Donnerstag, 28. März 2024

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Britischer Politologe über Meghan Markle
"Wenn sie nicht den Mund hält, kann es zu heftiger Kritik führen"

Die Hochzeit des britischen Prinzen Harry mit der Amerikanerin Meghan Markle betrachteten viele Traditionalisten mit großer Angst, sagte der Politologe Anthony Glees im Dlf. Die Monarchie in Großbritannien stehe "an und für sich völlig unpolitisch da", Markle habe sich jedoch bereits politisch geäußert.

Anthony Glees im Gespräch mit Martin Zagatta | 19.05.2018
    Die amerikanische Schauspielerin Meghan Markle auf dem Weg zu ihrer Trauung mit dem britischen Prinzen Harry.
    Geschieden, farbig und mit eigener politischer Meinung: Die britische Prinzessin Meghan polarisiert die Briten. (AFP / Rick Findler)
    Martin Zagatta: Zur Hochzeit des Jahres heute auf der Insel.
    "Es ist schon was Interessantes, gerade weil es das in anderen Ländern nicht unbedingt gibt, und hier gibt's das, und es macht halt irgendwie schon auch so was Besonderes."
    "Ich denke auch, dass das in unserer Zeit noch mal eine gewisse Rückbesinnung gibt für die Leute, das gibt dann noch mal schon so ein Flair von Vergangenheit auch wieder in der neuen Zeit."
    Zwei junge Deutsche, die sich auf den Weg nach Windsor gemacht haben.
    Großes Interesse und so viel Öffentlichkeit gab es wohl noch nie: Bis zu drei Milliarden Menschen, so wird geschätzt, werden wohl an den Fernsehschirmen mit dabei sein und nicht wenige vor Rührung weinen, wenn sich dort in Windsor heute Prinz Harry und die amerikanische Schauspielerin Meghan Markle das Jawort geben.
    Kann also nun ausgerechnet die britische Monarchie, die englische Monarchie, die da jetzt einst schon fast totgesagt war, kann die Monarchie jetzt Großbritannien neuen Glanz verleihen in Zeiten, in denen das Land ja wegen des Brexit so verunsichert scheint? Das kann ich jetzt Anthony Glees fragen, der sich an der Universität von Buckingham schon lange mit der britischen Verfassung und auch dem Königshaus beschäftigt. Guten Morgen, Herr Glees!
    Anthony Glees: Guten Morgen, Herr Zagatta!
    Zagatta: Herr Glees, wie ist das mit Ihnen, schauen Sie sich das auch an?
    Glees: Ja, natürlich!
    "Es gibt etwas, das das Vereinigte Königreich mit sich selber zusammenbringt"
    Zagatta: Sind Sie schon im Hochzeitsfieber?
    Glees: Seit zwei Stunden schon wach und munter, und natürlich, als Politologe ganz ernsthaft gemeint, muss man da zuschauen, denn in dem großen Durcheinander unserer verfassungspolitischen Zeit hier in Großbritannien, durch den Brexit natürlich hervorgebracht, ist es doch die Ironie aller Zeiten, dass das Haus Windsor von der Königin mit 92 Jahren geleitet wird, mit Prinz Philip mit 96 Jahren, dass das Haus Windsor eigentlich nicht nur sich selber modernisiert, sondern auch den Eindruck gibt, dass sie die letzte Institution in Großbritannien ist, die wirklich etwas zustande bringen kann und etwas perfekt machen kann. Und es wird ein perfekter Tag, darauf können Sie Gift nehmen.
    Zagatta: Der Brexit spaltet also das Land, die Monarchie führt es zusammen, kann man das so sagen?
    Glees: Ich glaube, man kann das sagen. Es ist natürlich der Fall, zum Brexit im Großen und Ganzen äußert sich die Monarchie nicht, und die Monarchie steht an und für sich völlig unpolitisch da. Leute werden sich vielleicht erinnern, im Boulevardblatt "Sun" von Rupert Murdoch verlegt, wurde vor zwei Jahren von Michael Gove behauptet, die Königin sei Brexit-Befürworterin.
    Zagatta: Michael Gove, das ist der Umweltminister, glaube ich.
    Glees: Der Umweltminister, richtig. Und das hat einen Anklang gefunden. Die Königin vielleicht darauf eine Antwort gegeben, indem sie vor dem Parlament erschienen ist und mit einem Hut, der sehr der Fahne der Europäischen Union, blau mit gelben Sternen, ähnlich sah. Und von Prinz Philip wissen wir, der hat eine deutsche Familie und hat sich immer sehr für Europa interessiert, dass er bestimmt gegen den Brexit war.
