zu werden, Menschen kennenzulernen und so."
    Musik "White leather"
    Amerikanische Musik hat einen bedeutenden Einfluss auf die Band gehabt, ein Song wie "Giant Peach" ist ein gutes Beispiel. Dennoch ist das Feeling von "My love is cool" unverkennbar britisch. Alle Bandmitglieder sind gebürtige Londoner.
    Theo: "Vielleicht ist unser Sound einfach ein Querschnitt all unserer Einflüsse. Wolf Alice ist eine britische Band und klingt deshalb so. Wir sind zwar Grunge-Fans aber sind auch von unterschiedlichen Arten der Gitarrenmusik geprägt. Die Texte und der Gesang sind, vom Charakter her sehr britisch. Der Gesang ist eindeutig ohne amerikanischen Akzent."
    Musik "Giant Peach"
    Ellie: "Im Nachhinein war es schon von Vorteil, dass wir in London aufgewachsen sind. Das haben wir bei Gesprächen mit Musikern bemerkt, die aus anderen Städten kommen. Sie haben uns gesagt, dass sie kaum Auftrittsmöglichkeiten hatten, bevor sie einen gewissen Bekanntheitsgrad vorweisen konnten. In London dagegen findet die unbekannteste Band irgendwo eine Möglichkeit einen Gig zu spielen. Als Teenager, als Minderjährige haben wir es geschafft, ganz viele Bands in ganz unterschiedlichen Locations live zu erleben. Teilweise kosteten die Gigs gar keinen Eintritt."
    Neidisch auf Kameradschaft
    Theo: "In London ist so viel los, dass man fast jede Woche eine "Lieblingsband" live sehen könnte. Allerdings beneiden wir die Leute in Städten wie Birmingham, wo ein Gemeinschaftsgefühl unter Musikern herrscht. Wir sind etwas neidisch auf ihre Kameradschaft."
    Ellie: "Und wenn man in einer etwas kleineren Stadt aufwächst, und wenn man Musik machen will, weiß man wo man suchen soll, weil die Szene überschaubar ist. In London hatte ich erstmal das Gefühl: 'Wo soll ich überhaupt ansetzen?'"
    Theo: "Das meinte ich, wenn ich sage, wir haben die kleineren Szenen beneidet. In London ist alles so weitläufig. Aber die Hauptstadt ist förderlich, wenn man Musikkultur in ihrer ganzen Bandbreite verdauen möchte, und wenn man sich im frühen Alter schon musikalisch bilden möchte."
    Musik "Giant Peach"
    Die renommierte britische alternative Musikzeitung NME steht kurz vor dem Konkurs. Sie versucht mit einer kostenlosen Ausgabe, die man nur noch an öffentlichen Orten in England, wie Szene-Cafes und Studentenbars vorfindet, irgendwie weiter zu machen. Kurz bevor die Krise der Zeitung ausbrach, war Wolf Alice ihre letzte große Entdeckung. Diese negative Entwicklung einer legendären Musikzeitung scheint ein Vorbote des Untergangs der Alternativ-Musik zu sein.
    Definition von "Indie"
    Theo: "Es kommt darauf an, wie man Indiemusik definiert. Ist auch schwer. Meine Definition von Indie wäre eine Musik, die abseits von Trends liegt, alternativ eben. Ich glaube, es wir immer solche ungewöhnlichen, spannenden Bands geben, die etwas aus der Reihe tanzen, die eine Art Gegenreaktion gegen den Mainstream sind. Musik, die sich noch nicht im Bewusstsein der Menschen massenhaft eingeprägt hat. Indiemusik muss keine Gitarrenmusik sein. Diese Hiphop/Elektro Mischung, die man Grime nennt zum Beispiel ist Indie, kommt aus dem Undergroundumfeld und hat die Energie eines Sex Pistols-Konzertes, aber ohne Gitarrenmusik zu sein. Ich hoffe zumindest, dass es nie ein Ende von Indiemusik geben wird."
    Am Puls der Zeit
    Sie haben einen guten Start gehabt. Die Band könnte sich nun eine zweite Platte voll mutiger Innovation vorstellen. Sie sehen sich als am Puls der Zeit.
