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Brust-Implantate sorgen für Streit in der Koalition

In der Regierungskoalition wird über die Konsequenzen gestritten, die aus dem Skandal von mangelhaften Brustimplantaten gezogen werden sollen. Im Gegensatz zu CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn sieht Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) keine Veranlassung für neue gesetzliche Regelungen.

Von Andreas Baum | 09.01.2012
    Gesundheitspolitikern und Experten zufolge könnte der Skandal um die Brustimplantate der französischen Firma PIP zumindest ein Gutes haben: Er könnte zu strengeren Regeln führen, denn die Zulassungskriterien für medizinische Produkte insgesamt sind in Deutschland und Europa ungeordnet, werden nachlässig gehandhabt oder fehlen ganz. Dies deshalb, weil jährlich rund 30.000 neue Medizinprodukte allein auf den europäischen Markt gebracht werden. Zum Vergleich: die Zahl der neu zugelassenen Arznei-Wirkstoffe liegt im gleichen Zeitraum bei nur 30.

    Arzneimittel müssen ein aufwendiges Zulassungsverfahren durchlaufen. Bei den Medizin-Produkten ist die Politik zurückhaltend, denn sie befürchtet einen immensen bürokratischen Aufwand. Trotzdem, so sagt es der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im Bundestag, Jens Spahn, sollte sich etwas ändern – nur sollte der Gesetzgeber genau hinschauen, um welches Medizinprodukt es geht.

    "Selbst ein Rollator ist im Grunde ein Medizinprodukt, da brauchen wir keine strengere Zulassung. Aber insbesondere bei denen mit höheren Risiken, die in den Körper eingesetzt werden wie etwa Herzschrittmacher, Hüftimplantate, oder eben Brustimplantate braucht es sicherlich höhere Anforderungen als nur die Frage: Funktioniert das auch technisch."

    Damit liegt die Union nicht ganz auf der Linie des FDP-Bundesgesundheitsministers, Daniel Bahr. Der verweist pauschal auf bestehende europäische Regelungen und hält ein neues Gesetz für unnötig. Damit steht Bahr weitgehend allein: Der französische Gesundheitsminister drängt auf strengere Vorschriften, ebenso die europäische Arzneimittelbehörde – und auch Jens Spahn von der CDU fordert eine gesetzliche Neuregelung.

    "Die wäre dann notwendig. Aber sie sollte vor allem europäisch erfolgen. Und deswegen sollten wir, Frankreich hat das ja auch schon angekündigt, zusammen mit anderen Mitgliedsstaaten darauf drängen, dass es für die mit höheren Risiken auch noch mal zusätzliche Anforderungen gibt."

    Ähnlich sieht das die SPD. Karl Lauterbach, gesundheitspolitischer Sprecher der SPD, will aber – aus Furcht vor allzu großer Regulierungswut – die staatliche Zulassung auf gefährliche Medizinprodukte beschränken, beispielsweise auf künstliche Kniegelenke oder Bandscheiben. Die gesetzlichen Krankenkassen wollen sich nicht nur auf die Frage festnageln lassen, welche Leistung bezahlt wird – sie haben, was die Zulassung von Medizinprodukten angeht, schon vor Jahren ihre Vorstellungen publik gemacht – Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes, schlägt vor, sogenannte Innovationszentren einzuführen. Ein neues Medizinprodukt sollte nur dort eingeführt werden, wo Spezialisten damit arbeiten, und die dies wissenschaftlich begleiten.

    "Das hat den Vorteil, dass einerseits die Versicherten direkt in den Genuss – in Anführungszeichen – einer neuen Methode kommen, wenn es was Neues gibt. Aber die Gefahr, wie wir sie jetzt erleben, dass Produkte einfach immer wieder angewendet, angewendet, angewendet werden, aber keiner wirklich drauf guckt: Hilft es dem Versicherten? Das wird damit abgewendet, das wäre für uns eine gute Lösung."

    Damit würde es auch Kriminellen schwerer gemacht, die ein anderes Medizinprodukt zur Prüfung vorlegen, als sie dann einsetzen, so wie dies offenbar bei den Brustimplantaten der französischen Firma PIP der Fall war.