Mittwoch, 24. April 2024

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Bryan Sykes: "Darwins Hund"
Ein Genetiker erklärt, wie der Wolf gezähmt wurde

Mensch und Wolf kamen vor langer Zeit zusammen: als Verbündete bei der Jagd. Lange bevor der Homo Sapiens sesshaft wurde, begannen unsere Vorfahren, ihre Todfeinde zu zähmen. Die moderne Genforschung verrät, wie der Wolf zum Hund wurde - und schließlich zum besten Freund des Menschen.

Von Michael Lange | 20.10.2019
Ein Rudel europäischer Wölfe (Canis lupus lupus im Wald.
Wölfe wurden zu Dobermännern, Bulldoggen und Pinschern - ein Prozess der Selektion und Mutation von Genen (imago / Blickwinkel)
Genetiker haben die letzten Zweifel ausgeräumt. Jetzt steht fest: Die Vorfahren unserer Hunde waren Wölfe. Sie schlossen sich vor über 10.000 Jahren mehr oder weniger freiwillig den Menschen an. Später wurden die Menschen sesshaft, betrieben Landwirtschaft und züchteten Hunde, die ihren Bedürfnissen und Wünschen entsprachen. Wölfe wurden zu Dobermännern, Bulldoggen, Pudeln und Pinschern.
Am Anfang stand die gemeinsame Jagd
Wie Menschen und Hunde erstmals zusammenfanden, darüber kann auch der Genetiker Bryan Sykes nur spekulieren. Bildhaft beschreibt er, wie beide voneinander profitierten, indem sie gemeinsam jagten. Die Wölfte hetzten das Großwild bis es erschöpft niedersank, und die Menschen konnten die geschwächten Tiere mit ihren einfachen Waffen erlegen. Die Jagdgemeinschaft nutzte beiden Partnern und führte die Wölfe letztlich in die Abhängigkeit vom Menschen. Eine andere Theorie findet Bryan Sykes weniger überzeugend. Demnach ernährten sich Wölfe von den Abfällen der Menschen, verloren ihre Scheu und kamen den Menschen im Laufe von Jahrtausenden immer näher, bis der sie schließlich zähmte.
Wie für Charles Darwin die Tauben, sind Hunde für moderne Genforscher ein geeignetes Modell, um die Mechanismen der Evolution besser zu verstehen. Mutation und Selektion lassen sich an ihnen weit einfacher erforschen und besser erklären als am Menschen. So haben Wissenschaftler beim Menschen 697 Gene entdeckt, die auf die Körpergröße Einfluss nehmen. Die Wirkung der einzelnen Erbanlagen ist äußerst gering und die Wechselwirkungen kompliziert. Beim Hund gibt es nur wenige Gene, die die Körpergröße bestimmen. Die Veränderung eines einzelnen Gens macht aus einem großen einen kleinen Hund. Dadurch wird die Forschung einfacher.
Rassezucht macht Hunde krank
Oft sind Zuchtfolgen, die bei "reinrassigen" Hunden erwünscht sind, vergleichbar mit vererbten Krankheiten des Menschen. So leiden Dalmatiner unter einer Form der Gicht, die in ähnlicher Weise auch bei Menschen auftritt. Genauere Untersuchungen des Erbguts ergaben: Das Gen, das für die charakteristische Fellfärbung der Dalmatiner sorgt, liegt neben einer Erbanlage, die – wenn sie mutiert ist – zu typischen Gicht-Symptomen führt. Wie in diesem Beispiel führte die Hundezucht immer wieder zu Entwicklungen, unter denen die Tiere litten und bis heute leiden.
Anders als die meisten anderen Autoren von Hundebüchern ist der Genetiker Bryan Sykes kein "Hundeverrückter", wie er selbst einräumt. Sein Interesse am treuesten Gefährten des Menschen ist zunächst rein wissenschaftlicher Natur. Gerne schweift er ab und beschreibt grundsätzliche Erkenntnisse der modernen Genforschung. Dann wird es etwas komplizierter. So richtet sich sein Buch eher an wissenschaftlich interessierte Leser, aber auch Hundefreunde können mit Gewinn darin schmökern. Denn dank seiner Frau kommt der Genetiker Bryan Sykes den Hunden langsam näher und wird schließlich doch noch zum Hundefreund und Hundeversteher.
Darwins Hund
Die Geschichte des Menschen und seines besten Freundes
Von Bryan Sykes, aus dem Englischen übersetzt von Anne Emmert
Verlag Klett Cotta, 319 Seiten, 22 Euro