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Brücke zum Balkan

Nach der politischen Integration in die EU geht das kleine Slowenien an der Grenze zu Italien, Österreich, Ungarn und Kroatien nun auch den großen Schritt der monetären Gleichstellung. Slowenien wird mit der Einführung des Euro 16 Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung und der Ausrufung einer demokratischen Verfassung zum Bindeglied zwischen der Europäischen Union und dem Balkan.

Von Gerhard Schröder | 31.12.2006
    "Es ist sehr angenehm, in Slowenien zu leben. Die Mariborer Gegend ist sehr österreichisch-bayerisch geprägt, hier lebt die Blasmusik noch. Wer aus Süddeutschland kommt, der empfindet das hier als sehr heimisch."

    Harald Neff, deutscher Manager in Slowenien.

    "Bei den Reformen hinken wir ein bisschen hinterher. Aber die Wirtschaft wächst kräftig, wir haben wenig Arbeitslose, es gibt wenig Armut. Wir haben einen besonderen Stil für den Übergang entwickelt."

    Janez Sustersic, Ökonom.

    "Wir sind am Ende eines langen Weges angekommen, wir haben unser Ziel erreicht. Wir sind jetzt Mitglied in der Europäischen Union, und wir haben den Euro. Jetzt gehören wir endgültig zu Europa."

    Ziga Lavric, Staatssekretär im Finanzministerium.

    Das Industriegebiet von Maribor. Graue Fabrikhallen säumen die staubige Ausfallstraße, viele davon stehen leer. Hier schlug einst das industrielle Herz Jugoslawiens. Doch Anfang der 90er Jahre machte das Buskombinat TAM pleite, 30.000 Jobs gingen verloren. Erst allmählich erholt sich Maribor von dem Zusammenbruch:

    "Das sind jetzt diese Bremsscheiben für die Feststellbremse","

    sagt Harald Neff, Manager von DaimlerChrysler in Maribor.

    ""Diese Maschinen, die waren schon beim Daimler, wo ich dahin gekommen bin 1980. Und ich hab sie jetzt hierhin bekommen nach Slowenien."

    Eine Arbeiterin überprüft jede einzelne Bremsbacke, die die Metallpresse auswirft - zur Sicherheit. Denn die Maschinen sind alt und arbeiten nicht immer mit der notwendigen Präzision.

    "Deshalb müssen wir mehrere Merkmale hundertprozentig prüfen, das könnte man in Deutschland nicht mehr bezahlen."

    In Deutschland waren die Lohnkosten schlicht zu hoch, deshalb fahndete DaimlerChrysler vor zwei Jahren europaweit nach einem geeigneten Standort, an dem die Maschinen noch rentabel betrieben werden konnten. Die Wahl fiel auf Slowenien.

    Dabei kann das Land nicht mit Billiglöhnen aufwarten wie Bulgarien oder Rumänien, es bietet auch keine Niedrigsteuern wie die Slowakei. Aber Slowenien hat andere Vorteile, sagt Harald Neff, der Geschäftsführer des Joint Ventures. Die Nähe zu Stuttgart zum Beispiel, nur 700 Kilometer ist die Niederlassung vom Konzernsitz entfernt. Es gibt zudem gut ausgebildete Fachkräfte. Und ab morgen: den Euro.

    "Das war sicher auch ein Grund, dass wir uns für dieses Land entschieden haben. Wenn sie in ein Land gehen mit großen Währungsschwankungen, dann ist das gerade für ein kleines Joint Venture schwierig."

    Die Einführung des Euro ist die Krönung des erstaunlichen Aufstiegs, den Slowenien in den vergangenen 15 Jahren erlebt hat. Als erstes der neuen Beitrittsländer hat das kleine Land zwischen Adria und Alpen sämtliche Kriterien des Maastricht-Vertrags erfüllt.

    Die Neuverschuldung liegt derzeit bei anderthalb Prozent, die Gesamtschulden bei unter 30 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die Wirtschaft wächst kräftig, und das bei stabilen Preisen. Europas Schwergewichte wie Deutschland, Frankreich und Italien wären froh, wenn sie solche Werte vorweisen könnten.

