Freitag, 29. März 2024

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BUND zu Bienensterben
"Dramatisch und alarmierend"

Imkern zufolge haben 50 Prozent der Bienenvölker den Winter nicht überlebt. Gründe seien intensive Landwirtschaft, das Fehlen von Streuobstwiesen und Hecken sowie der massive Einsatz von Pestiziden, sagte Corinna Hölzel vom BUND im DLF. Um weiteres Artensterben zu stoppen, sei ein Nationaler Bienen-Aktionsplan dringend erforderlich.

Corinna Hölzel im Gespräch mit Britta Fecke | 26.04.2017
    Eine Honigbiene sammelt Pollen auf einer voll erblühten weißen Rose.
    Eine Honigbiene sammelt Pollen auf einer voll erblühten weißen Rose. (picture alliance / dpa / Wolfgang Moucha)
    Britta Fecke: Wenn die Temperaturen steigen und die ersten Blüten aufgehen, werden Läuse oder Wanzen aktiv, die von Landwirten und Kleingärtnern oft mit Insektiziden bekämpft werden. Das ist aber auch die Zeit, wo Bienen wieder fliegen, und sie trifft die Giftattacke ebenso wie die Pflanzenschädlinge. Seit mehr als zehn Jahren sterben die Insekten in ihren Stöcken massenhaft. Der Einsatz von Insektiziden in der Landwirtschaft als auch die Varroamilbe gelten als die Hauptursache für den Verlust der Bienenvölker.
    Ich bin nun verbunden mit Corinna Hölzel, Pestizid-Expertin beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. Frau Hölzel, Sie stellen zur Stunde gemeinsam mit der Aurelia-Stiftung den Nationalen Bienenaktionsplan vor und geben in Ihrer jüngsten Veröffentlichung an, dass in diesem Frühjahr außergewöhnlich viele Bienenvölker gestorben sind. Wie hoch sind denn die Verluste?
    Corinna Hölzel: Ja. Wir haben Informationen von Imkern bekommen, dass bis zu 50 Prozent, also die Hälfte der Bienenvölker den Winter nicht überlebt haben. Das ist ein sehr dramatischer Verlust und alarmierend auf jeden Fall. Aber die Situation für die Wildbienen, wo ja kein Imker dasteht, der den Bienen helfen kann und neue Ableger bilden kann, die ist ebenso alarmierend, und das nicht nur in diesem Jahr, sondern kontinuierlich, und da haben wir ein Aussterben, einen dramatischen Artenverlust sowohl bei den Wildbienenarten als auch bei den Individuen. Die Naturschutz-Union hat jüngst festgestellt, dass in Europa jede zehnte Art bereits ausgestorben ist.
    "Der Hauptgrund ist auf jeden Fall die intensive Landwirtschaft"
    Fecke: Was glauben Sie, woran liegt dieser, wie Sie selber sagen, alarmierende Verlust?
    Hölzel: Der Hauptgrund ist auf jeden Fall die intensive Landwirtschaft, zum einen gekennzeichnet durch den Einsatz von Pestiziden. Das heißt, die Bienen und Wildbienen werden direkt getötet, oder sie erleiden Langzeiteffekte, chronische Effekte, die zur Schwächung der Population führen kann.
    Zum anderen sind es die Monokulturen. Wir haben ganz oft den Fall, dass nach der Rapsblüte dann in den ländlichen Gebieten die Bienen einfach Hunger leiden, weil sie nichts anderes mehr finden, keine Vielfalt mehr und keine anderen Kulturen, die interessant sind. Und natürlich der Verlust von Lebensräumen, also extensive Kulturlandschaft wie Streuobst-Wiesen, Hecken, Raine. Alles das, was interessant ist für die Bienen zum Nisten und für die Nahrungsaufnahme, das geht uns verloren im Rahmen von Flurbereinigung, Flächenversiegelung oder Grünlandumbruch, all das, wodurch die intensive Landwirtschaft gekennzeichnet ist.
    Fecke: Sie nannten jetzt auch den Insektizid-Einsatz. Gibt es Beispiele, die belegen, dass, wenn der zurückgefahren wird, die Bienenvölker sich erholen?
    Hölzel: Es gibt Studien, die belegen, dass auf ökologisch bewirtschafteten Flächen, Flächen, die ohne den Einsatz von chemisch-synthetischen Pestiziden auskommen, dass da die Population von Wildbienen deutlich höher ist, dass da mehr Hummeln zum Beispiel vorkommen, sowohl in den Arten als auch dann in den Anzahlen.
    "Glyphosat ist ein Herbizid, was alles totmacht"
