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Brunnermeier: Wachstum von Facebook ist begrenzt

Der Princeton-Ökonom Markus Brunnermeier bewertet den Börsengang von Facebook skeptisch. Das soziale Netzwerk Facebook erreiche an der Börse nur die Hälfte des Wertes von Google - und der Umsatz betrage sogar nur ein Zehntel des Suchmaschinengiganten.

Philipp Schnee sprach mit Markus Brunnermeier | 15.05.2012
    Philipp Schnee: Das weckt Erinnerungen an die Dotcom-Blase rund um die New Economy, die Anfang der Nuller-Jahre kollabierte. Als alle Aktien, die irgendwie nach neuen Technologien klangen, zu Mondpreisen gehandelt wurden – und später das Geld vieler Anleger vernichteten. Herr Brunnermeier, kollektiver Irrsinn, kollektive Verblendung – so wird die Dotcom-Blase im Rückblick immer dargestellt: Sind Spekulationsblasen das: völlig irrational?"

    Markus Brunnermeier: Das hat eine irrationale Komponente, aber es kann auch rational sein, Blasen zu reiten. Es kann auch sinnvoll sein, zu investieren in Blasen, in der Hoffnung, dass man die Aktien - oder was das Wertpapier auch immer ist - zu einem höheren Preis wieder weiter verkauft.

    Schnee: Also wenn ich Sie richtig verstanden habe, die gängige These ist ja eher die, wenn alle davon ausgehen, dass es eine Blase gibt, dann gibt es sie nicht mehr, also das wäre alles nur Illusion und Täuschung, das wären da die Stichworte. Wenn ich Sie jetzt richtig verstanden habe, würden Sie einwenden, doch es kann sie trotzdem geben, weil alle weiterhin mit dem Trend setzen, wohlweislich, dass sie auf dünnem Eis laufen und gratwandern, also mehr oder weniger gegen besseres Wissen?

    Brunnermeier: In der Ökonomie unterscheidet man zwischen gemeinsamem Wissen und gegenseitigem Wissen. Es könnte sein, dass jeder weiß, dass es eine Blase gibt, aber nicht jeder weiß, dass jeder weiß, dass es eine Blase gibt. Also im ersteren Fall, jeder weiß, dass an sich der Preis zu hoch ist, aber hofft dennoch, dass die anderen es nicht wissen, und hofft dann, dass er zum höheren Preis verkaufen kann.

    Schnee: Einfach gesprochen ist Ihre These, dass jeder Einzelne schon rational handeln würde, der Fehler liegt aber woanders, nämlich im Zusammenspiel.

    Brunnermeier: Das stimmt, ja, genau.

    Schnee: Was ist denn eine Blase genau genommen?

    Brunnermeier: Also generell, strikt gesagt, ist eine Blase eine Situation, wenn der Preis den Fundamentalwert übersteigt, und jeder weiß, dass der Preis an sich zu hoch ist, aber dennoch kauft oder kaufen Leute diese Aktie, weil sie hoffen, dass sie das noch zu einem höheren Preis weiterverkaufen können.

    Schnee: Sind Blasen dann gefährlich?

    Brunnermeier: Blasen sind gefährlich, wenn sie zerplatzen, weil sie dann die Ökonomie in Schwierigkeiten bringen können, und das gilt insbesondere für Kreditblasen, in denen Leute Aktien kaufen oder Häuser kaufen, die kreditfinanziert sind. In diesem Fall bringen sie dann auch die Bank in Schwierigkeiten, und dadurch entstehen an sich wirtschaftlich große Probleme.

    Schnee: Ja, und wann platzt denn so eine Blase, wann und wie abrupt ebbt denn so eine Welle ab?

    Brunnermeier: Es ist an sich so, dass Blasen nicht zerplatzen, sondern eher langsam "deflaten", alsodass die langsam zurückgehen, und das Timing ist an sich sehr, sehr schwierig. Und das ist auch der Grund, warum die Blasen sehr lang bestehen können, weil jeder, wenn man wissen würde, dass die Blase, was weiß ich, in drei Tagen zerplatzen wird, würde jeder schon heute dagegen spekulieren.