    Das Erstaunliche an der Geschichte: Es war kein marktwirtschaftlicher Urknall nötig, keine neoliberale Schocktherapie, um das Land so rasch auf Eurokurs zu bringen, keine radikale Marktöffnung, keine drastischen Steuersenkungen. Slowenien verzichtete auf all die Rezepte, die in Ungarn, Slowakei und Polen zur Anwendung kamen. Ziga Lavric, Staatssekretär im Finanzministerium:

    "Wir haben den Ratschlägen der Experten, die aus den USA kamen, widerstanden. Wir haben gesagt: Nein, wir gehen unseren eigenen Weg. Wir haben nicht alles privatisiert, wir haben nicht den ganzen Staat verkauft an ausländische Investoren. Wenn man das tut, steht man am Ende mit leeren Händen da."

    Große soziale und wirtschaftliche Erschütterungen wie in Polen oder Ungarn blieben aus, Slowenien fasste nach der Unabhängigkeit 1991 erstaunlich schnell Tritt. Die Wirtschaft wächst seit Jahren mit Raten zwischen vier und fünf Prozent.

    "Ein Vorteil für Slowenien war immer das internationale Geschäft","

    sagt France Arhar, er ist heute Vorstandschef der Bank Austria in Slowenien. In den schwierigen Zeiten, Anfang der 90er Jahre, dirigierte er als Notenbank-Chef den Übergang.

    ""Als wir '91 mit der Unabhängigkeit den jugoslawischen Markt verloren haben, haben wir sofort den Export nach Europa und in die USA erhöht, so dass wir schon '94 einen Überschuss in der Leistungsbilanz gehabt haben. So haben wir die nötigen Devisenreserven produziert. Das war die beste Garantie für zusätzliche Entwicklung des Landes."

    Schon zu jugoslawischen Zeiten war Sloweniens Wirtschaft sehr westlich orientiert. Über ein Drittel der jugoslawischen Exporte nach Westeuropa kamen aus den Fabriken rund um Ljubljana und Maribor.

    Das erleichterte den Übergang, als 1991 Jugoslawien zerfiel und der Balkan im Krieg versank. Zu diesem Zeitpunkt übernahm France Arhar die Leitung der Notenbank. Das größte Problem war die Hyperinflation, um 20 Prozent schossen die Preise monatlich in die Höhe. Arhar, der in engem Kontakt mit der Deutschen Bundesbank stand, riss das Ruder herum und hob die Leitzinsen kräftig an. Das stieß der Ausfuhrwirtschaft bitter auf. Die neue Währung, der Tolar, wertete auf, die Exporte wurden teurer:

    "Das war nicht genehm für die Exportwirtschaft. Aber als wir bewiesen haben, dass unsere Aufgabe Preisstabilität ist, waren sie zufrieden. Die Bevölkerung und die Wirtschaft haben gemerkt, dass die Notenbank auf gutem Weg ist und dass dieser Weg führt in die europäische Richtung und dass unser Ziel die Mitgliedschaft in der Europäischen Union ist. Da haben sie natürlich volle Unterstützung gegeben."

    Die Regierung stützte den Kurs durch eine sparsame Haushaltspolitik, und auch die Gewerkschaften machten mit: Sie akzeptierten, dass die Löhne über Jahre geringer anstiegen als die Produktivität. Das sorgte für Ruhe an der Preisfront und verschaffte den exportorientierten Unternehmen Vorteile im internationalen Wettbewerb. Im Gegenzug verzichtete die Regierung auf allzu drastische Reformen. Der Ökonom Janez Sustersic:

    "Wir haben großen Wert auf wirtschaftliche und auf soziale Stabilität gelegt. Und wir waren in der Lage, das mit unkonventionellen Mitteln zu erreichen. Wir haben uns ausländischen Investoren lange Zeit nicht geöffnet. Wir haben in einigen Branchen bis heute zu wenig Wettbewerb. Wir müssen auch noch einige große Unternehmen privatisieren. Wir waren also etwas vorsichtig mit den Reformen, auf der anderen Seite haben wir dadurch eine große soziale und wirtschaftliche Stabilität erreicht."

    Diese Strategie hat Slowenien im Eiltempo in die Europäische Union und nun in den Euroclub geführt. Das Land, das gerade mal so groß ist wie Hessen, hat sein wichtigstes Ziel erreicht, sagt Staatssekretär Ziga Lavric:

    "Das hat natürlich ganz handfeste ökonomische Vorteile: Das ist gut für den Wettbewerb, es gibt keine Zölle mehr, es gibt keine Wechselkursschwankungen mehr, wir haben niedrigere Zinsen, wir haben stabile Preise. Und das ist gut für die Wirtschaft, gut für die Investitionen, für das Wachstum. Es ist gut für die gesamte Gesellschaft."

