Donnerstag, 28. März 2024

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Bühnenbildner
Im Paradies der Handwerker

In den Werkstätten der Bühnenbildner arbeiten viele verschiedene Gewerke Hand in Hand - mit Ruhe und höchster handwerklicher Präzision. Dlf-Redakteurin Sylvia Systermans hat einen Tag lang in der Oper Frankfurt Schlossern, Theatermalern und Raumausstattern über die Schulter geschaut.

Von Sylvia Systermans | 06.08.2018
    Werkstätten der Theatermaler an der Oper Frankfurt.
    Werkstätten der Theatermaler an der Oper Frankfurt. (Deutschlandradio/ Sylvia Systermans)
    Mein Tag als Praktikantin startet mit ohrenbetäubendem Lärm. Ich stehe in der Schlosser-Halle. Es wird geschweißt, gelötet, gehämmert, gefräst. In der Luft hängt der Geruch von Maschinenöl und erhitztem Metall. Auf einer Werkbank liegt ein etwa fünf Meter langer und anderthalb Meter breiter Aluminiumrahmen. Einer der vielen Rohlinge, aus denen die hohen Kulissenwände in Vincenzo Bellinis "Norma" angefertigt werden.
    "Das ist jetzt eine Wand von ganz vielen. Das bauen wir dann mal neun, ergeben dann eine große Wand, die dann 13 Meter breit ist und sechseinhalb Meter hoch", sagt Werkstättenleiter Hinrich Drews. Großer Maßstab ist Theateralltag. Ein junger Schlosser schraubt eine Zwinge fest. Sie soll eine gerade frisch verlötete Querverstrebung in Form halten.
    "Unten ist mein Muster und ich leg die Teile, die gleich sind, obendrauf und kann die mit den Zwingen dann einfach fixieren, damit das wirklich millimetergenau exakt wieder so wird."
    Schwere Maschinen und Lärm in der Schlosserei
    Schwere Maschinen, Lärm – die Schlosserei ist eher nichts für zarte Gemüter. Ich atme ein wenig auf, als es auf meinem Praktikums-Rundgang durch die Werkstätten der Bühnenbildner an der Oper Frankfurt weiter geht. Hinter schweren Brandschutztüren liegt die Schreinerei. Mit Werkstättenleiter Hinrich Drews durchquere ich den Maschinenraum.
    Der Geruch von frisch gesägtem Holz steigt mir in die Nase. Hobelspäne bedecken den Boden. An den Wänden meterlange Regale mit hellen Holzplatten. Auf einer Werkbank liegt einer der Alurahmen aus der Schlosserei. Hier wird er fürs Bühnenbild zu Vincenzo Bellinis Norma weiterverarbeitet.
    "Die wird jetzt hier mit Sperrholz belegt. Das ist bei Aluminium nicht so schön. Man muss mit einer Vielzahl von Schrauben alles festschrauben. Bei der klassischen Kulissenwand, die wir aus Holz bauen, kann man nageln, mit einem Druckluftnagler, der geht schneller. Aber hier, die müssen verbindungssteif sein, die müssen sehr leicht sein, die werden im Schnürboden hochgezogen, die wird sich auf und absenken, die wird fest verbunden."
    Alle zehn Zentimeter eine Schraube über den ganzen Aluminiumrahmen samt Querverstrebungen verteilt, mit einem Spax-Schrauber und viel Geduld geht ein junger Kollege zu Werke. Jetzt kann ich als Praktikantin aktiv werden. Schließlich habe ich schon schwedische Sperrholzmöbel erfolgreich aufgebaut. Da dürfte das Zusammenschrauben von Holz und Aluminium kein Problem sein.
    Schreiner: "Versuchen, gerade zu halten. Ein bisschen Druck dann mehr Druck draufgeben."
    So reibungslos wie erwartet, klappt es dann doch nicht. Noch Versuche, dann gebe ich den Schrauber zurück. Zum Üben ist heute keine Zeit. Die Dekorateure warten schon auf Nachschub. Die Raumausstatter und Dekorateure werkeln ein Stockwerk höher in einem hellen Raum mit breiten Fensterfronten. Vorhänge nähen, Wände bespannen, Möbel polstern fällt in ihr Ressort.
    - "Hier die Wand erkennen Sie wieder, die war eben noch in der Schreinerei, die ist noch warm, die Schrauben."
    - "Da ist die Schraube, die ich eben reingedreht habe."
    - "Ja, durften Sie?"
    - "Was passiert jetzt hier?"
    - "Wir schmieren die Wand mit Kleber ein, so ein spezieller Stoffkleber, wird der Stoff eingeschmiert dünn und dann wird der Stoff gespannt."
