Dienstag, 19. März 2024

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Brustkebs-Bluttest
Von der Weltsensation zum Medizinskandal

Eine Weltsensation sollte er sein: ein Bluttest zur Früherkennung von Brustkrebs. Doch der Meilenstein in der Brustkrebsdiagnostik war überhaupt nicht marktreif- und wurde zum Skandal für die Heidelberger Universitätsfrauenklinik. Der Hauptverantwortliche der Affäre klammert sich immer noch an seinen Posten.

Von Volkart Wildermuth | 21.02.2020
Eine Reihe von menschlichen Blutproben in einem Labor
Eine Reihe von menschlichen Blutproben in einem Labor (Copyright imago images / Westend61)
"Meilenstein in der Brustkrebsdiagnostik", "revolutionär" - für die "Bild"-Zeitung sogar eine "Weltsensation aus Deutschland". Vor genau einem Jahr stellte der Direktor der Heilberger Universitätsfrauenklinik einen Bluttest zur Erkennung von Brustkrebs vor. Angeblich sollte er noch 2019 eingeführt werden. Doch schnell war klar, bei der Weltsensation handelte es sich um einen Rohrkrepierer.
Eine Medizinisch-technische Radiologieassistenten (MTRA) überprüft am Donnerstag (04.03.2010) in Hannover in dem Mammografie Screening Zentrum eine Aufnahme einer Brust.
Neuer Bluttest zur Brustkrebs-Früherkennung
Einen Bluttest zur Früherkennung von Brustkrebs haben Forscher der Universitätsklinik Heidelberg vorgestellt. Der Test basiert auf dem Nachweis von Biomarkern und soll andere Früherkennungsmethoden wie Mammographie oder Ultraschall ergänzen. Frei von Kritik ist er aber nicht.
Ein Jahr nach Beginn der Affäre um den Bluttest zur Früherkennung von Brustkrebs sei der als hauptverantwortlich geltende Direktor der Frauenklink immer noch im Amt, kritisiert der Wissenschaftsjournalist Volkart Wildermuth.

Christiane Knoll: Was haen Sie damals angesichts der Schlagzeilen gedacht?
Volkart Wildermuth: Das klang schon aufregend. Die Heidelberger Forscher versprachen da, Brustkrebs anhand einer Blutprobe erkennen zu können, das gehört zum Feld der Liquid Biopsy, der flüssige Biopsie, das ist ein heißes Forschungsthema. Die neue Methode sollte genauso sensibel sein wie die Mammographie, nur eben ohne die Strahlenbelastung. Wenn das gestimmt hätte, wäre es tatsächlich bemerkenswert. Aber schnell stellte sich heraus: da passt vieles nicht zusammen.
Erstens gab es keine wissenschaftliche Veröffentlich, die Berichte beruhten nur auf den Pressemitteilungen des Universitätsklinikums Heidelberg und der Firma HeiScreen. Und zweitens schlug der Test auch viel zu oft falsch an, das heißt gesunde Frauen wären umsonst beunruhigt worden. In dieser Form wäre der Test schlicht unbrauchbar und ganz sicher nicht "marktreif", wie es damals hieß.
Der Hauptschuldige im Bluttest-Skandal ist immer noch im Amt
Knoll: Was waren die Konsequenzen?
Wildermuth: Es gab wirklich große Aufregung in Heidelberg. Die Wissenschaftsministerin von Baden Württemberg verlangte Aufklärung, die Staatsanwaltschaft ermittelt. Die Leitung des Uniklinikums, die sich zuerst im Erfolg gesonnt hatte, entschuldigte sich, sagte, sie hätte von der Medienkampagne nichts gewusst. Das stimmte aber so wohl nicht. Am Ende trat der Dekan der medizinischen Fakultät zurück, genauso wie die Vorstandsvorsitzende des Uniklinikums und die kaufmännische Direktorin.
Ein Logo des Universitäts Klinikum Heidelberg, aufgenommen auf dem Gelände des Klinikums.
Skandal an der Uniklinik Heidelberg
Eitelkeit, Führungsversagen, Machtmissbrauch: Die Kritik am Vorstand der Heidelberger Uniklinik wiegt schwer. Grund dafür ist ein unfertiger Bluttest für Brustkrebs und dessen Vermarktung durch einen zwielichtigen Investor. Neben des Verlusts des guten Rufs drohen dem Klinikum noch weitere Konsequenzen.
Die Universität Heidelberg setzte eine externe Untersuchungskommission ein. Ihr Vorsitzender Prof. Mathias Kleinert sprach von "Eitelkeit, Führungsversagen und Machtmissbrauch". Die öffentliche Vorstellung des Berichtes wurde aber kurzfristig gerichtlich untersagt, wegen der Verletzung von Persönlichkeitsrechten.
Als Hauptverantwortlicher gilt Professor Christof Sohn, der Direktor der Frauenklink. Die verfrühte Veröffentlichung über die Medien wertet die Senatskommission der Universität als gravierendes Fehlverhalten. Christof Sohn durfte für einige Monate weder forschen noch Vorlesungen halten. Aber nach wie vor ist er Geschäftsführender Direktor der Heidelberger Frauenklinik. Das Disziplinarverfahren gegen ihn läuft aber weiter.
Großer Druck an Universitäten, konkrete Produkte zu erzeugen
Knoll: Welche Bedeutung hat denn die Firma HeiScreen, die den Test vermarkten wollte?
Wildermuth: Tatsächlich gibt es einen großen Druck an den Universitäten nicht nur zu forschen, sondern auch konkrete Produkte zu erzeugen. Das ist ja auch sinnvoll, damit am Ende die Patientinnen etwas von den Ergebnissen haben. Dazu dienen Ausgründungen, die hier von der Technology Transfer Heidelberg organisiert wurden.
In diesem Fall wurden Ideen und Ergebnisse für einen Bluttest zur Verlaufskontrolle der Tumortherapie an die Firma HeiScreen übergeben. Die sah aber in der Früherkennung einen viel größeren Markt. Dafür reichten die Daten nicht, trotzdem wurden 80.000 Euro für eine Pressekampagne bezahlt, wie die "Rhein-Neckar-Zeitung" herausgefunden hat.
Die Schlagzeilen waren da, aber schnell auch der Skandal. Die Universität hat sich von Technology Transfer Heidelberg getrennt, und vermarktet ihre Erkenntnisse inzwischen auf einem anderen Weg und will künftig viel genauer prüfen, bevor sie an die Öffentlichkeit geht. HeiScreen forscht angeblich nach wie vor auf dem Gebiet der Liquid Biopsy, aber dort gibt man sich zugeknöpft, auf Anfragen hat niemand reagiert.