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Büffeln beim Bund

Im Zuge der Bundeswehrreform schrumpft die Truppenstärke. Das dürfte auch zu fehlenden Offiziersanwärter an den Bundeswehruniversitäten in München und Hamburg führen. Die fehlenden Studis könnten durch Zivilisten ausgeglichen werden, meint die Unileitung in München.

Von Susanne Lettenbauer | 29.11.2011
    Im Minutentakt schaukeln auf den Wegen des riesigen Bundeswehrunicampus die Baufahrzeuge an den Studierenden vorbei. Fahren in Richtung der Wohnunterkünfte oder zu den Vorlesungshäusern. Auf dem gut 140 Hektar großen Campusgelände fahren sie auch an dem Campusfriseur vorbei, am Tante-Emma-Lädchen, an der Fitness- und Schwimmhalle. "Zu keinem Hörsaal brauchen die Studierenden länger als zehn Minuten zu Fuß" preist die Uniwebseite den Campus an. Traumhafte Verhältnisse im Vergleich zu den zwei anderen Universitäten in München LMU und TU. Warum also nicht die Tore öffnen, meint die Präsidentin des Campus Merith Niehuss. Wie alle Professoren hier eine sogenannte "Zivilistin":

    "Wir wissen sehr genau, dass wir weniger Studierende bekommen werden, das rechnet sich einfach runter von der Truppenstärke. Ich kenne die genaue Zahl noch nicht, die lasse ich auf mich zukommen, aber wir wissen, dass wir die Universität jetzt auffüllen müssen."

    Rund 3000 Studierende zählt die Bundeswehruni München derzeit, ein Prozent davon Zivilisten. 170 zivile Professoren und 235 wissenschaftliche Mitarbeiter kümmern sich um sie, das heißt die Betreuungsrelation Student-Professor liegt bei 1:17. (Bayernweit liegt sie bei 1:60). Der Anteil der zivilen Studierenden soll auf 20 Prozent steigen in den kommenden Jahren. Um ihnen den Zugang zu den sieben Unifakultäten samt 50 Instituten sowie drei angeschlossenen Fachhochschulfakultäten zu ermöglichen, braucht Niehuss aber die Hilfe der Industrie:

    "Also Industrie, die mit dem Verteidigungsministerium zusammenarbeitet, darf bei uns Stipendien platzieren. Die zahlen dann 10.000 Euro pro Jahr und Nase und können dann junge Leute bei uns studieren lassen."

    Marina Kauffeldt hat sich auf so ein Industriestipendium beworben, ihr Studiengang: Mathematical Engineering, eine Kombination aus Mathematik und Elektrotechnik. Die Ausschreibung stand in der Zeitung. Am Anfang war viel Skepsis:

    "Ja genau, Bundeswehruni, oh Gott, Hilfe. Meine Eltern haben mir das nahegelegt: Schau es dir doch mal an. Ich erstmal: Da gehe ich auf keinen Fall hin, das will ich nicht, Soldaten, da habe ich nichts mit am Hut. Aber es ist eigentlich eine ganz normale Uni.""

    Vorlesungen, Seminare, Übungen, keine Uniformen im Hörsaal – für Marina Kauffeldt ist die Bundeswehruni fachlich wie jede andere. Nur mit einem hat sie Probleme:

    "Also was ich als Nachteil sehe, ist, dass es eine kleine Uni ist. Man ist insbesondere bei uns in Mathematical Engineering hatten wir nur 20 Leute. Wenn man mit den Leuten nicht klarkommt, das ist so eine Glückssache. Aber ansonsten von der Betreuung ist es ziemlicher Luxus."

    Natürlich kann man an der Kasernenuni studieren, wenn man sich für 13 Jahre bei der Bundeswehr verpflichtet und danach als Doktorand oder Dozent wieder ins zivile Leben einsteigt. Oder man verpflichtet sich an einer Bundesbehörde als Beamter. So steht Präsidentin Niehuss jetzt in Verhandlung mit der Stadt München. Oder man überzeugt einen der Professoren, sich für sich einzusetzen. Denn:

    "Die Wissenschaftler haben hier ein Problem, Nachwuchs zu finden, das heißt alle Absolventen oder die meisten gehen ja wieder in die Truppe zurück und es bleibt niemand da, der die Lehrtätigkeit übernehmen kann. Das ist ein großes Problem, deswegen ist es sehr attraktiv für die Lehrstühle hier, so was zu unterstützen."

    Unterstützung ja, heißt es aus den Reihen der 170 Professoren. Ursula Münch war lange Dekanin der Fakultät für Staats- und Sozialwissenschaften der Bundeswehruni München. 1999 wechselte sie von der Münchner LMU in die Neubiberger Unikaserne:

    "In den Sozialwissenschaften finde ich es unter dem Aspekt attraktiv, dass man eine größere Heterogenität in diese studentische Klientelgruppe hinein bekommt. Und Heterogenität gehört zum sozialwissenschaftlichen Arbeiten dazu, dass nicht alle von vornherein schon den gleichen Hintergrund haben. Also insofern hätte das durchaus seine positiven Aspekte, aber es wäre natürlich fatal für eine Bundeswehruniversität, wenn man sagt, der eine Teil der Studenten, die 70 Prozent gehen danach nach Afghanistan und die anderen 30 Prozent werden als wissenschaftliche Mitarbeiter rekrutiert – das kann es nicht sein."