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Buenos Aires Blues

Diesjähriges Gastland der Buchmesse ist Argentinien, ein Land, das mit über 300 Verlagen eine reiche Literaturszene hat. Eines der Schwerpunktthemen der argentinischen Präsentation wird die Erinnerung an die Militärdiktatur sein.

Von Victoria Eglau | 03.10.2010
    "Ehrengast bei der Buchmesse zu sein, bedeutet, dass Deutschland uns seine kulturellen Institutionen öffnet, damit wir die argentinische Kultur und Identität zeigen können."

    Magdalena Faillace, Vorsitzende des Regierungskomitees, das Argentiniens Auftritt bei der Frankfurter Buchmesse vorbereitet hat. An erster Stelle steht natürlich die Literatur. Wenn am Mittwoch die Messehallen öffnen, erwartet die Besucher im Ehrengast-Pavillon ein begehbares Labyrinth - Schlüsselmotiv im Werk des berühmten argentinischen Schriftstellers Jorge Luís Borges.

    "Im Mittelpunkt unseres Pavillons wird das Labyrinth mit einer großen Ausstellung argentinischer Bücher und Schriftsteller stehen. Sie heißt 'Die Sprache der Argentinier'. Es geht auch um unsere 200-jährige Geschichte. Im Zentrum des Labyrinths findet sich unser National-Epos Martín Fierro von José Hernandez, außerdem Bilder und Texte unserer beiden Schriftsteller-Ikonen Jorge Luís Borges und Julio Cortazar."

    Eines der Schwerpunktthemen der argentinischen Präsentation wird die Erinnerung an die Militärdiktatur sein, unter der das Land von 1976 bis 83 litt und während der schätzungsweise 30.000 Menschen verschwanden. Damals verbotene Bücher werden ausgestellt, ermordete Schriftsteller wie Rodolfo Walsh und Haroldo Conti gewürdigt. Der Verleger Daniel Divinsky hält das Thema Erinnerung für wichtig, weil es eine Brücke zwischen Argentinien und Deutschland mit seiner düsteren Vergangenheit schlage. Divinsky saß während der argentinischen Diktatur mehr als vier Monate im Gefängnis. Er hatte das antiautoritäre deutsche Kinderbuch "Fünf Finger sind eine Faust" verlegt, das den Militärs missfiel. Dass er nicht noch länger inhaftiert war, schreibt Divinsky auch dem damaligen Bemühen der Frankfurter Buchmesse zu.

    "Meine Frau und ich wurden ohne Prozess eingesperrt. Die Ermittlungen gingen schleppend voran, bis der damalige Frankfurter Direktor Peter Weidhaas uns zu offiziellen Vertretern Argentiniens bei der nächsten Buchmesse erklärte. Er ließ uns Flugtickets nach Buenos Aires schicken. Das war eine enorme Unterstützung. Wir kamen zwar nicht sofort frei, aber die Untersuchung unseres Falls beschleunigte sich."

    Nicht nur wegen dieses einschneidenden Erlebnisses fühlt sich Daniel Divinsky der Buchmesse verbunden. Er ist seit 43 Jahren im Geschäft und gehört zu den argentinischen Verlegern, die am häufigsten in Frankfurt waren. Divinskys Verlag Ediciones de la Flor bringt unter anderem den legendären Comic Mafalda heraus, aber auch Werke der bekannten Schriftsteller Rodolfo Walsh und Roberto Fontanarrosa. Die argentinische Verlagslandschaft ist die älteste, größte und produktivste in Lateinamerika. Auch wenn internationale Gruppen heute den Markt dominieren - rund 80 Prozent der Verlage sind klein und unabhängig, so wie Ediciones de la Flor. Knapp 100 argentinische Verleger kommen in diesem Jahr nach Frankfurt. Daniel Divinsky lobt das Übersetzungsprogramm Sur, das die Regierung in Buenos Aires anlässlich der Buchmesse auflegte. Die Veröffentlichung von 300 Buchtiteln in mehr als 30 Sprachen wurde finanziell gefördert. Immerhin 750.000 Euro habe ihre Regierung investiert, betont die Vorsitzende des Frankfurt-Vorbereitungskomitees, Magdalena Faillace.

    "Es hat der argentinischen Literatur neue Horizonte geöffnet, denn es hat sie bekannter gemacht. Dadurch konnten Literaturagenten über die geförderten Werke hinaus viele weitere Buchrechte verkaufen."

    Ein Schriftsteller, von dem bereits mehrere Romane auf Deutsch erschienen sind, ist Antonio Dal Masetto. Seiner Meinung nach ist die Ehrengast-Einladung nach Frankfurt eine gute Gelegenheit, Argentinien insgesamt im Ausland bekannter zu machen:

    "Nicht nur unsere Literatur, sondern auch was wir sind, wo wir herkommen, und welche politischen und wirtschaftlichen Probleme wir in unserer Geschichte gehabt haben."

    Antonio Dal Masetto hat sich in seinen Büchern unter anderem mit der Erfahrung der Immigration auseinandergesetzt. Argentinien als Einwanderungsland wird ein weiteres zentrales Thema in Frankfurt sein. Magdalena Faillace vom Vorbereitungskomitee:

    "Wir wollen in unserem Pavillon darstellen, dass Argentinien traditionell ein offenes, ein weltoffenes Land ist. Nicht zuletzt zeigen wir die Einwanderung von Deutschen, die die argentinische Wissenschaft und Kunst maßgeblich beeinflusst haben. Im Berliner Ethnologischen Museum gibt es eine wunderbare Ausstellung mit Bildern von Grete Stern, die ein Jahr lang Wichi- und Mocoví-Indios in der nordargentinischen Region Gran Chaco fotografierte."

    Die Foto-Schau "Vom Bauhaus zum Gran Chaco" beginnt am kommenden Donnerstag. Insgesamt präsentiert Argentinien im Rahmen von zwölf Ausstellungen unter anderem seine Kunst, seinen Comic und sein Design.