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BSE aus Sicht von Wissenschaft, Ernährung, Umwelt und Handel

BSE, die schwammartige Veränderung des Rinderhirnes, die höchst wahrscheinlich beim Menschen eine neue Variante der Creutzfeld-Jakob-Krankheit auszulöst, prägte gestern, am 3. Mai, den Landwirtschaftlichen Hochschultag an der Universität Hohenheim in Stuttgart.

Von Cajo Kutzbach | 04.05.2001
    Was die Bundesforschungsanstalt für Viruserkrankungen in Tübingen beim BSE-Test feststellen kann ist nicht der Erreger selbst, sondern nur seine Spur. Also kennt auch niemand die kritische Menge, ab der der Erreger überhaupt wirksam wird, sondern kann nur verschiedene Übertragungswege miteinander vergleichen, wie Prof. Walter Bodemer:

    "Die Aufnahme oral durch die Nahrung ist um den Faktor 100000 schlechter, als die künstliche Infektion, die man in den Mäusen oder verschiedenen Tieren macht, die dann intracerebral, also direkt ins Gehirn hinein geht."

    Man sollte also Meldungen aus den Labors nicht überbewerten. Besorgnis erregend ist, dass der Erreger, sogenannte Prionen, lange Zeit nicht erkennbar ist und deshalb nicht gewiss ist, ob die meisten Menschen davor genetisch geschützt sind, wie Prof. Detlev Rieser vom Institut für Physikalische Biologie der Universität Düsseldorf berichtet:

    "Ja alle bisherigen Patienten haben eine ganz bestimmte genetische Ausstattung, die sogenannte Methionin-methioninhaemozygotie. Nur solche Menschen wurden von der Krankheit befallen. Etwa 35 Prozent der Gesamtbevölkerung haben diese Ausstattung. Aber es haben immer schon Wissenschaftler drauf hingewiesen, vielleicht ist es so, dass die andere Teil der Bevölkerung, d.h. die zwei verschiedene Chromosomen an der Stelle haben, eine viel längere Inkubationszeit haben und nicht vielleicht erst nach zehn Jahren krank werden, sondern nach 15, 20 oder 25 Jahren und dann würde uns noch ein zweiter Berg bevorstehen."

    Die 97 Briten, die an dieser neuen CJK-Form erkrankten, bilden bisher in der Statistik nur einen Berg, der dem der an BSE erkrankten Rinder ähnelt. Da wir in Deutschland viel weniger BSE-Fälle haben, sollte es bei uns viel weniger Erkrankungen geben:

    "und insofern ist eigentlich auch in Deutschland zu erwarten, dass nur eine oder hoffentlich wenige Patienten zu finden sein werden."

    Obwohl vor allem Tiermehl im Futter BSE übertrug, geht der Vorsitzende der Landestierärztekammer Baden-Württembergs, Prof. Otto Christian Straub, wie auch einige englische Forscher davon aus, dass die Traberkrankheit der Schafe nicht zu BSE mutierte. Dafür spricht, dass auch Tiere, die nie Tiermehl fraßen, ähnliche Krankheiten bekommen:

    "Ja warum denn eigentlich nicht? Wer hätte denn angenommen, dass die Lemuren auf Madagaskar an einer Enzephalopathie leiden. Das hätte doch kein Mensch vermutet?"

    Sicher spielt die ungeklärte Herkunft der Krankheit auch ein Rolle beim Mißtrauen der Verbraucher in die Landwirtschaft. Aber die Liste der Lebensmittelskandale der letzen 20 Jahre zeigt, dass die Verbraucher zu recht mißtrauisch sind. Sie ahnen, dass unser Agrarsystem Webfehler hat. Dr. Martin Hartig, im Ministerium Ländlicher Raum für Veterinäre zuständig, fordert deshalb die Kontrolle der gesamten Lebensmittelproduktion und nicht nur Stichproben bei fertigen Lebensmitteln. Das werden aber die erwünschten Familienbetriebe viel schwerer leisten können, als die weniger beliebten Großbetriebe. Hier gibt es einen Interessenkonflikt:

    "Das seh ich genauso. Und deshalb ist auch meine Auffassung, das sind auch sehr anspruchsvolle Qualitätssicherungssysteme, die jetzt gefordert werden. Aber ich kann nur, wenn ich auf jeder Produktionsstufe entsprechend kontrolliere und mir Gedanken mache, welche Gefahren enthalten sein können, kann ich diese Gefahren ausschließen."

    Wege aus der Krise bietet außerdem eine behutsame Steigerung der ökologischen Landwirtschaft. (Eine zu rasche Umstellung würde den Markt zusammenbrechen lassen.) Ferner ein Überdenken der Produktionsstrukturen, die Krankheitsausbreitung durch Tiertransporte eher fördern. Hochleistungstiere leiden zudem auf Grund genetischer Zusammenhänge oft unter Krankheiten, die Folge der einseitigen Zucht sind. Hier wird man neue Kompromisse finden müssen zwischen Leistung und Tiergesundheit. Schließlich würde es auch viel helfen, wenn der Verbraucher qualitätsbewusster wäre. Aber gerade kinderreiche Familien können sich hochwertige Ware meist nicht leisten.