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Buddhismus in Thailand
Mönche ohne Heiligenschein

Mitte Oktober ist Thailands beliebter König Bhumibol gestorben. Die Trauer der Menschen sollte eigentlich durch die buddhistischen Mönche des Landes gelindert werden, aber deren Image hat Schaden genommen: Zahlreiche Würdenträger sind in Skandale verwickelt, etwa mit Drogen und Veruntreuungen.

Von Margarete Blümel | 15.11.2016
    Ein buddhistischer Mönch entzündet eine Kerze in Gedenken an den verstorbenen König Bhumibol
    Ein buddhistischer Mönch entzündet eine Kerze zum Gedenken an den verstorbenen König Bhumibol. (AFP )
    Der König ist tot - und seine Untertanen tragen schwarz. Oder zumindest grau. Ein Jahr lang wird die Staatstrauer in Thailand währen und in der Anfangszeit sind kräftige, auffällige Farben verpönt.
    Der einzige Trost in diesem dunklen Einerlei sind die Roben der Mönche: Das satte Orange ihrer bodenlangen Wickeltücher ist ein Lichtblick in einem Land, dessen Bewohner einvernehmlich in Trauer versunken sind. Auch die Frau, die gerade mit einer Schüssel in der Hand aus ihrem Haus in Bangkok auf die Straße tritt, trägt eine schwarze Bluse zu ihrem dunkelgrauen Rock. Vier Mönche haben sich nebeneinander auf dem Bürgersteig postiert. Sie haben ein Stück Stoff auf dem Gehweg ausgebreitet und warten darauf, dass die Gläubige ihre Speisen darauf legt. Weil sie keinerlei Körperkontakt mit Frauen haben dürfen, können die Mönche die Gabe nur über einen solchen Umweg in Empfang nehmen.
    Diese Zeremonie trägt sich frühmorgens in ganz Thailand zu - Mönche ziehen durch die Straßen, um etwas zu essen zu erbetteln und den Spendern dann ihren Segensgesang darzubringen. Die Gläubige legt ihre Hände in einer Geste des Dankes vor der Brust zusammen und verneigt sich.
    Religion ist tief verwurzelt in der Gesellschaft
    "Den Kreaturen Barmherzigkeit erweisen", nennen thailändische Buddhisten dieses Ritual: Der Mönch wird zum Wohltäter, weil er dem Gläubigen durch die Annahme des Almosens spirituelles Verdienst verschafft. Die Religionswissenschaftlerin Pataraporn Sirikanchana von der Thammasat-Universität in Bangkok:
    "Thailändische Mönche gehören dem Theravada-Buddhismus an und unterscheiden sich in einigem von ihren Pendants im Mahayana. Theravada-Mönche sind von den Gläubigen abhängig, sie können sich ihren Lebensunterhalt nicht selbst verdienen. Erst müssen sie sich eingehend mit den buddhistischen Praktiken vertraut machen. Und später können sie die Lehre dann vielleicht weitergeben. Aber indem sie so leben, geben sie den Gläubigen die Chance, gute Taten zu vollbringen und ihr eigenes Schicksal günstig zu beeinflussen."
    Zu Ehren Königs Bhumibols wurden hunderte Kinder aufs Mönch-Sein vorbereitet. Hier wird einem Jungen im Beisein der Mutter der Kopf rasiert.
    Zu Ehren Königs Bhumibols wurden hunderte Kinder aufs Mönch-Sein vorbereitet. Hier wird einem Jungen im Beisein der Mutter der Kopf rasiert. (picture alliance / EPA / RUNGROJ YONGRIT)
    95 Prozent der Thailänder sind Buddhisten. Außer im muslimischen Süden des Landes gehört die buddhistische Lehre in allen Schulen zum Curriculum. Bis heute erwarten thailändische Eltern von ihren Söhnen, dass sie zumindest einmal im Leben drei Monate als Mönch in einem Tempel verbringen, um dort die buddhistischen Lehren zu studieren.
    "Im Mahayana-Buddhismus ist das anders. Die jungen Männer können ohne weiteres einen Beruf ergreifen und zum Beispiel bei der Bank arbeiten. Und zusätzlich kann ein solcher Angestellter sich aus seinem Glauben heraus auch gern sozial nützlich machen. Wenn sie sich aber für die Mönchsrobe entscheiden, dann sind die Eltern meist nicht besonders stolz auf ihre Söhne. 'Wie, du willst also keinen Beruf ergreifen?', klagen sie. 'Und du hast also wirklich vor, als Mönch zu leben?!' Während wir hier im Theravada sagen: 'Oh, mein Sohn ist Mönch. Wundervoll! Er erwirbt spirituelles Verdienst - und kann es weitergeben.'"
