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Bürger sollen mehr Einblick bei Atomendlager-Suche bekommen

Die Bundesregierung will die Suche nach einem Atommüll-Endlager strukturierter und für die Bürger nachvollziehbarer gestalten. Ein "Bundesinstitut für Endlagerung" soll rein wissenschaftlich Kriterien für die Standortauswahl erarbeiten. Doch auch diese Pläne provozieren Kritik.

Von Andreas Baum | 25.01.2012
    In dem Gesetz, das die Bundesregierung vorbereitet, ist eingangs davon die Rede, dass in Deutschland im Sommer 2011 ein gesamtgesellschaftlicher Kompromiss gefunden wurde, demnach der komplette Atomausstieg nur noch eine Frage von wenigen Jahren ist. 2022 soll das letzte Kernkraftwerk abgeschaltet werden. Bundesumweltminister Norbert Röttgen hatte – nach der Erfahrung von Fukushima - den Ausstieg offensiv zu seiner eigenen Sache gemacht. Zum Atomkonsens, so kündigte er im November 2011 an, gehört aber auch der verantwortliche Umgang mit dem Atommüll.

    "Wir sind uns klar darüber, dass das nicht ins Ausland abgeschoben wird, und dass wir es nicht auf die nächste Generation verschieben, sondern es ist an der politischen Verantwortung in Deutschland, dieser politischen Generation, die Frage zu beantworten. Dazu gehört, dass wir ein Verfahren entwickeln, das transparent ist, das Bürgerbeteiligung von Anfang an gewährleistet, über die gesamte Strecke, das wissenschaftsbasiert ist, und das wir nun auch beginnen."

    Die Suche nach einem Endlager für Atommüll soll in allen Bundesländern durchgeführt werden. Ob der Salzstock in Gorleben deshalb weiter eine unter mehreren Möglichkeiten ist, bleibt offen. Gerade weil die Diskussion um den strahlenden Abfall die Gesellschaft sehr polarisiert hat, will die Bundesregierung nun eine Ethikkommission einrichten. Auch bei den Fragen des Atomausstieges lässt sie sich von einem solchen Gremium beraten. Darüber hinaus plant Umweltminister Röttgen, ein völlig neues Institut für Endlagerfragen zu gründen. Eigentlich wäre das Bundesamt für Strahlenschutz zuständig. Atomkraftgegner mutmaßen, dass dies ein Schachzug von Minister Röttgen ist, um das Bundesamt für Strahlenschutz zu entmachten. Dessen Präsident, Wolfram König, ist Mitglied von Bündnis 90/Die Grünen – weshalb Röttgen ihm und seinem Amt, so die Vermutung, nur begrenzt vertraut. Außerdem wird der Bundesregierung vorgeworfen, so das Endlager Gorleben mit im Spiel zu halten.

    Allerdings sind auch die Grünen-Vertreter bei den Bund-Länder-Gesprächen bislang nicht dafür, Gorleben als Endlager gänzlich auszuschließen. Die Anti-Atom-Bürgerinitiativen befürchten, dass eine Ethikkommission ihren Einfluss schwinden lassen wird. Röttgen dagegen sagt, dass er sich absichern will: Die Kommission soll helfen, verantwortungsethische Entscheidungsgrundlagen zu finden.

    Bis zum Sommer soll ein Plan vorliegen, wie Alternativen zum Salzstock Gorleben geprüft werden können. Mit der Inbetriebnahme eines Endlagers wird aber nicht vor 2040 gerechnet. Bis dahin bleibt der Müll in Zwischenlagern. Der Minister will verhindern, dass an anderer Stelle ein festgefahrener Konflikt wie um Gorleben entsteht. Bürgerbeteiligung und Transparenz sollen das sichern – so können die Unterlagen, inklusive wissenschaftlicher Gutachten, im Internet für jeden zugänglich eingesehen werden.

    Die SPD-Fraktion hat unterdessen ein eigenes Endlagerkonzept vorgelegt, das Gorleben ausschließt. Für die untertägigen Erkundungen anderer Standorte veranschlagt die SPD einen Zeitraum von 20 Jahren. Hinzu kämen 15 bis 20 Jahre für ein Planfeststellungsverfahren und den Bau des Endlagers. Ein zehn Milliarden Euro umfassender Fonds der Atomkonzerne soll zudem die neue Endlagersuche finanziell absichern.