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Buchhandel gegen Bibliotheken

Am 13. Mai wird das Landgericht Frankfurt entscheiden, unter welchen Bedingungen Unibibliotheken E-Books zur Verfügung stellen dürfen. Der Rechtsstreit hat sich an hundert digitalen Buchkopien entzündet, die die Bibliothek der TU Darmstadt in ihrem Lesesaal anbot: gegen den Willen des Verlages. Der Rechtstreit könnte zum Musterprozess für die Verwendung von E-Books an Universitäten werden.

Von Ludger Fittkau | 24.04.2009
    Bei dem Streit geht es um Lehrbücher des Stuttgarter Ulmer Verlages aus dem Bestand der Darmstädter Unibibliothek. Sie wurden von Bibliotheksmitarbeitern digitalisiert und auf Computern im Lesesaal der Bibliothek im Darmstädter Residenzschloss den Nutzern zur Verfügung gestellt. Georg Nolte-Fischer, der Darmstädter Bibliotheksdirektor:

    "Das Angebot besteht nur an einzelnen Arbeitsplätzen in der Bibliothek. Der Nutzer muss also die Bibliothek aufsuchen, um diese Dinge nutzen zu können. Er hat keinen campusweiten Zugriff, wie das sonst üblicherweise bei E-Books der Fall ist, und er hat Zugriff auf Dateien, die kapitelweise das einzelne Werk darstellen, kann die an dem Bildschirm anschauen, lesen. Er kann sie ausdrucken einzeln und er kann sie einzeln auch downloaden. Wir weisen darauf hin, das es nicht erlaubt ist, alle Kapitel eines Werkes zu kopieren, im Sinne des Ausdrucks oder im Sinne eines Downloads auf einen USB-Stick."

    Die TU Darmstadt beruft sich bei diesem Angebot an ihre Studierenden auf den Paragrafen 52 b des deutschen Urhebergesetzes. Der besagt, dass die Wiedergabe von Werken an elektronischen Leseplätzen in öffentlichen Bibliotheken, Museen und Archiven erlaubt ist, wenn sie wissenschaftlichen Zwecken dient. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels sieht damit allerdings die Rechte von Verlagen und Buchhändlern verletzt. Die trügen schließlich das verlegerische und kaufmännische Risiko für die Bücher und müssten deshalb auch für die E-Book-Nutzung in den Hochschulen angemessen honoriert werden. Christian Sprang, Justiziar des Börsenvereins:

    "Während die Uni Darmstadt einfach ihre Terminals hinstellt, dann die 100 beliebtesten Lehrbücher scannt, ohne die Verlage zu fragen und ohne dafür irgendwie gesondert zu zahlen - und dafür zahlt die Kultusministerkonferenz im Jahr 100.000 Euro. Und damit sollten also, wenn das so ginge, wie die TU Darmstadt sich das vorstellt, sämtliche Universitäten ihre Leser mit sämtlichen Büchern versorgen können. Da merkt man schon, dass das nicht so sein kann."

    Gegen das wirtschaftliche Interesse der Verlage und des Buchhandels steht jedoch das Recht auf die freie Nutzung vorhandener wissenschaftlicher Quellen und das Recht der Kopie zum persönlichen Gebrauch. Daran dürfe sich auch im digitalen Umfeld nichts ändern, sagt der Deutsche Bibliotheksverband. Der Verband, der bundesweit 2000 Bibliotheken vertritt, betrachtet den "Darmstädter Fall" deshalb als bundesweiten Präzedenzfall zur Frage des Urheberrechts im Bereich der E-Books. Dem Darmstädter Bibliothekschef Georg Nolte-Fischer geht es um Rechtsicherheit - für alle Beteiligten:

    "Und deshalb stellen wir uns dieser Prozessauseinandersetzung - für uns, aber auch für die anderen Bibliotheken. Und sind deshalb froh, dass auch der Deutsche Bibliotheksverband uns unterstützt und sagt, das er es begrüßt, dass die TU Darmstadt diesen Prozess führt, um Rechtssicherheit für die Bibliotheken zu erreichen; ich denke aber auch für die Verlage. Und der Ulmer Verlag hat ja vor einiger Zeit ja auch in der Presse erklärt, dass es ihm auch um diese Rechtssicherheit geht, da zumindest sind wir uns einig."

    Es gehe bei dem Rechtsstreit, der am 13. Mai sein erstes Urteil finden wird, auch nicht grundsätzlich um die Frage, ob von den Bibliotheken Lizenzgebühren für E-Books an Verlage gezahlt werden müssen oder nicht. In Darmstadt habe man bereits 8000 E-Book-Lizenzen für die campusweite Nutzung erworben, die stark nachgefragt würden, so der Darmstädter Bibliotheksdirektor. Aber der Ulmer-Verlag habe seine E-Books bisher zu Bedingungen angeboten, die für öffentliche Bibliotheken nicht akzeptabel seien, so Georg Nolte-Fischer:

    "So wird ein nutzungsabhängiges Entgelt gefordert, das für die Bibliotheken ein unkalkulierbares finanzielles Risiko darstellt, weil wir nicht prognostizieren können, wie hoch die Nutzung für einen Titel sein wird. Deshalb haben nicht nur wir sondern alle hessischen Bibliotheken dieses Angebot des Ulmer Verlages abgelehnt und sind nicht drauf eingegangen."

    Und in Darmstadt haben sie eben eigene Scans der besagten Bücher zur Verfügung gestellt. Ob das Rechtens war, wird sich nun durch eine einstweilige Verfügung am 13. Mai klären. Christian Sprang vom Börsenverein des deutschen Buchhandels will notfalls bis zum Bundesgerichtshof gehen und auch den Gesetzgeber in die Pflicht nehmen - für eine Änderung des Paragrafen 52 b im Urheberrecht:

    "…eben auch politisch noch einmal Druck in Richtung einer Klarstellung dieser streitigen Vorschrift zu machen."