    Die Altstadt von Ljubljana. Hier, in einer der engen Gässchen, direkt am Ufer der Ljubljanica, hat Martha ihren Souvenirstand aufgebaut. Sie verkauft Duftkerzen in allen Variationen und Geschmacksrichtungen. Ein kunstvoll mit Blumenmustern dekoriertes Teelicht mit Zimtaroma etwa kostet 1000 Tolar oder 4,17 Euro:

    "Die meisten Touristen bezahlen in Euro. Sie sind glücklich, wenn sie in ihrer eigenen Währung bezahlen können. Wir machen das schon seit zwei Jahren so."

    In der Altstadt hat der Euro die heimische Währung schon vor dem offiziellen Stichtag verdrängt. Geschäftsleute wie die Souvenirverkäuferin Martha sehen der neuen Währung daher mit großer Gelassenheit entgegen. Und doch räumt sie ein, dass der Umgang mit dem neuen Geld nicht ganz einfach ist. Das liegt am komplizierten Umrechnungskurs: Ein Euro ersetzt 240 Tolar. Da braucht es Zeit, um das rechte Gespür für die Preise zu bekommen.

    "Ich war im Urlaub in Italien. Und ich habe fürchterlich viel Geld ausgegeben, weil ich kein Gefühl für die Preise hatte. Alles erscheint so billig. Im privaten Umgang muss ich sehr vorsichtig mit dem Euro sein."

    So wie Martha ergeht es vielen Slowenen. Sie freuen sich auf den Euro, rechnen aber mit Komplikationen beim Übergang.

    "Ich mache mir Sorgen wegen der Preise. Wenn die steigen und die Löhne bleiben gleich, dann haben wir ein Problem."

    "Das Leben wird teurer. Aber wir gehören jetzt zu Europa. Das ist gut."

    "Wir müssen kein Geld mehr umtauschen, wenn wir ins Ausland reisen. Das ist doch wunderbar. Mit dem Euro sind wir endlich richtige Europäer."

    "Wir müssen uns umstellen. Wir müssen ganz anders kalkulieren. Das wird nicht einfach. Alles wird teurer."

    Auch Breda Kutin teilt diese Sorgen. Sie ist Chefin der nationalen Verbraucherschutzorganisation. Mit dem Euro verschwinden die großen Zahlen von den Preisschildern. Die Anbieter könnten versuchen, das auszunutzen und die Preise anzuheben.

    "Die Preise sehen so niedrig aus, alles scheint so billig. Im Alltag, wenn man einen Kaffee trinkt oder ein Bier, dann rechnet man nicht immer nach. Und das werden einige ausnutzen. Viele Leute kennen den neuen Wert noch nicht so genau, sie brauchen Zeit, um zu begreifen, wie teuer die Sachen wirklich sind."

    Die Verbraucherschützer um Breda Kutin wollen Händlern und Produzenten daher ganz genau auf die Finger schauen und schwarze Schafe öffentlich bekannt machen:

    "Wir beobachten die Preise seit September 2005. Wer die Preise stärker als andere in die Höhe treibt, den schauen wir uns genau an. Und wir werden künftig eine schwarze Liste veröffentlichen mit Unternehmen, die die Preise ohne Grund um zehn Prozent anheben."

    Ljubljana Anfang Dezember: Hubschrauber kreisen über dem Bankenviertel und überwachen die Geldtransporter, die die neuen Scheine und Münzen ausliefern. Alles läuft planmäßig, teilt die Regierung mit. Schon seit März müssen alle Geschäfte die Preise doppelt auszeichnen, in Tolar und Euro.

    Der Geldaustausch selbst geht dann ganz schnell. Nur zwei Wochen lang sollen beide Währungen parallel im Umlauf sein. Ab Mitte Januar gibt es in Slowenien dann nur noch ein offizielles Zahlungsmittel: den Euro. Das sei ausreichend, sagt France Arhar. Die Slowenen seien Währungsreformen gewohnt.

    "Meiner Meinung nach ist das genug. Wenn ich mich erinnere, '91, als wir mit Tolar begonnen haben, da haben wir spät abends das Gesetz verabschiedet. Dann haben wir in nur drei Tagen alles umgetauscht. Auch damals ist alles reibungslos gelaufen."

