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Brücke zur EU
Russlands Verhältnis zu Österreich

Österreich bemüht sich um einen stärkeren Dialog mit Russland, während andere EU-Staaten russische Diplomaten wegen des Falls Skripal ausweisen. Nun wurde in Moskau das "Österreich Institut" eröffnet. Ein Zeichen dafür, dass auch Russland ein starkes Interesse an den Beziehungen zu Wien hat.

Von Thielko Grieß | 20.04.2018
    Wladimir Putin (r), Präsident von Russland, spricht mit Sebastian Kurz, Bundeskanzler von Österreich, bei einer gemeinsamen Pressekonferenz.
    Österreichs Russlandpolitik ist von Pragmatismus und dem geduldigen Aufbau von Kanälen geprägt - und das bereits seit Jahrzehnten. (Grigory Dukor/POOL REUTERS/AP/dpa)
    Russische Schüler einer fünften Klasse, gekleidet in österreichisch inspirierten Trachten, besingen die Alpenblume Edelweiß. In Moskau hat gestern Abend das "Österreich Institut" neu eröffnet, das schon bald Deutschkurse anbietet. Der Gesang gefällt Außenministerin Karin Kneissl.
    Sie hat es nur mit großer Verspätung in die Räume des Österreich Instituts geschafft. Es hätten sich kurzfristig wichtige Gesprächsmöglichkeiten ergeben, heißt es nebulös. Österreich will zwischen Russland und dem Westen im zuletzt zugespitzten Syrien-Krieg vermitteln:
    "Wir haben im Syrien-Konflikt zu keinem Zeitpunkt Partei ergriffen. Und das gilt nicht für so viele Länder."
    Österreichs Russlandpolitik ist von Pragmatismus und dem geduldigen Aufbau von Kanälen geprägt und das bereits seit Jahrzehnten - praktisch unabhängig von der Regierungskoalition in Wien. Das wird in Moskau überaus geschätzt. Das russische Außenministerium veröffentlichte vorgestern eine Erklärung, die eine Freundlichkeit ausbreitet, die in dieser Form kaum ein EU-Staat angeboten bekommt. Die beiderseitige Beziehung, Zitat, "trägt den Charakter einer gereiften, vertrauensvollen Partnerschaft, die den Schwankungen der politischen Konjunktur widersteht. Ernsthafte Probleme zwischen den Ländern gibt es nicht."
    Moskau unterscheidet zwischen EU und Österreich
    Einige Zeilen weiter wird gelobt: "Österreich, das insgesamt im Fahrwasser der "solidarischen" Ukraine-Politik der Europäischen Union fährt, gehört dennoch zu den Gegnern einer Verschärfung des Sanktionsdrucks. Diese Position teilen alle grundlegenden politischen Kräfte des Landes, Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens und die überwältigende Mehrheit der Unternehmer." Das Adjektiv "solidarisch" ist im russischen Original in Anführungszeichen gesetzt, als wollten die Autoren im Moskauer Außenministerium betonen, die EU agiere nur scheinbar solidarisch.
    Der Politikwissenschaftler Wladimir Schwejzer vom Europa-Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften meint: Die Beziehung zu Österreich ist von allen EU-Moskau-Beziehungen die beste. Ein Grund: Beide sind keine Nachbarn.
    "Österreich hat keine Grenze mit Russland. Das heißt, wir haben keine Konflikte wegen territorialer Fragen, wegen nationaler Minderheiten. Alles, was es in anderen Fällen mit anderen Staaten gibt, gibt es mit Österreich nicht."
    FPÖ und Einiges Russland
    Offiziell verhält sich das Land neutral gegenüber Russland - aber ebenso offiziell sind regelmäßige Kontakte zwischen dem kleineren Koalitionspartner FPÖ und der Kreml-Partei Einiges Russland. Rechtsgerichtete Politiker aus Österreich sind regelmäßig zu Besuch, fliegen auch auf die annektierte Krim, äußern ihre Bewunderung für den dort von Russland bezahlten Aufbau der Infrastruktur. Wladimir Schwejzer:
    "Unsere Politik baut auf Pragmatismus auf: Es gibt in Wien eine Regierung, die Österreicher haben FPÖ und ÖVP gewählt, die eine Koalition gebildet haben. Man sollte zu ihnen Beziehungen aufrechterhalten."
    Einiges Russland und die FPÖ haben einen auf Jahre angelegten Partnerschaftsvertrag geschlossen. Das Handelsvolumen beider Länder ist mit rund vier Milliarden Dollar überschaubar, aber für Russland ist Österreich unabdingbar im strategischen Energiegeschäft. In Moskau wird wohlwollend zur Kenntnis genommen, dass weder der österreichische Konzern OMV noch die Regierung die Pipeline "Nord Stream 2" infrage stellen. Zur Ausbeutung eines sibirischen Gasfeldes bei Urengoj arbeiten OMV und Gazprom eng zusammen. Solch verlässliche Partner sind zuletzt immer seltener geworden.
    Erwogen wird wohl auch, dass Wladimir Putin den Regierenden in Wien seine Wertschätzung im Sommer persönlich überbringt, wenn an den ersten Vertrag über Erdgaslieferungen aus der Sowjetunion nach Österreich vor 50 Jahren erinnert wird. Putin war zuletzt im Sommer 2014, kurz nach der Krim-Annexion, in Österreich, als er in vielen anderen EU-Ländern nicht empfangen worden wäre. Es ist diese nahezu unerschütterliche Treue, die Außenministerin Kneissl bei ihren Vermittlungsgesprächen heute in Moskau in die Waagschale werfen will.