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Bürgermeister von Kiew
Ukrainische Regierung will Klitschko entmachten

Die neue ukrainische Regierung will auch in der Hauptstadt Kiew das Ruder übernehmen. Künftig soll ein Verwalter den Regierungsbezirk leiten - und nicht mehr der Bürgermeister von Kiew, der prominente Ex-Boxer Vitali Klitschko. Doch der will seinen Posten nicht kampflos aufgeben.

Von Florian Kellermann | 06.09.2019
Vitali Klitschko, ukrainischer Politiker und ehemaliger Profiboxer. Er ist Gründer der Partei UDAR.
Die Stadtverwaltung von Vitali Klitschko geriet immer wieder unter Korruptionsverdacht (picture-alliance / dpa / Mike Wolff)
Kiew hat in der ukrainischen Verfassung einen Sonderstatus. Die Stadt gilt, vereinfacht gesagt, gleichzeitig als Regierungsbezirk. Diesen Umstand nutzt der neue ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj aus. Er will den Kiewer Bürgermeister als Leiter dieses Regierungsbezirks absetzen. Seinen Antrag hat die ukrainische Regierung schon gebilligt - nun fehlt nur noch Selenskyjs Unterschrift unter das Papier.
Dem gewählten Bürgermeister Vitali Klitschko, der bisher auch Leiter des Regierungsbezirks war, bleibt dadurch nur noch eine repräsentative Rolle. Er werde de facto entmachtet, sagt der Kiewer Politologe Oleksij Haran:
"Selenskyj und seine Mannschaft wollen alles im Land unter ihre Kontrolle bringen. Man sieht das auch an der Arbeit des neuen Parlaments. Argumente spielen da keine Rolle mehr, auch Verfahrensfragen nicht. Da wird einfach durchgewunken, egal ob Gesetz oder sogar Verfassungsänderung. Und das finde ich sehr gefährlich."
Pikant: Selenskyj stützt sich bei der Absetzung von Klitschko auf ein Gesetz aus dem Jahr 2011, also aus der Zeit des autoritär regierenden Ex-Präsidenten Viktor Janukowitsch.
Korruption in Kiews Stadtverwaltung
Die neue Regierung gab Gründe an für ihr Vorgehen. Ministerpräsident Oleksij Hontscharuk sagte:
"Ich persönlich achte Herrn Klitschko sehr. Er ist ein großer Champion und hat viel für das Land getan. Aber in Kiew ist Korruption weiterhin an der Tagesordnung. Interessengruppen haben großen Einfluss auf die Stadtverwaltung. Deshalb stellen wir Herrn Klitschko einen starken Manager zur Seite, einen Leiter der Verwaltung, der diesen Gruppen nicht unterworfen ist. Das ist im Interesse der Kiewer."
Tatsächlich geriet die Stadtverwaltung von Klitschko immer wieder unter Korruptionsverdacht. Zuletzt beim Bau einer Panoramabrücke für Fußgänger im Zentrum, die - kaum eröffnet - schon wieder für eine Renovierung gesperrt werden musste.
Doch solche Vorwürfe sollten die zuständigen Institutionen aufklären, sagen Kritiker der Regierung, etwa das Nationale Anti-Korruptionsbüro. Wenn die Mannschaft von Selenskyj Klitschko entmachte, dann ergebe sich ein gewichtiger Verdacht, so der Politologe Oleksij Haran: Dann sehe das eher danach aus, dass die Regierung die Finanzströme in der Hauptstadt unter ihre Kontrolle bringen wolle.
Klitschko will um sein Amt kämpfen
Vitali Klitschko versuchte vergebens, den Schritt der Regierung abzuwenden. Dafür suchte er auch internationale Unterstützung. Im Sommer traf er in New York den dortigen Ex-Bürgermeister Rudy Giuliani. Der ist heute Anwalt von US-Präsident Donald Trump.
Er werde nicht einfach klein beigeben, verspricht Klitschko auch weiterhin:
"Ich bleibe das Stadtoberhaupt. Und ich werde alles tun, um das Recht der Bürger zu verteidigen, ihren Bürgermeister zu wählen. Egal, ob einem Klitschko gefällt oder nicht. Ich werde kämpfen, nicht um meinen Sessel, sondern ums demokratisches Prinzip, wie es in jedem modernen Staat gilt."
Deshalb werde er auch bei der nächsten Kommunalwahl wieder antreten, so Klitschko.