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Bürgerdividende oder Groschengrab

Anleihen haben generell ein Risiko, dass Gläubiger ihr Geld nicht mehr wiedersehen, sagt Verbraucherschützer Nils Nauhauser. Das Zauberwort für mehr Sicherheit laute stattdessen Diversifikation: Man solle das Geld auf sehr viele solcher Emittenten verteilen.

Nils Nauhauser im Gespräch mit Jule Reimer | 22.07.2013
    O-Ton Peter Altmaier: "Ich bin kein Anlagenberater, aber ich kann nur darauf hinweisen, dass sie ähnliche Konstellationen, da geht es um die Frage der Vorrangigkeit oder der Nachhaltigkeit, Nachrangigkeit von eingezahltem Kapital, dass sie ähnliche Konstellationen in vielen Bereichen der erneuerbaren Energien haben, wenn sie sich etwa an Windparkprojekten, Solarprojekten und anderen Projekten beteiligen."

    Jule Reimer: Bundesumweltminister Peter Altmaier heute Morgen hier im Deutschlandfunk. - Aufregung rund um die Bürgerdividende, mit der die Bundesregierung, aber auch die Landesregierung von Schleswig-Holstein den Anrainern die Stromtrasse vor der Haustür schmackhaft machen wollte. In einem Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" raten jedoch Anlagenberater von Banken von dem bisher existierenden Modell einer Anleihe, die der Stromnetzbetreiber Tennet herausgibt, ausdrücklich ab - zumindest für Kleinsparer. - Fragen wir doch deshalb mal einen weiteren Anlagenberater, der aber auch Verbraucherschützer ist: Nils Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Herr Nauhauser, es gibt ja auch die berühmten Bürger-Windparks, warum also nicht in den Ausbau der Stromnetze das Ersparte investieren - bei einem Zinsversprechen von vier bis fünf Prozent?

    Nils Nauhauser: Ja gut, zum einen muss man natürlich sehen: Die Zinsversprechen müssen ja irgendwo herkommen. Das heißt, die werden - das muss man erwarten - auf den Strompreis umgelegt. Das heißt, die Stromkunden bezahlen letztendlich ihre eigene Dividende unterm Strich. Ob das jetzt für die Stromkunden so ein gutes Geschäft sei, das sei mal dahingestellt.

    Reimer: Das ist möglicherweise auch bei anderen Investitionen so, oder auch bei anderen Anleihen. Da fällt im Zusammenhang mit der Tennet-Anleihe ganz konkret der Begriff der Hybridanleihe. Was ist denn das für ein Anlagentyp?

    Nauhauser: Anleihen generell haben immer ein Risiko, dass der Gläubiger sein Geld nicht mehr wiedersieht. Das ist so, als ob Sie diesem Unternehmen einen Kredit geben, und wenn das Unternehmen den Kredit nicht zurückzahlt, riskieren Sie Ihr eingesetztes Geld oder einen Teil des Geldes, wenn das abgewickelt wird, in Insolvenz geht. Insofern frage ich mich jetzt - und die Hybridanleihe ist ein solches sehr riskantes Anlageprodukt -, warum man jetzt mit riskanten Geldanlagen die Akzeptanz von diesen Maßnahmen erhöhen will. Da setze ich mal wirklich ein Fragezeichen dahinter.

    Reimer: Wer in den Netzausbau investieren will - das sind ja immerhin Unternehmen, die eine Monopolstellung einnehmen und die staatlich garantierte Gewinne einfahren -, da möchte man sagen, eigentlich ein ziemlich stabiles Unternehmensmodell, was vielversprechend ist. Worauf sollte derjenige achten?

    Nauhauser: Wir raten vom Erwerb einzelner Unternehmensanleihen ab, sei es nachhaltiger Unternehmen oder ganz normaler etablierter großer, sehr bekannter Unternehmen. Der Grund ist einfach der: Wenn Sie einen großen Teil Ihres Vermögens einem Emittenten leihen, einem Unternehmen leihen, dann riskieren Sie immer, einen Teil dieses Vermögens oder das ganze zu verlieren. Das sollte man einfach in der Geldanlage nicht machen, zumal man dieses Risiko ganz simpel ausschließen kann, indem man sein Geld auf sehr, sehr viele solcher Emittenten verteilt. Der Grundsatz ist hier Diversifikation. Das ist das Zauberwort letztendlich für weniger Risiko, für mehr Sicherheit, die Anlagebeträge zu streuen, nicht auf eine Karte setzen, und wenn man einzelne Anleihen kauft, macht man genau das Gegenteil von Risikostreuung.

    Reimer: Würden Sie uns bitte noch mal grundsätzlich den Unterschied zwischen einer Anleihe und des Kaufs von Aktien erklären?

    Nauhauser: Vereinfacht gesprochen: Wenn ein Unternehmen keinen Gewinn mehr erwirtschaftet, sind zuerst die Aktionäre dran. Wenn es dann in die Verlustzone geht, betrifft das auch die Aktionäre. Und wenn irgendwann die Aktionäre kein Geld mehr haben, dann sind beispielsweise Hybridanleihengläubiger dran, die dann dafür gerade kommen müssen, für die Verluste geradestehen müssen. Dann kommen irgendwann die Anleihegläubiger und zum Schluss in der Regel stehen die Banken, weil die sich noch besondere Sicherheiten haben geben lassen.

    Reimer: Das heißt, die müssen am spätesten die Verluste tragen?

    Nauhauser: In der Regel lassen sich ja die Banken für ihre Kredite Sicherheiten geben, ein Grundstück beispielsweise, einen Maschinenpark oder Ähnliches. Und wenn das der Fall ist, ist man natürlich in einer deutlich besseren Stellung als der herkömmliche Anleihegläubiger.

    Reimer: Also dann vielleicht doch lieber in Aktien investieren anstatt in Hybridanleihen [Es muss 'in Hybridanleihen investieren statt in Aktien' heißen - Korrektur der Redaktion] - das war Nils Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg zur Bürgerdividende beim Stromnetzausbau. Vielen Dank für diese Informationen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.