    Eine dicke Rolle an einem langen Stab in einen Eimer mit Spezialkleber tauchen und auf den Stoff verteilen.
    Jetzt bin ich dran, die Praktikantin. Die letzte Renovierung ist zwar schon etwas her. An das schmatzende Geräusch, wenn Farbe über Raufaser rollt, erinnere ich mich aber noch gut. Unter der wohlwollenden Aufsicht der Profis tunke ich die Rolle beherzt in den Eimer. Schnell werden mir die Arme lahm und ich fange bei den ohnehin sommerlichen Temperaturen heftig an zu schwitzen. Dankbar gebe ich die Rolle zurück.
    Ein Paradies für Handwerker
    Die vier Kollegen sind ein eingespieltes Team. Der restliche Kleber ist schnell aufgetragen, eine lange Bahn aus schwarzem Samt mit geschickten Griffen faltenfrei aufgezogen. Zwischendurch machen Scherze die Runde. Die Stimmung ist entspannt.
    "Für Handwerker ist das hier ein Paradies. Sowohl von den Arbeitszeiten als auch von diesem Kollegium. Ich hab immer in kleinen Werkstätten gearbeitet mit 4, 5 Mann. Hat auch seinen Reiz, ist sehr familiärer. Hier hat es einen anderen Reiz, hier hat man eine riesen Familie und man lernt auch viel, man auch sich viel Informationen holen, wenn man was braucht und insofern ist das hier für einen Handwerker ein Paradies."
    Ein handwerkliches Paradies ist die Arbeit an der Oper Frankfurt auch für die Theatermaler. Die letzte Station an meinem Praktikumstag.
    Werkstätten an der Oper Frankfurt
    Bei den Theatermalern der Oper Frankfurt (Deutschlandradio/ Sylvia Systermans )
    "Das ist der große Mal-Saal. Der ist 800 Quadratmeter groß, da liegen ganz viele Wände von denen, die wir brauchen. Das ist hier mit Tageslicht, die Fenster sind nach Norden ausgerichtet, dass wir hier niemals Schatten haben, dass die Theatermaler immer gleiche Bedingungen haben.
    Eine fast fertige Wand fürs Norma-Bühnenbild hängt an Eisenketten aufgerichtet in der Luft. Über eine Fernbedienung setzt ein Theatermaler einen Flaschenzug in Gang. Die meterlange Wand soll weiter nach rechts bewegt und dort wieder auf den Boden abgesenkt werden. Früher mussten die Theatermaler ihre Bühnenbilder mit reiner Muskelkraft bewegen. Kein Problem, als noch überwiegend Männer in dem Beruf gearbeitet haben. Heute, das erfahre ich von einem der älteren Kollegen, haben deutlich mehr Frauen den Pinsel in der Hand. Da ist die Hilfe von Maschinen zum Heben und Schieben sehr willkommen.
    "Geschafft! Meine Güte! Die Wände wiegen, ich schätze mal, 150 Kilo."
    Gekonnter Umgang mit Pinsel und Farbe
    Bei der eigentlichen Arbeit kommt es aber natürlich nicht auf Muskelkraft an, sondern auf den gekonnten Umgang mit Pinsel und Farbe und ein geschultes Auge. Sechs Norma-Wände liegen fertig bemalt nebeneinander. Die dunkelbraune Holzmaserung wirkt täuschend echt. Von einer Empore aus begutachtet eine Theatermalerin das gemeinsam geschaffene Werk.
    "Die Holzmaserung muss eine Fernwirkung haben. Wenn man das bei sich daheim hätte, würde man denken, ist ja viel zu grob, aber es muss halt auf die Ferne gut aussehen."
    Von der Empore aus schaue ich zu, wie die Leiterin der Theatermaler beim finalen Feinschliff vorsichtig eine der liegenden Wände betritt und mit einer Farbrolle an einem langen Stab besagte Stellen nachbessert. Fertig. Für die Theatermaler ist die Arbeit damit getan. Zur Premiere wird die Wand, mit anderen zusammengefügt, an einen überdimensionalen, hochkant aufgestellten Schuhkarton erinnern. Ein karges Bühnenbild, in dem sich das Drama der Frankfurter "Norma" abspielt, mit Elza van den Heever als Druidengöttin, Liebhaberin, Mutter.
    Ich konnte als Praktikantin erleben, wie viele verschiedene Gewerke hierfür Hand in Hand gearbeitet haben. Mit Ruhe und Konzentration, höchster handwerklicher Präzision und Expertise und großer Liebe zum Detail.