    Ein Landwirt versprüht auf einem Getreidefeld unweit des brandenburgischen Wriezen ein Pestizid, aufgenommen am 10.05.2010. 
    Sowohl Ntuz- als auch Wildbienen litten unter dem massenhaften Einsatz von Pestizid, kritisierte Corinna Hölzel vom BUND im DLF. (picture alliance / dpa / Patrick Pleul)
    Fecke: Sie haben es gerade auch schon ein bisschen genannt. Die Versiegelung der Landschaft ist ein Problem, Insektizide. Was gibt es noch für Möglichkeiten, um die Bestäuber besser zu schützen?
    Hölzel: Da gibt es eine ganze Menge von Maßnahmen. Wir als BUND, gemeinsam mit der Aurelia-Stiftung, haben heute einen Nationalen Bienen-Aktionsplan vorgestellt. Darin sind Eckpunkte enthalten, die wir der Politik präsentieren und wo wir jetzt eine zügige Umsetzung dieser Maßnahmen auch fordern, zum Beispiel die Bestäuber oder Bienen besser vor den Pestiziden zu schützen. Dazu gehört auch die Nicht-Wiederzulassung von Glyphosat. Glyphosat ist ein Herbizid, was alles totmacht und damit jede Blühpflanze, alles das, was den Bienen als Nahrungsgrundlage und auch als Lebensraum dient, wird vernichtet. Das ist ganz dramatisch für das Weiterleben der Bienen. Und wir haben natürlich noch andere Forderungen, die Landwirtschaft umzugestalten in Richtung mehr Mischkulturen, Fruchtfolgen und zum Beispiel den Einsatz von Nützlingen zu fordern.
    Man kann ja statt eines chemisch-synthetischen Wirkstoffes auch Nützlinge, Schlupfwespen zum Beispiel nehmen oder Laufkäfer, die dann die ungewünschten sogenannten Schädlinge auffressen.
    Ein weiterer großer Punkt, wie man ganz schnell den Bienen helfen kann, ist, dass man sich anguckt, wie sieht eigentlich das Zulassungsverfahren für Pestizide aus. Da müssen wir sehen, dass momentan der Fokus auf dem Einzelwirkstoff liegt. Das heißt, ein einzelner Wirkstoff wird bewertet und dann aufgrund der Studien zugelassen oder nicht zugelassen. Die Praxis sieht jedoch anders aus. Wir haben Mehrfachwirkstoffe, die auch gemeinsam ausgebracht werden, sich gegenseitig verstärken. Man kennt das vielleicht auch in der Humanmedizin, die Wechselwirkungen von Medikamenten mit zum Beispiel Alkohol. Das sollte man vermeiden. Genauso ist es in der Landwirtschaft. Verschiedene Mittel, Wirkstoffe und Beimittel werden in eine Tankmischung zusammengepackt und dann auf die Pflanze aufgebracht, und die Wechselwirkungen sind überhaupt nicht erforscht. Da fordern wir eine dringende Nachbesserung.
    "Mehr Gelder für ökologische Maßnahmen zur Verfügung stellen"
    Fecke: Welche Möglichkeiten würden sich denn bieten mithilfe der EU-Mittel, die zur Verfügung stehen?
    Hölzel: Innerhalb der GAP, der gemeinsamen Agrarpolitik ist auch viel Spielraum, den wir innerhalb der jetzigen GAP noch ausschöpfen können, zum Beispiel die ökologischen Vorrangflächen. Das sind Flächen, die jeder Landwirt zur Verfügung stellen muss, und da ist jetzt noch nicht klar, ob dort Pestizide eingesetzt werden dürfen oder nicht. Wir fordern natürlich, dass auf ökologischen Vorrangflächen – der Name sagt es schon, wofür die eigentlich da sein sollen – natürlich keine Pestizide eingesetzt werden sollen. Da tobt gerade ein interner Kampf. Die CSU mauert da. Die deutsche Politik verhindert gerade, dass es tatsächlich durchkommt, dass keine Pestizide eingesetzt werden dürfen.
    Und man kann auch mehr Gelder von der ersten Säule in die zweite umschichten, das heißt mehr Gelder für ökologische Maßnahmen zur Verfügung stellen. Da könnte die Bundesregierung jetzt auch einen Schritt gehen und sagen, ja, wir wollen ökologische Maßnahmen fördern, wir wollen Bienen und Bestäuber schützen, und dafür auch mehr Geld, was sowieso da ist, einfach für diese Maßnahmen umverteilen.
    Fecke: Vielen Dank für diese Informationen. – Ich sprach mit Corinna Hölzel, Pestizid-Expertin beim BUND. Sie stellt mit der Aurelia-Stiftung zusammen gerade den Nationalen Bienenaktionsplan vor.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.