    Aber das alles spielt jetzt keine Rolle, sondern in dem Land, das total gespalten ist, immer noch zwischen Brexiteers und Remainers, es etwas gibt, das das Vereinigte Königreich mit sich selber zusammenbringt und auch durch die Welt das Haus Windsor heute am Fernsehbildschirm erscheinen wird. Das ist doch nicht nur ironisch, das ist doch eine sehr abenteuerliche Situation.
    "Für die Königin sind William und Harry von enormer Wichtigkeit"
    Zagatta: Herr Glees, ist das jetzt nur der Brexit, der die Monarchie wieder so verlässlich, so stark erscheinen lässt? Ich frag das deshalb, weil vor 20 Jahren, also nach dem Tod von Prinzessin Diana vor allem, da gab es doch viele, viele Gegner der Monarchie in Großbritannien. Da hat man doch von einer richtigen Krise des Königshauses gesprochen.
    Glees: Genau, sogar die Königin hat damals von einem Annus horribilis geredet, wo sogar Windsor, die Festung von Windsor, denn die Sicherheit bei dieser Hochzeit ist auch sehr wichtig, deswegen in Windsor und nicht in London, wo Windsor selber verbrannte und wieder aufgebaut werden musste. Aber aus diesem Annus horribilis ist etwas sehr Starkes geworden, besonders durch William und Harry.
    Und offenbar, ganz, ganz offenbar für die Königin sind William und Harry jetzt Meghan, früher Catherine von enormer Wichtigkeit. Charles und Camilla, die sind eigentlich zur Seite geschoben worden, weil wir jetzt im 21. Jahrhundert leben, und ja, die Spaltung kommt hauptsächlich durch diesen, meiner Meinung nach, irren Weg des Brexit, das wirklich alles durcheinandermacht. Das kann kein Mensch wissen, wie das in einem Jahr aussehen wird. Aber nicht nur der Brexit, die Tatsache, dass Harry nicht nur eine geschiedene Frau heiratet, nicht nur eine Amerikanerin heiratet, aber eine Frau von Farbe, im Hause Windsor, das wird den Leuten ...
    "Bezaubert, dass eine Frau von Farbe eine englische Prinzessin werden kann"
    Zagatta: Ja, das wollte ich Sie gerade fragen, wie geht denn die britische Gesellschaft mit dieser Tatsache um, dass Meghan Markle also Ausländerin ist, Tochter einer schwarzen Mutter ist? Der Alltagsrassismus in Großbritannien, der ist ja nicht zu leugnen, und den hat das Brautpaar ja auch schon zu spüren bekommen. Also wie geht man damit um?
    Glees: Genau. Man könnte meinen, dass die Spaltungen und Spannungen in Großbritannien, die schon da sind, auch mit der Zeit auf Meghan Markle und Prinz Harry sich konzentrieren werden. Das ist gut möglich, denn natürlich, 50 Prozent von Großbritannien, auch ich, bin bezaubert, dass eine Frau von Farbe eine englische Prinzessin werden kann. Wer hätte das gedacht? Und in unseren Familien, wenn nicht 50 Prozent, sind doch viele von Farbe mit einbegriffen.
    ARCHIV - 24.02.2018, Großbritannien, Windsor: Eine Tasse mit dem Abbild von Prinz Harry und Meghan Markle wird in einem Souvenir Shop zum Verkauf angeboten. Vor allem Touristen aus den USA gehören zu den besten Kunden in Andenkenläden.
    Die aktuellen Spannungen in Großbritannien könnten sich mit der Zeit auch auf Meghan Markle und Prinz Harry konzentrieren, befürchtet der Politologe Anthony Glees. (picture alliance / dpa / Silvia Kusidlo)
    Auf der anderen Seite aber, die Traditionalisten in Großbritannien und sogar die Leute um das Königshaus herum, die werden mit großer Angst zusehen, nicht vielleicht so sehr, weil Meghan eine Frau von Farbe ist, sondern auch, weil sie ja eine sehr starke Feministin ist. Sie hat sich politisch geäußert, auch zu Trump, zu Amerika, zu dem, was in Amerika vorgeht, und für diese Leute war es gerade das Geheimnis der Monarchie in Großbritannien, dass sie sich nicht zu politischen Sachen geäußert hat. Und da muss man doch sagen, für Meghan Markle, Prinzessin Meghan, die sie dort sein wird, da ist eine große Gefahr. Wenn sie nicht den Mund hält, dann kann es zu heftiger Kritik führen.
