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Britische Lebensversicherer
Verträge werden in EU-Länder verschoben

Hunderttausende Kunden in Deutschland haben eine Lebensversicherung bei britischen Konzernen. Die Policen sollen nun nach Irland und Luxemburg übertragen werden - und so im EU-Binnenmarkt bleiben. Damit entfällt aber der besonders gute britische Insolvenzschutz. Was heißt das für die Kunden?

Von Axel Schröder | 11.02.2019
    Der Versicherungsschein einer Lebensversicherung.
    Standard Life will die Verträge europäischer Kunden an eine irische Tochter übertragen (imago / Rainer Unkel)
    Kerstin Becker-Eiselen von der Verbraucherzentrale Hamburg hat alle Hände voll zu tun mit dem Brexit. Besser: mit den Auswirkungen eines ungeordneten Brexits für all jene, die bei einem britischen Unternehmen versichert sind: "Es betrifft 'Standard Life', es betrifft 'Friends Provident', es betrifft 'Clerical Medical' und es betrifft 'Royal London'. Das sind die vier englischen Versicherer, die hier in Deutschland vertrieben haben."
    Die Policen bleiben mit dem Umzug im EU-Binnenmarkt
    Alle vier Firmen haben ihren Unternehmenssitz nach Irland oder Luxemburg verlegt, damit die Versicherungsverträge nach einem No-Deal-Brexit, nach einem ungeordneten EU-Austritt der Briten, auch weiterhin ihre Gültigkeit behalten. Denn nach wie vor ist unklar, wie ein solcher Brexit die Rechtsverhältnisse zwischen britischen Versicherern und Versicherten aus der EU in Zukunft verändern würde.
    Der Umzug der britischen Versicherungen nach Luxemburg und Irland schafft in dieser Situation zunächst einmal Klarheit. Allerdings ist der Schutz der betroffenen Versicherungsnehmer vor einer Insolvenz ein anderer.
    "Es gibt in Großbritannien einen besonderen Insolvenzschutz, der jedenfalls besser ist als der ganz normale niedrige Insolvenzschutz. Und den verlieren die Verbraucher tatsächlich. Sie werden nur noch auf den allgemeinen Insolvenzschutz, den alle Versicherungen im europäischen Binnenmarkt haben, auf den werden sie verwiesen. Und das ist einfach weniger, der Insolvenzschutz wird einfach schwächer. Ich will nicht sagen, er ist weg, aber er wird schwächer."
    Geringerer Insolvenzschutz voraussichtlich kein Problem
    Auch Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des Bundes der Versicherten, begrüßt die Verlegung der Firmensitze. Mit Blick auf eine mögliche Insolvenz von Versicherern wie "Standard Life" und den dann niedrigeren Schutz ihrer Kunden rät Kleinlein allerdings zu Gelassenheit: "Das hatten wir bisher nicht erlebt in UK, also im Vereinigten Königreich. Und so gesehen sehen wir das an der Stelle mit Ruhe und Gelassenheit."
    Auch von Norbert Pieper, einem Sprecher der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, kommt Entwarnung: "Die abgeschlossenen Verträge behalten weiterhin ihre Gültigkeit. Und entsprechend behalten die Versicherungsnehmer auch weiterhin ihre Ansprüche gegenüber den Versicherungsunternehmen. Wir haben aktuell keine Hinweise, dass die Belange der Versicherungsnehmer nicht gewahrt sein könnten."
    Christian Nuschele vom Versicherer Standard Life verspricht, dass sich für die Kundinnen und Kunden durch einen Umzug der Firmenzentrale keine Probleme ergeben.
    "Die Personen, die Ansprechpartner, bleiben die gleichen; die handelnden Personen bleiben dort die gleichen. Die Management-Struktur darüber, das wird eine neue sein. Und die Kapitalstruktur, die muss natürlich auch entsprechend aufgebaut werden. Das heißt, es muss ausreichend Eigenkapital zur Verfügung gestellt werden, um dann diesen sehr, sehr viel größeren Versicherer als die Standard Life International bisher war, eben auch tragfähig auszustatten."
    Kunden können Policen zurückkaufen
    Wer den Unwägbarkeiten einer möglichen, wenn auch aus heutiger Sicht unwahrscheinlichen Insolvenz der betroffenen Versicherungen wie Standard Life entgehen will, für den kommt auch ein Rückkauf der Policen in Frage. Vor allem deshalb, weil die britischen Versicherer relativ hohe Rückkaufswerte bieten, die, ganz im Gegensatz zu deutschen Unternehmen, oft sogar über den so genannten Garantie-Werten liegen.
    Wer Zweifel hat, wie er mit einer Standard-Life- oder Clerical-Medical-Police umgehen soll, kann sich bei der Verbraucherzentrale Hamburg melden. Die individuelle Beratung kostet 60 Euro.