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Buchmessen-Gastland Rumänien
Eine Schriftsteller-Generation in Opposition zur politischen Klasse

Im Südosten Europas schmiegt es sich ans Schwarze Meer, das diesjährige Gastland auf der Leipziger Buchmesse: Rumänien. Der renommierte Übersetzer Ernest Wichner erzählt von der rumänischen Literatur und vom Leben der Autoren.

Ernest Wichner im Gespräch mit Maja Ellmenreich | 15.03.2018
    Ernest Wichner im Gespräch mit Maja Ellmenreich auf der Leipziger Buchmesse 2018
    Ernest Wichner spricht über das Buchmessen-Gastland: Rumänien (Deutschlandradio / Jelina Berzkalns)
    Seit 2007 ist Rumänien Mitglied der EU – und jetzt, elf Jahre später, ist es alles andere als ruhig im Land: Davon zeugen die unstabilen politischen Verhältnisse und – als Reaktion nicht zuletzt auch auf die Korruption im Land – die Demonstrationen seit Monaten auf den Straßen Rumäniens.
    Wovon erzählt die Literatur, die die Gastlanddelegation mit nach Leipzig gebracht hat? Wie viel Zeitgeschichte, wie viel Zeitgeist steckt darin? An die 40 Neuübersetzungen aus dem Rumänischen ins Deutsche werden in diesen Tagen hier in den Messehallen vorgestellt. Das ist schlichtweg das Zehnfache von dem, was sonst so pro Jahr übertragen wird.
    Ernest Wichner ist einer der renommiertesten Übersetzer aus dem Rumänischen ins Deutsche und ein großer Kenner der rumänischen Literatur, zudem ist er Lyriker, Herausgeber und langjähriger Leiter des Berliner Literaturhauses.
    In Vorbereitung auf diese Buchmesse hat er mehrere Bücher übersetzt: Gedichte, Erzählungen und auch einen Roman, der in Rumänien für hohe Wellen gesorgt hat: "Oxenberg und Bernstein" von Catalin Mihuleac – und der auch für den Preis der Leipziger Buchmesse in der Kategorie Übersetzung nominiert war.
    Arbeit in "artverwandten Berufen"
    Auf die Frage, weshalb dieses Buch in Rumänien für solche eine Furore gesorgt hat, erzählte Wichner: "Die jüngere rumänische Schriftsteller-Generation befindet sich in der Opposition zur politischen Klasse. Das geht bist zu Autoren, die 60, 65 sind, bekannt und berühmt sind. Mircea Cărtărescu hat vor mehreren Wochen in Wien bei einer Veranstaltung erklärt: Die politische Klasse Rumäniens sei ausnahmslos - und das hat er betont - ausnahmslos korrupt. Das war seine negative Beschreibung. Und er sagte dazu, unter Demokratie versteht diese Klasse auch nur eine geregelte Abfolge in den Positionen die einen dazu berechtigen, sich Güter anzueignen, die einem nicht zustehen."
    Viele rumänische Autoren sind in "artverwandten Berufen" tätig: als Journalisten, Dozenten, Übersetzer oder als Lehrer, weil sie vom Verkauf ihrer Bücher nicht leben können. Wie kommt es, dass eine Literaturlandschaft ihre eigenen Literaten nicht ernähren kann? "Das hat damit zu tun, dass die Auflagenzahlen der rumänischen Schriftsteller nicht sonderlich hoch sind. Das hat damit zu tun, dass es überhaupt keinen soliden Buchvertrieb gibt - nicht vergleichbar mit den Verhältnissen hier bei uns."