    Der Tolar ist die Währung der Unabhängigkeit. Er markiert die Loslösung des Landes von Jugoslawien. Doch vollendet wird die nationale Unabhängigkeit nach Meinung vieler Slowenen erst jetzt mit der Integration in Europa, mit dem Beitritt in die EU und der Einführung des Euro. Andrej Lazar, Vorstandschef des Autozulieferers Hellalux, erklärt, warum das so wichtig ist für die nationale Gefühlslage:

    "Wir hatten nie die Option, allein zu bleiben. Slowenien ist ein kleines Land. Wir mussten immer Teil eines großen Ganzen sein. Und wir sind jetzt stolz, dass wir zu Europa gehören. Die ganze Bevölkerung weiß das, wir können nicht allein bleiben. Deshalb verlieren wir nichts, im Gegenteil: Wir sind unseren Träumen sehr nah, nämlich unabhängig in einer großen Familie zu sein."

    Doch gerade jetzt, wo sich das Land am Ziel seiner Träume wähnt, werden Zweifel am slowenischen Erfolgsmodell laut. Der Wettbewerbsdruck wird härter, die Wirtschaft fordert Reformen.

    "Die Arbeitskräfte sind zu teuer. Damit meine ich nicht die Nettolöhne, die sind auf dem richtigen Niveau. Aber was wir noch drauf zahlen müssen, das ist zuviel, um auf Dauer wettbewerbsfähig zu bleiben. Unsere Konkurrenten sitzen in Tschechien, in der Slowakei. Die haben große Vorteile. Und das macht uns Sorgen. Wir erwarten, dass die Regierung hier etwas mutiger vorangeht."

    Bislang kann Slowenien gut mithalten, trotz hoher Steuern und Abgaben, trotz vergleichsweise hoher Löhne. Aber funktioniert das auch in Zukunft?

    Ausländische Geldgeber stehen bislang nicht gerade Schlange, im EU-weiten Vergleich rangiert Slowenien auf dem drittletzten Platz. Aber das Land brauche Investitionen, um auf Dauer konkurrenzfähig zu bleiben, sagt der Ökonom Janez Sustersic.

    "Sehen sich unsere Exporte an, da sind zuwenig Technologieprodukte dabei. Es gibt überhaupt zuwenig Technologiefirmen in Slowenien. Wir haben zu wenig Innovationen. Und das kann auf mittlere Sicht ein Problem werden. Der Euro wird der Wirtschaft einen Schub geben. Und das müssen wir nutzen. Wir müssen die Wirtschaft umstrukturieren. um wegzukommen von der arbeitsintensiven Produktion hin zur Hochtechnologie."

    Murska Sobota im Nordosten Sloweniens, kurz vor der Grenze zu Ungarn: Hier sitzt Mura, das größte Textilunternehmen des Landes. Stoffballen stapeln sich bis zur Decke, dicht an dicht stehen die Nähtische in der fensterlosen Fabrikhalle. Bügelmaschinen stoßen zischend feinen Dampf aus. Die Luft ist heiß und stickig.

    Hier wird Qualitätsware für die ersten Adressen der europäischen Modeindustrie geschneidert, Hemden und Hosen für Hugo Boss und Co. Aber wie lange noch, fragen sich die Beschäftigten, über 80 Prozent sind Frauen.

    "Wir machen uns große Sorgen um die Arbeitsplätze. Was soll werden, wenn wir unsere Jobs verlieren. Mit der Textilindustrie geht es bergab, es gibt keine Perspektive. Was sollen wir dann tun? Es gibt hier keine Alternative. Es gibt keine Jobs in Murska Sobota."

    Vidia Basic arbeitet seit 20 Jahren bei Mura, im Monat bekommt sie 90.000 slowenische Tolar, das sind knapp 400 Euro. Das ist nicht viel in einem Land, in dem Lebensmittel und Kleidung so teuer sind wie in Deutschland.

    Aber es ist offenbar zuviel, um die Jobs auf Dauer halten zu können. Das Unternehmen schreibt seit Jahren rote Zahlen, hangelt sich von Sanierungsplan zu Sanierungsplan. In den nächsten Jahren steht ein weiterer Aderlass bevor: Von den derzeit 4200 Stellen werden nur 1800 übrig bleiben, sagt Konzernchef Borut Meh.

    "Wir erleben jetzt, was Deutschland längst hinter sich hat. Die Produktion wird in die Länder verlagert, die günstiger produzieren, nach Bulgarien, Rumänien oder in die Türkei. Dabei sind die Löhne bei uns schon sehr niedrig, die Arbeiter bekommen nur 60 Prozent des slowenischen Durchschnittlohns. Noch weniger geht nicht, die Leute müssen ja auch davon leben können."

