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Bürgermeister "Dirty Harry"

Der Weg vom Schauspieler zum Politiker ist in den USA nicht ungewöhnlich: Arnold Schwarzenegger schaffte es zum Gouverneur von Kalifornien, Ronald Reagan wurde sogar Präsident. Und Clint Eastwood war einmal Bürgermeister. Vor 20 Jahren wählten ihn die Einwohner des kalifornischen Carmel by the Sea zu ihrem Stadtoberhaupt.

Von Ralf Geißler | 08.04.2006
    200 Dollar im Monat. So viel Geld bekam Clint Eastwood für seinen Job als Bürgermeister in Carmel by the Sea. Das ist nicht gerade üppig, wenn man bedenkt, dass der Schauspieler schon damals hohe Gagen verdiente. Doch Carmel entschädigt auf andere Weise.

    Eine raue Küstenlandschaft umrandet von Zypressen und Pinienwäldern, romantische Holzhütten neben weiß getünchten Landhäusern: Die Schönheit von Carmel zog schon früh Künstler und Intellektuelle an. Schriftsteller wie Jack London und Sinclair Lewis ließen sich in dem verträumten Ort südlich von San Francisco nieder. Clint Eastwood kam zum ersten Mal 1951 hierher. Damals war er noch Schwimmausbilder bei der US-Armee und in der Gegend stationiert. Eastwood verliebte sich in das wohlhabende 4000-Einwohner-Städtchen. Nachdem er als Schauspieler ausreichend Geld verdient hatte, kaufte er in Carmel ein Grundstück. Der Hollywood-Star wählte den Ort nicht nur zu seinem Wohnsitz, sondern machte ihn 1971 auch zur Kulisse für seine erste Regie-Arbeit.

    In "Play Misty For Me" erzählt Eastwood die Geschichte eines Jazz-Disc-Jockeys, der von seiner Ex-Geliebten terrorisiert wird. Die Landschaft Carmels diente als harmonisches Gegenstück zur brutalen Handlung. Geld verdiente Eastwood aber mit anderen Streifen, zum Beispiel mit "Dirty Harry":

    "Tja, jetzt überlegst Du, ob da nun sechs Schüsse raus sind oder nur fünf. Wenn ich ehrlich sein soll, ich habe in der Aufregung selbst nicht mitgezählt. Weißt Du, das ist ne 44er Magnum. Der Ballermann ist außerordentlich gefährlich. Ich brauch bloß zu drücken, und der reist Dir den Arsch ab. Nun frag Dich doch mal, ob Du ein Glückskind bist. Ist noch eine Kugel drin? Was denkst Du, Bruder?"

    Die Rolle des schießwütigen Inspektors Harry Callahan machte Eastwood zur Kultfigur. Die Filmgagen kamen auch Carmel zu Gute. So bewahrte Eastwood eine alte Ranch vor dem Abriss und baute sie zum Hotel um. Doch immer wieder geriet Eastwood in Konflikt mit den städtischen Vorschriften. Davon gab es in Carmel reichlich. Um die ursprüngliche Struktur der Gemeinde zu bewahren, hatte die Stadtverwaltung Leucht-Reklame, Fast-Food-Restaurants und öffentliche Telefonzellen verboten. Sogar der Verzehr von Eiscreme war auf den Straßen aus Angst vor zu viel Müll nicht erlaubt. 1985 untersagten die Behörden Eastwood den Bau eines kleinen Bürogebäudes – aus Denkmalschutzgründen. Der Schauspieler empfand die vielen Vorschriften als Tyrannei. Deshalb entschied er sich – getreu seines Images als entschlossener Held – für das Amt des Bürgermeisters zu kandidieren, und die Dinge zu ändern.

    "So, jetzt wissen Sie, warum man mich Dirty Harry nennt. Immer wenn es eine dreckige Arbeit gibt, bin ich dran."

    Eastwood kandidierte für die Republikanische Partei. Anders als viele seiner Hollywood-Kollegen war er von ganzem Herzen Konservativer. Seinen Wahlkampf finanzierte er selbst, lief von Haus zu Haus und stellte sich persönlich vor. Mit großem Erfolg. Am 8. April 1986 stimmten 72 Prozent in der Gemeinde für ihn als neuen Bürgermeister. Kaum vereidigt, strich Eastwood zahlreiche Vorschriften. Er ließ einen neuen Touristen-Parkplatz bauen und erweiterte die Bibliothek um eine Abteilung für Kinderbücher. Die größte Aufmerksamkeit erregte aber ein anderer Beschluss. Die "New York Times" schrieb darüber:

    "'"Carmel wird wieder Eiscreme haben. Damit erfüllt Clint Eastwood ein Versprechen, das er während seines Bürgermeisterwahlkampfes gegeben hat. Die städtische Planungskommission genehmigte am Mittwoch den Antrag auf einen neuen Eisverkaufsstand.""

    Wegen Artikeln wie diesen reisten Tausende von Touristen nach Carmel. Sie hofften, den prominenten Bürgermeister in der Fußgängerzone zu treffen. Als die Stadt den Zustrom kaum noch bewältigen konnte, bat sie den Hollywood-Star, auf eine Wiederwahl zu verzichten. So währte Eastwoods Amtszeit nur zwei Jahre. Politisch äußerte er sich später kaum noch. Eine Ausnahme machte er nach den Anschlägen vom 11. September 2001.

    "Die Terroristen wollten 300 Millionen Opfer. Sie werden 300 Millionen Helden bekommen. 300 Millionen Amerikaner mit gebrochenem Herzen, aber ungebrochener Hoffnung für unser Land und unsere Zukunft."

    Noch heute lockt der Name Eastwood zahlreiche Touristen nach Carmel. Im "Hogs Break Inn" verkauft sich der "Dirty Harry"-Burger am Besten, obwohl Eastwood das Lokal schon längst nicht mehr selbst betreibt. Der Filmstar finanziert derzeit eine Siedlung am Stadtrand. Mehr als 80 Häuser sollen entstehen - mit Solarheizungen, Windkraftanlagen und einer Bio-Farm. Mit seinen 75 Jahren ist Dirty Harry zum Öko geworden.