    Ellie: "Man möchte innovativ sein, schon um seiner selbst willen. Es macht Spaß zu experimentieren und originelle Musik zu schaffen. Aber nicht auf Krampf. Wenn beispielsweise ein neues Lied von uns in der Tendenz wie ein Shoegazing-Stück aus den 90er Jahren klingt, würde ich keine Rap-Einlage darauf setzen, damit es radikal anders klingt. Ein Song soll so gut wie möglich werden. Wenn es innovativ klingt, dann gut, wenn nicht dann eben nicht. Das Lied muss mir gefallen, ist mir dann egal, wenn es wie Nirvana oder wer auch immer klingen würde!"
    Musik "Lisbon"
    Ellie schreibt die Texte, aber die Songs gelten als Gruppenkompositionen. Ihre Songtexte sind Ellie’s Eigentum, weil sie vom ihrem Leben handeln, aber sie ist sie diesbezüglich nicht besitzergreifend.
    Ellie: "Ja und nein: nein, weil ein Lied eines anderen Komponisten, mich genau so berühren kann wie ein Song, den ich selbst geschrieben habe. Deshalb hört man immer dieselben Alben, die einem was bedeuten, obwohl man die Songs nicht selbst komponiert hat. Und ja: weil im Falle einer Eigenkomposition, die ganz besonders persönlich ist, muss ich dann doch eingestehen, dass es mir mehr als alles andere bedeutet."
    "Kollektive Erfahrung"
    Theo: "Sowie die Songs aufgebaut sind, sind sie so etwas wie gemeinsames Eigentum. Alle Stücke werden gemeinsam ausgearbeitet, also teilen wir gewissermaßen die Emotionen, die vermittelt werden, weil wir sie zusammen im Studio aufnehmen. Das Ganze ist eine kollektive Erfahrung. Ich hoffe zumindest, dass wie uns auf der gleichen gefühlsmäßigen Ebene befinden. Wir haben nämlich alle gebrochene Herzen, sind alle oft traurig, auch mal sehr glücklich, und wir sind alle ein bisschen dauergeil!"
    Glänzende Zukunft
    Ellie: "Wir können es nicht beurteilen, aber ich hoffe es sehr. Wir arbeiten mit einem guten Team zusammen, das keinen sofortigen Erfolg von uns verlangt. Sie wollen uns dazu verhelfen, eine Karriere aufzubauen. Wir sind schon hoffnungsvoll."
    Theo: "Wir würden es nicht machen, wenn wir denken würden, es hätte keine Langlebigkeit."
    Ellie: "Doch ich würde es schon machen, wenn es nur ein Jahr Spaß bedeuten würde!"
    Theo: "Also doch, wir würden es offensichtlich so oder so machen! Ich fürchte, wir sind eigentlich weder psychisch, noch körperlich noch finanziell in der Lage das Ganze effektiv durchzuziehen, aber es gibt kein Zurück. Wir haben unser Ticket eingelöst, und jetzt müssen wir gucken, wo wir bleiben."
    Musik "You’re a germ"
    Wenn Wolf Alive das Rock’n’Roll Leben zu stressig finden, könnten sie eine längere Pause einlegen. Eine "angemessene Pause" ist eine Frage der Perspektive: der Extremfall war The Who, die zwischen zwei Alben fünfundzwanzig Jahre pausierten.
    Theo: "Je älter die Band, desto höher ist auch ihre Gage bei Festivals! Die Idee gefällt mir, sich aus dem Staub zu machen und Jahre später zurückzukehren, um höhere Gagen zu verlangen, weil man alt geworden ist! Fünfundzwanzig Jahre schöpferische Pause. Das wäre was! Das machen wir. Wir fangen sofort damit an!"
    Das mit der Auszeit ist ein Scherz. Wolf Alice ist zwar "nur" eine vierköpfige Gitarrenband aus London, aber mit dem Debütalbum haben sie einen Raketenstart hingelegt.
    Musik "The wonderwhy”
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