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Buddhistische Ausgeglichenheit zwischen Jazz und Pop

"Lucky Girl" heißt das neue Album der Amerikanerin Jacqui Naylor. Wenn sie Jazz singt, taucht Gospel auf, singt sie Soul, wird es rasch zum Zonenrandgebiet zur Popmusik. Außerdem kombiniert sie die charakteristischen Merkmale eines bestimmten Liedes mit denen eines anderen.

Von Luigi Lauer | 08.12.2012
    "Auf unserem letzten Album namens "You don´t know Jacq", das 2008 zu den letzten Wahlen erschien, befindet sich ein Lied mit dem Titel "Rise up", "Erhebt euch". Es war ein Appell an die Menschen, wählen zu gehen. Und es wurde sogar für Obamas Internetseite verwendet, das fand ich toll. Auf meinem neuen Album geht es aber eher generell darum, die Menschen zu ermutigen, hoffnungsvoll zu sein. Das ist für mich die wichtigste aller politischen Botschaften: Den Menschen Mut zu machen, damit sie nicht aufgeben."

    Hoffnung als politische Zielrichtung – warum nicht, es gibt schlechtere Ansätze. Jacqui Naylor eine politische Sängerin zu nennen, würde indes zu weit führen, auch wenn sie mit ihrer linksliberalen Meinung nicht hinterm Berg hält. Sie ist praktizierende Buddhistin. Und als solche muss sie sich an einen Tagesordnungspunkt halten, der den schönen Namen Achtsamkeitspraxis trägt. Und dabei geht es darum:

    "Die Sachen anzupacken, die ich in meinem Leben ändern muss. Und mein Leben mit weit geöffneten Augen zu betrachten. Es geht darum, nach vorne zu schauen und eine Atmosphäre zu schaffen, in der ich mich wohlfühle - und mein Umfeld sich auch. Das ist ein großer Teil dessen geworden, was ich mache, und das bringe ich auch in meine Musik ein."

    Mehr praktizierte Achtsamkeit – ein durchaus wünschenswertes Klassenziel. Dass sich Jacqui Naylor damit einen generellen Zuwachs an Optimismus erbetet hat, ist auch ihren Liedern zu entnehmen.

    "Das ist richtig, in zunehmendem Maße sind sie fröhlicher geworden, wenn ich mir so die älteren Alben anhöre. Diese Entwicklung ist für mich als Künstlerin interessant, aber auch persönlich als Mensch: Was ist mir heute wichtig? Was war es damals? So ein Album ist immer ein Schnappschuss einer Gesellschaft, aber auch einer Person."

    Jacqui Naylors neues Album "Lucky Girl" ist aber nicht nur ein Schnappschuss, sondern auch Werkschau einer musikalischen Sozialisation: Aufgewachsen mit sechs Geschwistern und entsprechend unterschiedlichen Musikvorlieben, Eltern, die historische Abspielgeräte sammeln, eine Jugend im Gospelchor und eine Ausbildung als Jazzsängerin – da hat sich etwas zusammengebraut, das alle Geschmacksnuancen zwischen Jazz und Pop auskostet. "Lucky Girl" ist aber auch das Dokument einer Kompositionstechnik, die Naylor in den letzten Jahren entwickelt und ausgefeilt hat. Um was es sich dabei handelt – diese Frage musste die in etwa 40-jährige, genauere Angaben verweigert, natürlich schon einmal beantworten.

    "Sie fragten, was ist denn das, zwei Lieder zu einem zusammen zu mischen? Mit einer solchen Frage hatte ich nicht gerechnet und rief einfach: akustisches Zertrümmern! Seither haftet mir dieser Begriff an. Ich finde ihn aber auch gut, denn ich wollte mich abgrenzen von dem, was DJs machen. Ich singe die Melodie und den Text von dem einen Lied und lege sie über Harmonie und Rhythmik eines anderen. Die ersten Lieder, die ich so bearbeitet habe, waren "My funny Valentine" zusammen mit "Back in black" von AC/DC."

    Welche Lieder das auf "Lucky Girl" sind, wird nicht verraten, denn es macht schon Spaß, sich an diesem integrierten Quiz zu versuchen. Und die Songs sind auch keineswegs ausschließlich durch "Acoustic Smashing" entstanden. Wer aus zwei Liedern eines macht, kann in seinem Leben doppelt soviel singen, scherzt Jacqui Naylor. Und das ist auch für uns eine gute Nachricht: Wir können doppelt soviel hören. Na, denn: Hit the road, Jacqui!