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Bürokratieabbau in Hochschulen

Durch die deutsche Bürokratie werden Unternehmen jährlich in Milliardenhöhe belastet. Im Sommer 2006 hat die Bundesregierung den Bürokratieabbau beschlossen – dadurch sollen Kosten minimiert werden. Die private Bielefelder Fachhochschule des Mittelstands hat jetzt ein nationales Kompetenzzentrum für Bürokratiekostenabbau gegründet. Das will die durch Bürokratie entstehenden Kosten transparenter machen.

Von Miriam Grabenheinrich | 07.02.2007
    Anträge und Statistiken, stapelweise Papier: das kennt der Rechtswissenschaftler Hans-Georg Kluge von der Fachhochschule des Mittelstands zu Genüge. Er beschäftigt sich seit langer Zeit mit dem Bürokratieabbau und war maßgeblich an der Gründung des Bielefelder Kompetenzzentrums beteiligt. Im letzten Jahr hat er die politischen Entwicklungen verstärkt beobachtet. So auch den Nationalen Normenkontrollrat, der von der Bundesregierung ins Leben gerufen wurde. Der Kontrollrat überprüft Gesetzentwürfe dahingehend, welche bürokratischen Kosten sie den Unternehmen verursachen. Hans-Georg Kluge befürwortet die Bestrebungen der Bundesregierung zur Entbürokratisierung – hält eine wissenschaftliche Beteiligung aber für unumgänglich:
    "In jeder Regierungserklärung ab Willy Brandt ist Bürokratieabbau versprochen worden, hat dann in jeder Legislaturperiode parteiübergreifend nicht geklappt. Entweder waren es bisher die Soziologen, Politologen oder Betriebswirte, Volkswirte oder Juristen, die sich des Themas angenommen haben. Immer unter ihrem speziellen Blickwinkel und das hat nicht geklappt. Das heißt hier müssen Brücken geschlagen werden. Das Kompetenzzentrum wird die Aufgabe der Interdisziplinarität wahrnehmen."

    Interdisziplinär erarbeitet wurde auch das neue Standardkosten-Modell, das die Bundesregierung eingeführt hat. Das Modell wurde von niederländischen Wissenschaftlern entwickelt und ermöglicht, Bürokratiekosten zu messen. Die Bielefelder Wissenschaftler halten es für ein gutes Instrument, um Kosten transparent zu machen. Gerhard Klippstein, Rektor der Fachhochschule des Mittelstandes:

    "Das Modell zeigt auf, welche Kosten verursacht werden durch staatliche Bürokratie. Zeigt auf, welche Beträge aufgewendet werden müssen für weitgehend unrentierliche Zwecke und zeigt damit auch, was mit diesen Beträgen sinnvoll an Investitionen getätigt werden könnte. Wir haben an unserer FH (...) dieses Thema sehr frühzeitig besetzt. Wir haben eine der wesentlichen Publikationen herausgebracht. "

    Nämlich ein Handbuch, das die Anwendungsmöglichkeiten des niederländischen Modells für Deutschland zusammenfasst. Die Bundesregierung hat das Standardkostenmodell im vergangenen Jahr eingeführt. Es ist eine betriebswirtschaftliche Herangehensweise, die für Unternehmen entwickelt wurde. Hans-Georg Kluge von der Fachhochschule des Mittelstands glaubt aber, dass auch die Universitäten und Fachhochschulen ihre Kosten verstärkt durchleuchten müssen.

    "Ich glaube Hochschulen sind der Inbegriff von Bürokratie. Der Bereich der Hochschulpolitik ist ja gerade klassisch dafür bekannt, dass der Staat hier sehr reglementierend eingegriffen hat. Und die Hochschullehrer beschreiben ja auch diesen Bereich immer mehr im Vergleich zu den USA als besonders belastend. "

    Ein konkretes Beispiel:

    "Dass man bestimmte Bachelor-Studiengänge jetzt akkreditiert bekommen muss von irgendwelchen Akkreditierungsauschüssen. Was das zu bürokratischen Zusatzbelastungen führt. (...) Gerade bei einem solchen System, dass so offenkundig auch privaten übergeben worden ist, bedarf es einer Kontrolle und auch eines Vergleiches: nämlich: wer macht`s teuer und wer macht`s billig. Das wollen wir natürlich auch im Bezug auf die Hochschulen erreichen. "

    Projekt- oder Forschungsanträge schreiben – diesen tagelangen Aufwand kennt auch Burckhard Kaddatz von der Universität Bielefeld. Er leitet die Transferstelle der Universität. Die hilft den Wissenschaftlern dabei, ihre Forschungsergebnisse und Erfindungen über die Publikation hinaus in die Praxis umzusetzen. Zum Beispiel durch Kooperationen mit Unternehmen oder Ausgründungen. Viele dieser Prozesse werden durch die Bürokratie erschwert. Burckhard Kaddatz sieht die politischen Bestrebungen in Sachen Bürokratieabbau aber positiv:

    "Beim Transfer geht es ja darum, dass Unternehmen Aufträge für die Zusammenarbeit mit der Forschung geben. (…) Und es gab eine Verordnung, die sogenannte Nebentätigkeitsverordnung, die besagte, dass der Wissenschaftler, der so einen Auftrag übernehmen möchte, jedes Mal im Einzelfall (…) sich dafür vom Arbeitgeber, also von der Universität, eine Genehmigung holen musste und das ist ein sehr umständliches Verfahren. (…) Hier ist wirklich etwas bewegt worden hier hat die Landesregierunge den Hochschulen bereit gestellt, dass sie solche Nebentätigkeiten pauschal bewilligen können. "

    Universitäre Kooperationen mit der Wirtschaft werden durch das Hochschulfreiheitsgesetz immer wichtiger. Das Kompetenzzentrum der Fachhochschule des Mittelstandes beschäftigt sich auf einer betriebswirtschaftlichen Ebene mit dem Abbau von Bürokratiekosten. Sie arbeitet daher eng mit der Bielefelder Unternehmensberatung NordWestConsult zusammen. Der Unternehmensberater Jochen Zülka sieht in dem Standardkostenmodell eine gute Hilfestellung für die Hochschulen.

    "Natürlich kann man Bürokratiekosten einer Hochschule messen und dann ein Ziel ausgeben, das diese Kosten gesenkt werden. (…) Und das Standardkostenmodell ist ein Instrument, mit dem Hochschulen eine solche Forderung untermauern können. Sie können dann sagen: bei uns entstehen XY Bürokratiekosten und wir möchten gerne um 25, 30 oder 50% dieser Kosten entlastet werden. "

    Bislang wurde das Standardkostenmodell in Deutschland noch nicht getestet. Pilotprojekte sollen in diesem Jahr in Unternehmen anlaufen. Aber bis das Modell aber so ausgereift ist, dass die Hochschulen davon profitieren, müssen sie bestimmt noch viele Anträge ausfüllen.