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Buchrezension: Wisch und Weg
Vergangene und gegenwärtige Putzmarotten

Die finnischen Autorin und Journalistin Maria Antas verfasste ein Buch über das Putzen. Allerdings geht sie das Thema oft zu hausbacken an, meint die Rezensentin. Sodass es zum Coffee-Table-Book taugt - oder auch selbst zum Staubfänger wird.

Von Sabine Peters | 03.08.2015
    Eine Hand mit Gummihandschuh hält eine rote Stange
    Das Buch "Wisch und weg" ist eine Phänomenologie des Putzens. (imago / Westend61)
    In der Kindheit der finnischen Autorin und Journalistin Maria Antas, Jahrgang 1964, war es üblich, Bettwäsche zu mangeln. Ihre Mutter hielt nichts von rückenfreundlichen Schrubbern mit langem Stiel, denn: Beim Scheuern auf den Knien sieht man jeden Flecken besser. Maria Antas erlebte auf dem Schulhof, wie Lehrer und Kinder mit Plakaten und Torte Spalier standen; nicht etwa, um den Direktor zu ehren. Nein, sie gratulierten der Putzfrau zum 60. Geburtstag. Antas häkelte als Kind Spüllappen und zu ihrer Aussteuer gehörten Staubtücher, die ebenfalls gehäkelt waren.
    Das Buch "Wisch und weg" ist eine Phänomenologie des Putzens. Putzen: diese endlose, monotone oder auch meditative Arbeit daran, Ordnung, Struktur, Sauberkeit oder gar Schönheit in eine dreckige, chaotische, oft hässliche Welt zu bringen. Ob diese Welt nun an der eigenen Haustür endet oder ob diese Welt auch Orte wie Hotels, Krankenhäuser oder schlicht die Straße und ihren Müll umfasst: Geputzt wird überall.
    Maria Antas hat wenig Ordnung und Struktur in ihr Buch gebracht, es handelt sich um eine weit gefasste, ziemlich unaufgeräumte Aneinanderreihung von Anekdoten und Reflexionen. Aber das schadet dem Buch nicht, es entspricht dem Thema: Putzen ist zumindest im privaten Haushalt selten straff durchorganisiert, obwohl es seit der Taylorisierung in der industriellen Massenproduktion, also seit der mehr oder weniger wissenschaftlich durchdachten Steuerung von Arbeitsabläufen, immer wieder Versuche gab, auch die private Putzarbeit effektiver zu gestalten, sie zu optimieren.
    Putzen, ein niederes, unwichtiges Thema - da sind sich große Geister einig. Nur, fragt Antas ganz zu Recht, wenn das Thema so unwichtig ist, warum gibt es dann so viel Krach deshalb? Es geht nicht immer nur um die Zahnpastaflecken im Waschbecken. Ein falsches Haar auf dem Kopfkissen, der unaufgeräumte Email-Speicher können Anlass für Scheidungen werden.
    Dreck und der Kampf dagegen, das muss kein simples Thema sein. Christian Enzensberger hat das 1968 mit seinem Essayband "Größerer Versuch über den Schmutz" gezeigt. Er montierte stichwortartige Beobachtungen und Reflexionen, die Reinlichkeitszwängen auf den Grund gingen. Er fragte, welche Folgen denn das Ideal von einer "reinen Rasse" hatte. Und erinnerte an die Deutschen, die nach der NS-Zeit gerne alles blütenweiß und unschuldig haben wollten. "Sauber", so Enzensberger, "ist hell, brav, lieb. Schmutzig ist hässlich und anderswo. Sauber ist doch das Wahre. Sauber hat Recht".
    An diese hellsichtige Betrachtung reicht das Buch von Antas nicht heran. Sie blickt zwar auch in verschiedene Zeiten und Länder, bleibt allerdings an der Oberfläche. Da geht es etwa um die englische Fernsehserie "Downtown Abbey": Die Ladys spielen mit ihren Perlenketten; das Dienstmädchen schleppt sich mit Ascheeimern ab und sollte sich dabei nicht sehen lassen. Antas teilt mit, sie wolle sich von dieser hierarchisch aufgebauten Gesellschaftsstruktur nicht verführen lassen und verzichte daher auf die nächsten Staffeln. Fürchtet sie im Ernst die trügerische Identifikation mit den Ladys? Oder: Da äußert Antas den Respekt vor dem Können und Wissen, das im Körper, in den Händen eines arbeitenden Menschen steckt und darauf hin heißt es, Zitat: "Die Hand, die Schönes schaffen und gleichzeitig Bakterien und Staub wegwischen kann, ist eine schöne Hand." Solch ein Satz taugt als Werbung für Handcreme.
    Der Zugriff auf das Thema ist leider oft sehr hausbacken und von einer Harmlosigkeit, die man der Autorin nicht recht abnimmt. Denn Antas weiß doch etwas von Ambivalenzen: So zeigt sie, dass der Kampf gegen den Schmutz nicht nur zwanghafte, neurotische Züge hat; er war und ist auch gesundheitserhaltend. Jedenfalls so lange, bis die Anwendung von zahllosen antibakteriellen Putzmitteln zu einer Vermehrung von resistenten Keimen führt. Aber die Ambivalenzen werden nicht weiter aufgefaltet und differenziert. Es bleibt zu oft bei einem koketten Augenzwinkern von Frau zu Frau, bei einem bescheidenen Minimalkonsens, auf den sich in hiesigen Breiten bald alle Menschen einigen können: Ja, wir kaufen zu viel ein und vermüllen damit die Wohnungen. Ja, man sollte sich die Hausarbeit teilen. Ja, die Putzgeräteparks sind manchmal lächerlich.
    Streng gesagt, ist dieses reich illustrierte Buch ein hübscher Gegenstand zum Auslegen, zum Blättern – ein Coffee-Table-Book, ein Staubfänger. Freundlicher und ergänzend gesagt: Die konkreten Beschreibungen zeichnen ein Bild davon, wie sehr sich auch die privaten Haushalte in wenigen Jahrzehnten verändert haben. Sie geben Anlass, sich genießerisch oder lästernd vergangene und gegenwärtige Putzmarotten vor Augen zu halten.
    Buchinfos:
    Maria Antas: "Wisch und Weg. Ein Buch über das Putzen", aus dem Finnlandschwedischen von Ursel Allenstein. Mit Illustrationen von Kat Menschik. Insel-Verlag, 240 Seiten, Preis: 18 Euro