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Lortzing-Hort in Freiberg

Der Schussbeifall Freiberger Theater war kein üblicher lokalpatriotischer Anerkennungsjubel sondern offensichtliche Zufriedenheit über eine gelungene Inszenierung. Zum ersten Mal seit 150 Jahren wurde in Freiberg Lortzings Oper "Rolands Knappen" wieder aufgeführt.

Von Gottfried Blumenstein | 21.03.2005
    "Lortzings Bedeutung liegt darin, dass er die Webersche Linie der deutschen Volksoper entschieden verfolgt und fortgesetzt hat - wohl um einige Grade mehr ins Kleinbürgerliche verschoben, der Richtung seiner Zeit entsprechend, aber dafür um so bewußter und einheitlicher. Für die starke Sicherheit dieses seines Instinktes spricht, dass er sein Textdichter war. Er wird uns stets das Muster eines deutschen Theatermeisters sein, der wußte, was seine Zeit verlangt, und es ihr zu geben verstand, ohne sich etwas zu vergeben." Ernst Krenek

    Fangen wir gleich mal mit dem Ende an. Der Schussbeifall im kleinen aber sehr schmucken Freiberger Theater war nicht nur der übliche lokalpatriotische Anerkennungsjubel, sondern man war ganz offensichtlich gerührt, dass das Bühnengeschehen so beglückend ausgegangen war. Das außerordentlich aufmerksame und interessierte Publikum, zum Teil von weither angereisten Spielopernfans, erlebte, immer in Augenhöhe mit Lortzing, eine Art Befreiungsschlag gegen verquaste Verkomplizierungen. Und dabei sind die wesentlichen Dinge doch so einfach und schlicht gestrickt: Die Liebe siegt, wer sonst, genauso wie das Gute und das Edle, aber das Gemeine und Böse wird verlacht und fortgejagt.

    Nun ja: eine biedermeierliche Idylle eben, die in der Provinz hinter den sieben Bergen noch eine Heimstatt hat? Mag sein, aber trotzdem mitnichten. Was in Freiberg geboten wurde, gerierte sich absichtsvoll nicht klugmeierisch, sondern war ziemlich großes Theater im Kleinen, wenn dieses Paradoxon erlaubt ist. So wie eben Lortzing der Größte der Kleinmeister des 19. Jahrhunderts war. Ein mit allen Wassern seiner Kunst gewaschener Komponist, satztechnisch sehr versiert in Ensembleszenen und Chorszenen und überaus erfindungsreich in den Melodien.

    Lortzing musste es mit seiner Kunst bekanntermaßen recht volkstümlich angehen lassen, wenn er nicht verhungern wollte. Aber es hat trotzdem nichts genützt, sein Enthusiasmus als Musiker, als Dichter, als Schauspieler, ja als Possenreißer hat ihn eben nicht vor dem Verhungern bewahren können, eine Schande für die deutsche Kulturnation, die diese Tatsache gern übersieht oder mit euphemistischen Begriffen kaschiert.

    Um nun einen letzten blinden Fleck in Sachen Lortzing zu tilgen, kehrte er (Ingolf Huhn hineinkopieren!) mit seinem Team, der Co-Regisseurin Judica Semmler und der Ausstatterin Marie-Luise Strandt an seine ehemalige Wirkungsstätte zurück, denn von der Anmutung und Größe passt das Freiberger Theater ideal zu Lortzing. Die komisch-romantische Zauberoper "Rolands Knappen oder Das ersehnte Glück" ist in keinem gängigen Opernführer beschrieben, wird bestenfalls mit aufgelistet und ist nach der Leipziger Uraufführung 1849 aus Zensurgründen schnell verfälscht und schließlich gar nicht mehr aufgeführt worden.

    Der Inhalt ist knapp erzählt. Nachdem der Ritter Roland von den Sarazenen erschlagen wurde, irren seine drei Knappen mittellos in der Weltgeschichte umher. Die Königin der Berge testet die drei, ob sie würdig sind, das man ihnen ihren Herzenswunsch erfülle. Mit drei Wunderdingen kommen hinfort sie glänzend durch die Welt: einer kann soviel Speisen herbeischaffen wie er will, der zweite vermag des gleiche mit Gold und der Dritte, der Narr und Lustigbeutel, treibt Schabernack mit einer Tarnkappe. Wenn diese Wunder nicht mehr funktionieren, dann wird sich der Wunsch endlich erfüllen. Sie bestehen allerlei Abenteuer, geraten mit der Obrigkeit in Zwist, einer verliebt sich sogar unsterblich und wird ebenso mächtig zurückgeliebt, und am Ende ist, trotz der gelben Gefahr, alles gut.

    Wie das alles szenisch nun umgesetzt wurde, vermochte fast durchweg zu überzeugen. Abstriche muss man leider beim Gesang machen, da geben die stimmlichen Möglichkeiten am Haus, sowohl was die Solisten als auch den Chor betrifft, einfach nicht mehr her. Aber was den Enthusiasmus, den Witz und vor allem die überbordende Spiellaune angeht - konnte man höchst zufrieden sein. Und nur so funktioniert eine Spieloper: mit Lust am Spiel. Insbesondere Susanne Engelhardt als Knappe und Narr Andiol sei hier herausgehoben, denn sie war ein Irrwisch der guten Laune und des aufgeräumten Witzen. Angesteckt vom ersten bis zum letzten Takt, die vom solide musizierenden Orchester unter Leitung des Lortzing-Experten Martin Bargel umgesetzt wurden, war man sowohl augenzwinkernd und dennoch emotional mittendrin dabei. Das ist ein schmaler Grad auf dem da die Regie wandeln muss, aber das hat für all jene, die sich darauf einlassen, bestens funktioniert.

    Und wie war das nun eigentlich mit dem Wunsch unser drei Helden? Nun, nach all ihren wilden Schlachten, die sie quer durch Europa geschlagen haben, hatten sie vom Tapfersein und vom Krieg, die Nase gestrichen voll. Sie wollten nur noch eins: nach Hause!