    Lohnintensive Industrien wie Mura haben in Slowenien keine Zukunft. Und auch Technologiefirmen spüren den rauen Wind der Globalisierung. Der Softwarekonzern Hermes Softlab zum Beispiel, eines der Aufsteigerunternehmen der vergangenen Dekade, rutschte vor vier Jahren in die Krise. Der wichtigste Kunde, der amerikanische Computerkonzern Hewlett Packard, kaufte in Indien 7000 Programmierer ein und entzog den Slowenen kurzerhand die Aufträge. Entlassungen und rote Zahlen in den Bilanzen waren die Folge.

    Davon hat sich das Unternehmen inzwischen erholt, sagt Vorstandschef Peter Testen. Vor allem in Deutschland hat der Konzern seine Position gestärkt, der Autovermieter Sixt zählt zu den Großkunden. Und der Konzern hat neue Märkte entdeckt. Die Nachbarländer auf dem Balkan, so Vorstandschef Testen, bieten große Perspektiven:

    "Wir investieren intensiv in zwei Länder: in Bosnien, und in Serbien haben wir eine Partnerfirma gekauft. Dadurch können wir den Kostendruck mindern und Margen erhöhen."

    Slowenien als Brücke zum Balkan, das hält auch die Regierung für eine interessante Option. Kritiker meinen allerdings, dass sich auch auf dem heimischen Markt mehr tun muss. Slowenien brauche mehr Innovationen, müsse attraktiver werden für Investoren, um auf Dauer mithalten zu können, sagt der Ökonom Janez Sustersic:

    "Alle anderen Länder, die neu in der EU sind, bekommen mehr ausländische Direktinvestitionen. Wir sind Drittletzter im europaweiten Vergleich. Ungarn und Polen sind viel erfolgreicher. Wir müssen da aufholen. Denn das belegen alle Untersuchungen: Ausländische Investitionen sind gut für Wachstum und Beschäftigung. Wir müssen das verbessern."

    Das hat inzwischen auch die Regierung erkannt. Sie will die Steuern senken, den Arbeitsmarkt flexibilisieren, die Bürokratie zurückstutzen. Aber sie tut sich schwer. Die Reformbegeisterung in der Bevölkerung hält sich in engen Grenzen. Die Pläne, eine Einheitssteuer von 20 Prozent nach slowakischem Vorbild einzuführen, scheiterte am Widerstand der Gewerkschaften. Und auch Reformen beim Arbeitsrecht kommen nicht gut an. Dusan Semolic, Präsident des größten gewerkschaftlichen Dachverbandes in Slowenien:

    "Die Regierung will den Kündigungsschutz lockern. Arbeitslose sollen weniger Hilfe vom Staat bekommen. Das ist doch paradox. Wir haben ein starkes Wachstum, die makroökonomischen Zahlen sind günstig. Aber die Regierung will die Rechte der Arbeiter beschneiden. Diese Logik können wir nicht akzeptieren. Und ich bin sicher, dass wir stark genug sind, um Widerstand gegen diese neoliberale Politik zu leisten."

    So reicht es bislang nur für kleine Schritte. Der Spitzensteuersatz wird schrittweise von 50 Prozent auf 41 Prozent gesenkt, die Unternehmen müssen nur noch 20 Prozent des Gewinns an den Fiskus abführen statt bislang 25 Prozent. Staatssekretär Ziga Lavric:

    "Wir sind für Reformen, aber sie müssen zwei Kriterien erfüllen. Sie müssen sozial verträglich sein und finanziell verkraftbar. Wir haben jetzt eine sehr ausgewogene Reform erreicht. Die Einheitssteuer dagegen wäre sozial sehr ungerecht gewesen. Und sie hätte große finanzielle Probleme verursacht."

    Probleme, die sich die Regierung nicht leisten kann und will. Warum auch?, fragt Staatssekretär Lavric. Der nur schwach ausgeprägte Veränderungswille hat das Land schließlich weit gebracht. Slowenien hat reformfreudigere Konkurrenten wie Lettland, Polen oder Tschechien weit hinter sich gelassen. Und selbst alteingesessene EU-Mitglieder wie Portugal hat das kleine Land inzwischen an Wirtschaftskraft übertroffen.