    Schnee: Und Blasen werden ja auch immer wieder als Vermögenspreisinflation beschrieben, also als Inflation von Aktienpreisen oder von Immobilienpreisen. Kann die eben auch ein Zeichen dafür sein, dass zu viel Geld im Markt ist, dass sich jetzt seinen Weg eben sucht?

    Brunnermeier: Ja, es kann schon ein Zeichen dafür sein, das heißt auch, wenn es zu viel Liquidität gibt, ist das einfach zu einfach, Kredite zu bekommen, und das eben wird sich dann auch in höheren Vermögenspreisen widerspiegeln.

    Schnee: Und ist jetzt momentan gerade so eine Zeit, wo vielleicht zu viel Geld im Markt sein könnte? Die EZB hat relativ viel Geld in das System gegeben.

    Brunnermeier: Es ist sehr viel Geld im Markt, es ist aber auch sehr viel Unsicherheit im Markt, sodass viele Investoren sich aus etlichen Vermögensanlagen zurückziehen, und eine Balance muss dadurch gefunden werden.

    Schnee: Gibt es Wirtschaftsbereiche, die schneller zu Blasen neigen? Also nehmen wir die Internetwirtschaft, den tatsächlichen Wert so einer Firma zu berechnen, abzuschätzen, scheint ja doch schwieriger zu sein als etwa bei einem Stahlunternehmen mit ganz klaren Produktionskapazitäten oder zum Beispiel bei einer Immobilie, die ja aus ihrer Größe, ihrem Zustand und ihrer Lage besteht, aus der man dann den Wert berechnen kann – ist die Internetbranche besonders anfällig, bietet mehr Raum für Hoffnung und Illusion?

    Brunnermeier: Ja, das stimmt, dass neue Technologien an sich mehr Raum bieten für Spekulationsblasen. Aber nicht nur technische Technologien wie Internet, sondern auch Finanzinnovationen helfen, Blasen zu entwickeln. Also jede Innovation, jeder Innovationsschub führt generell am Anfang zur Blasenbildung. Manchmal kann die Blasenbildung auch hilfreich sein, dass eben eine neue Technologie irgendwie auch Einstieg findet in die Ökonomie.

    Schnee: Aber ist das dann eine Bedingung für Blasen, eine neue Technologie, eine Innovation?

    Brunnermeier: Es ist an sich nur eine gute Voraussetzung. Aber, wenn es zu einer neuen Technologie, zu neuen Innovationen kommt, ist das ein gutes Zeichen, dass man wachsam sein sollte.

    Schnee: Ist das, was jetzt gerade entsteht, vergleichbar mit der Dotcom-Blase Ende der 90er-Jahre, Anfang der Nuller-Jahre?

    Brunnermeier: Ja, es gibt einige Ähnlichkeiten, aber es gibt auch etliche Unterschiede. Zum Beispiel war in den 90er-Jahren nicht klar, welche Firma eine Monopolstellung einnehmen wird - langfristig. Facebook hat an sich eine sehr gute Ausgangsposition, diese Monopolstellung einzunehmen, aber nichtsdestotrotz sollte man in Betracht ziehen an sich, dass die Gesamtausgaben für Werbung in der Ökonomie an sich so 140 Milliarden sind und dass das auch nach oben begrenzt ist, wie viel Einnahmen Facebook langfristig dann erzielen kann. Man kann es nicht definit vorhersagen. Es ist nicht eine Blase im strengen Sinne, aber wenn man die Marktkapitalisierung von Facebook zum Beispiel mit Google vergleicht - es ist so, dass Facebook ungefähr die Hälfte der Marktkapitalisierung haben wird - wogegen der Umsatz nur ein Zehntel von Google ist, und das ist genau auch der gegenwärtige Gewinn, sodass man diesen Preis rechtfertigen müsste. Dazu müsste Facebook wesentlich stärker wachsen als Google. Von daher werde ich persönlich nicht in Facebook investieren.

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