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Buchmesse Frankfurt
Lernspiele verdrängen den Frontalunterricht

Die deutsche Sprache im Klassenzimmer - für Analphabet oder auch als Fremdsprache - ist ein großer Bereich auf der Buchmesse in Frankfurt. Im Fokus steht die veränderte Herangehensweise, um Sprache zu erlernen. Statt der Wissensvermittlung durch Lehrkräfte sind Lernspiele auf dem Vormarsch.

Von Afanasia Zwick | 15.10.2015
    Drei Sechstklässler begutachten ein Lernspiel
    Drei Sechstklässler begutachten ein Lernspiel (dpa/picture alliance/Frank Rumpenhorst)
    "Finde ich ganz toll, danke an meine beiden Gesprächspartner, danke an Sie."
    Dass Elfriede Haller hier auf der Frankfurter Buchmesse eine Diskussionsrunde mit einer Autorin moderiert, hätte sie vor ein paar Jahren nicht zu träumen gewagt. Denn das Buch der Autorin konnte sie bis vor zehn Jahren gar nicht lesen. Die 58-Jährige ist eine von über sieben Millionen deutschen Analphabeten. Fehlerfrei Lesen und schreiben - immer noch ein Tabu für sie. Vergleichbar sei das mit der Vorstellung:
    "Fahren Sie mal nach China und dann orientieren Sie sich mal. Versuchen Sie, mal herauszufinden, ob da nun steht Damen- oder Herrentoilette oder ob da Tankstelle - naja, das könnte man noch sehen, aber sie würden wahrscheinlich nicht auf die Buchstaben schauen und auf die Wörter, sondern sie würden sich nach den Äußerlichkeiten orientieren. Und genauso ist das auch und so kommt man durchs Leben."
    Auf der Buchmesse wirbt die zweifache Mutter aus Bielefeld für mehr Aufklärung. Viele Jahre habe sie es vertuscht, nicht lesen und schreiben zu können. Erst als ihr Sohn eingeschult wurde, meldete sie sich für einen Kurs an der Volkshochschule an.
    Eselsbrücken helfen beim Lernen
    Tim Henning, vom Bundesverband Alphabetisierung, hofft durch die Offenheit von Elfriede Haller, dass mehr Menschen Mut fassen, einen Kurs zu belegen. Denn bisher würden sich nur 25.000, also ein Bruchteil, alphabetisieren lassen:
    "Wir reden in der Erwachsenenbildung immer davon, es wird nur dann vernünftig gelernt, wenn die Materialien einen Alltagsnutzen haben. Ein Ansatz ist zum Beispiel, dass man Kochkurse macht und während dieses Kochkurses auch die Rezepte aufschreibt und dann einen sehr lebenspraktischen Bezug hat."
    Auch für Elfriede Haller war es wichtig, Rechtschreibregeln nicht anhand von Kinderbüchern zu lernen:
    "Da hab ich ein ganz tolles Beispiel. Es gibt nämlich Männerwörter und Frauenwörter. Männerwörter sind zackig, mit "ss" geschrieben und Frauenwörter sind weicher. So etwas so was so zu umschreiben, das hat die Regel so und so."
    Dass sich Kinder inzwischen vieles selbst beibringen können, findet sie gut. Zum Beispiel anhand so genannter Lernspiele, dem zweiten großen Thema der Buchmesse. Vor allem ausländische Anbieter stellen die neuesten Trends vor:
    Lernspiele werden immer beliebter
    Das Konfuzius Institut Hanban, vergleichbar mit dem deutschen Goethe-Institut, nutzt zum Beispiel ein Bilderbuch mit einem sogenannten smarten Stift als Lernmethode der chinesischen Sprache. Dabei fährt das Kind mit dem Stift sowohl über das deutsche als auch über das chinesische Wort unter einem Bild und hört dabei aus dem smarten Stift, wie man die Wörter ausspricht:
    Lernspiele würden auch in der schulischen Bildung immer beliebter, sagt Elmar Husmann, Generalsekretär von ELIG, einer europäischen Organisation für innovative Lernmethoden:
    "Man kann dadurch auch Ressourcen freisetzen, weil man regt ja an, dass das Lernen selbstgesteuert geschieht. In der Schule versuchen wir ja viel Lernen zu vermitteln von jemandem, der vorne an der Tafel steht und was erklärt. Ein Großteil dieser Dinge könnten sich die Schüler auch ein Stückweit selbst beibringen, wenn sie es zur Lösung einer Aufgabe brauchen. Das ist aber ein entscheidender Faktor: In dem Moment wo ich vor einer Hürde stehe, hab ich ja eine Frage, die ich lösen muss."
    So zum Beispiel im "Klassenzimmer der Zukunft", dem dritten großen Thema der Buchmesse. Hier lernen Schüler in einem extra aufgebauten Klassenzimmer in einer der Hallen in kleinen Gruppen zusammen. Je nachdem, für welches Fach sie sich interessieren, können sie neue Lernmethoden ausprobieren.
    "In eurer Szene- welche Figur taucht auf?"
    Zum Beispiel in Deutsch sollen sie aus einer Geschichte ein Schattenspiel basteln. Der 17-jährigen Schülerin Michelle Mathieu gefällt die Art des Lernens, vor allem für das Fach Geschichte wünscht sie sich das:
    "Wenn man die ganzen Zahlen hat, ist das Ganze unübersichtlich. Und wenn man dann eine Geschichte hat, die erzählt wird, ist das genauso wie ein Film, dann versteht man das besser und wenn man dann noch das selbst macht, kann man das noch besser verinnerlichen."
    Doch sie fürchtet, ihre Lehrer werden sagen: Das ist nichts, was man fürs Abitur braucht.