    Zagatta: Also sie soll den Mund halten, und dass Harry als Partyprinz gilt, der ja auch schon mal in Naziuniform aufgetreten ist, diese Eskapaden, die werden ihm verziehen, also da sind Ihre Landsleute keine Moralapostel?
    Glees: Die werden ihm verziehen, sogar dass er … Wir alle haben, vielleicht, Herr Zagatta, auch Sie, unsere Flegeljahre gehabt, wo wir blöde Sachen gemacht haben, wie David Cameron einst mal …
    "Er gibt den Briten für einen Tag die Hoffnung, aus dem Sumpf des Brexit herauszukommen"
    Zagatta: Will ich nicht abstreiten, in Naziuniform bin ich aber noch nicht aufgetreten.
    Glees: Auch ich nicht, und auch ich hab nicht Drogen genommen und auch nicht nackt Poker gespielt, aber das wird man ihm doch nicht übel nehmen. Man darf jung und dumm sein. Er war jung und dumm, der hatte ja ein fürchterliches Leben. Er hat selber beschrieben, wie er hinter dem Sarg seiner Mutter vor den Augen der Welt als junger Knabe marschieren sollte. Der hat gerade gesagt im Fernsehen, ich wollte weinen, aber ich durfte nicht weinen, ich konnte nicht weinen. Das ist enorme Sympathie.
    Und wenn man sieht, wie Harry und William gestern Abend in Windsor auf die Menge zugehen und sich mit Kindern fotografieren ließen, das wäre von Elizabeth und Philip, von Charles und Camilla, nie passiert. Also es ist abenteuerlich. Ja, Harry hat vieles gemacht, der hat auch gegen die Taliban gekämpft und gesagt, er hat viele Taliban-Leute erschossen von seinem Helikopter.
    Es sind Gefahren da, auch für ihn, aber im Großen und Ganzen gibt er den Briten für einen Tag die Hoffnung, dass man aus dem Sumpf des Brexit herauskommen kann. Die Sonne scheint, die Fahnen werden wehen, und wie gesagt, etwas gibt es, was wir Briten immer noch gut tun können: feiern. Aber auch, Sie werden sehen, dass jedes Detail perfekt vorgedacht wurde bei der Hochzeit und alles genau richtig.
    Natürlich, wir kommen zurück auf die Frage der Farbe: Wenn der Vater von Meghan Markle sie an den Altar geführt hätte, dann hätte das vielleicht die weiße Seite von Meghan betont, wenn es ganz die Mutter wäre, dann wäre es die farbige Seite, und jetzt ist es halb und halb. Prinz Charles geht den halben Weg, Meghan Markle geht allein den nächsten. Diese Mischung, das alles in eins zu bringen, das ist doch sehr klug ausgedacht und wird seinen Widerhall nicht nur in Großbritannien, sondern bestimmt in Amerika, vielleicht der ganzen Welt, auch Deutschland finden.
    Zagatta: Herr Glees, Sie haben es angesprochen, ich höre auch Ihre Begeisterung über Harry, seinen Bruder William, die sind modern. Sie haben da ein bisschen Skepsis durchklingen lassen, was Prinz Charles und seine Ehefrau Camilla angeht. Da gibt es ja jetzt immer wieder die Forderungen, dass man Charles auch übergehen sollte, wenn die Queen einmal stirbt, und der Charles ist ja auch schon oder wird schon 70 in diesem Jahr, und dann soll man gleich Prinz William zum König machen. Ist das ein Thema?
    Glees: Nein, ich glaube nicht, dass das ein Thema ist. Es ist das Recht von Prinz Charles, König zu werden. Es ist sein Recht verfassungspolitisch und auch moralisch. Er hat sehr, sehr lange darauf gewartet. Aber auch, wenn er König ist, wird derjenige, der wirklich gemeint ist, die Krone zu tragen, ohne Zweifel Prinz William und Catherine sein. Der Herzog von Cambridge und die Herzogin von Cambridge, die werden die eigentlichen König und Königin von England und den anderen Nationen sein, auch wenn Charles da steht. Aber ihm kann man sein Recht nicht abnehmen, und er würde es auch nie zulassen.
    Zagatta: Prinz Harry heiratet. Anthony Glees von der Universität in Buckingham hat uns mit hörbarer Begeisterung erklärt, wie die Briten auf dieses Ereignis schauen. Herr Glees, vielen Dank für das Gespräch und viel Vergnügen nachher beim Zuschauen!
    Glees: Gerne geschehen, Herr Zagatta!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.