    Die Säulen des "Thai-Seins" geraten im Wanken
    Die Religion, die Monarchie und die Nation gelten als die drei Säulen des "Thai-Seins". Der wie ein Heiliger verehrte König wurde als Integrationsfigur und Garant der Einheit angesehen. Sein Tod wiegt nun umso schwerer, weil ein anderer wichtiger Stützpfeiler, der Buddhismus, in den Augen der vielen Gläubigen nicht mehr trägt. Zu häufig kamen in den letzten Jahren Skandale ans Licht, die Mönche und Äbte betrafen - Menschen, die in der thailändischen Gesellschaft eine Vorbildfunktion besitzen und sich zum Beispiel immer wieder im Drogenentzug und bei der Betreuung von AIDS-Kranken engagieren. Prof. Pataraporn Sirikanchana:
    "Manche Landsleute meinen, dass jeder Mönch durch und durch rein sein muss. Das stimmt natürlich nicht. Und am wenigsten trifft das auf die Novizen zu. Sie tragen ihre gelbe Robe, haben aber weder Wissen noch Erfahrung. Und wie leicht verurteilen wir sie dann als schlechtes Beispiel? Auch die altgedienten Mönche werden manchmal vorschnell kritisiert, aber auch sie sind einfach nur gewöhnliche Sterbliche."
    Ein Mönch streichelt einen Tiger im "Tiger Tempel". Statt Tiere zu schützen, geht es vielen Mönchen wohl eher um den Profit.
    Ein Mönch streichelt einen Tiger im "Tiger Tempel". Statt Tiere zu schützen, geht es vielen Mönchen wohl eher um den Profit. (picture alliance / EPA/ BARBARA WALTON)
    Ganz gewöhnliche Sterbliche, die sich manchmal sehr irdischer Vergehen schuldig machen. So soll ein populärer Abt umgerechnet an die 35 Millionen Euro unterschlagen haben. Während die Mönche des sogenannten "Tiger-Tempels", die sich angeblich für den Schutz der Raubkatzen einsetzen, die Tiere in Wahrheit wohl verkaufen. Robenträger, die wegen sexuellen Missbrauchs von Frauen und Kindern angeklagt werden, wieder andere, die mit Unmengen stimulierender Drogen aufgeflogen sind - die Liste der Sünden ist lang. Religionswissenschaftlerin Pataraporn Sirikanchan kritisiert das:
    "Für mich sind das einfach fehlgeleitete Mönche. Sie haben die Lehren Buddhas nicht verinnerlicht und versuchen, sich durch ihren Status Vorteile zu verschaffen. Man sollte nur Mönch werden, wenn man wirklich dazu bereit ist. Einige Menschen sind aber nun einmal sehr selbstsüchtig. Und sie benutzen ihre Position dann dazu, sich aufzuwerten."
    Ein Freifahrtschein für Fehlverhalten
    Wer strauchelt, kann auf strafrechtliche Immunität zählen. So muss ein Mönch erst seines Amtes enthoben werden, bevor er festgenommen werden kann. Über Disziplinarangelegenheiten befindet in der Regel der Oberste Sangha-Rat. Die Institution ist autark und wird von einem Patriarch geleitet, der seinerseits der Korruption und Steuerhinterziehung verdächtigt wird.
    Manchmal hilft aber auch der Schutz der Gläubigen: Tausende Anhänger eines der Hehlerei und der Geldwäsche beschuldigten Abts hinderten die Polizei durch eine Protestaktion daran, den Klostervorsteher festzunehmen.Der Staat und seine Vertreter haben aber ohnehin wenig Interesse daran, sich mit dem Klerus anzulegen. Ein paar schwarze Schafe hin oder her - nichts eint fünfundneunzig Prozent der Thailänder mehr als ihr gemeinsamer Glaube.
    Und in einer dunklen Zeit wie dieser, sagt Professorin Pataraporn Sirikanchana, sei es fast noch sicherer, dass die Vertreter des Klerus mit ihrem Fehlverhalten durchkämen.
    "Wenn es sich um schwere Vergehen handelt, müsste man die betroffenen Mönche eigentlich des Tempels verweisen. Geschieht das nicht, werden sie dazu beitragen, den Buddhismus hierzulande zu zerstören. Mönche sollten nur ein Ziel haben - den buddhistischen Regeln zu folgen und den Zustand des Nirvana zu erreichen. Und jeder, der gegen diese Regeln verstößt, sollte aus dem Tempel verbannt werden. Doch ob das wirklich geschehen wird? Nun ja - vielleicht. Oder auch nicht."