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Intelligente Stromzähler zum Teil überflüssig?

Mit Sonne und Wind lässt sich Energie nicht immer gleichmäßig erzeugen und auch der Verbrauch schwankt, was Netzbetreiber vor Probleme stellt. Intelligente Stromzähler sollen Abhilfe schaffen. Die Bundesregierung arbeitet seit mehreren Jahren an dem Verordnungspaket Intelligente Netze - doch wird am tatsächlichen Nutzen gezweifelt.

Von Ines Rutschmann | 22.04.2015
    Solarkraftwerk Repperndorf in Bayern
    Intelligente Messsysteme sollen Stromverbrauch und -erzeugung in Einklang bringen. (dpa / picture alliance / Friedel Gierth)
    Seit mehreren Jahren arbeitet die Bundesregierung am sogenannten Verordnungspaket Intelligente Netze. Vor der Sommerpause soll es nun verabschiedet werden. Dabei ist vorgesehen, dass Haushalte und Gewerbebetriebe mit einem Stromverbrauch von mindestens 6.000 Kilowattstunden im Jahr sowie Erzeuger von Strom aus erneuerbaren Energien und Kraft-Wärme-Kopplung mit mehr als sieben Kilowatt Leistung ein intelligentes Messsystem erhalten. Dieses erfasst zum einen den Stromverbrauch. Es soll aber auch Signale empfangen und daraufhin Maschinen an- und ausschalten und dezentrale Kraftwerke regeln können. Was damit auf die Betroffenen zukommt, erklärt Holger Schneidewindt von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen:
    "Da gibt es die Pflicht für die betroffenen Verbrauchergruppen, sich so ein Messsystem genanntes Gerät einbauen lassen zu müssen, ohne dass man sagen kann: Nein, ich will nicht. Und gleichzeitig auch die Pflicht, für dieses Gerät ein Entgelt zu zahlen. Da gibt's aktuell die Höhe 100 Euro pro Jahr. Es geht also um richtig Geld, wenn man sich noch mal vergegenwärtigt, dass man aktuell ein Entgelt zahlt für den Stromzähler, den man im Keller hat, um die 20 Euro. Also ein deutlicher Zuwachs."
    Vorteile durch den Einbau der Messsysteme
    Wer viel Strom bezieht, für den soll sich das intelligente Messsystem direkt bezahlt machen: durch Einsparungen und eine Verlagerung des Verbrauchs in Zeiten mit niedrigen Preisen. Letzteres funktioniert nur, wenn der Stromlieferant variable Tarife anbietet und diese über einen intelligenten Zähler mitteilen kann. Die zweite Gruppe erfährt dagegen kaum einen Nutzen durch den Smart Meter. Er soll nämlich hier dazu dienen, die Stromeinspeisung vor allem aus Fotovoltaik- und KWK-Anlagen bei Bedarf zu verringern. Ein Großteil dieser Kraftwerke ist längst regelbar. Da künftig aber eine einheitliche Technologie vorgesehen ist, wären all diese Anlagen umzurüsten. Gegenüber der heutigen Regelungstechnik haben intelligente Messsysteme durchaus Vorteile, sagt Bernd Engel vom Forum Netztechnik/Netzbetrieb, das die technischen Standards für die Geräte erarbeitet.
    "Man kann sehr viel spezifischer Anlagen an- und ausschalten, als es heute geht. Man kann weitere Funktionen dort implementieren. Man hat eine Rückmeldung über die aktuell eingespeiste Leistung bei dem Netzbetreiber. Also es gibt schon eine Reihe von technischen Vorteilen bezüglich der Steuerung und Beobachtbarkeit von dezentralen Erzeugungsanlagen."
    Zweifel an der Sinnhaftigkeit
    Die Bundesregierung erwartet daher eine höhere Transparenz, was die etwa eine Million zählenden Anlagen am Stromnetz so treiben. Von der Ausweitung der Steuerbarkeit bis auf Sieben-Kilowatt-Systeme erhofft sie sich zudem eine Entlastung der Netze. Dass eine Einbaupflicht bei diesen kleinen Anlagen sinnvoll ist, bezweifelt allerdings Verbraucherschützer Holger Schneidewindt:
    "Das eine ist die Kostenseite, dass diese Anlagen dann auch die 100 Euro zahlen müssen für die Messsysteme pro Jahr und eine kleine Anlage von sieben bis zehn Kilowatt oder 15 Kilowatt holt diese Kosten natürlich nie wieder herein. Aber entscheidend ist, braucht man diese Anlagen für die Gewährleistung der Netzsicherheit? Und da hat die Verbraucherzentrale NRW im letzten Jahr mal eine Umfrage gestartet unter den Netzbetreibern in NRW. Da haben weit in die 90 Prozent hinein der Netzbetreiber gesagt, wir brauchen die aktuell sowieso nicht und wir brauchen die auch mittel- und langfristig nicht. Es ist nicht absehbar, dass wir diese Kleinanlagen wirklich brauchen, weil sonst unsere Netze kaputt gehen und knallen."
    Stimmen Bundestag und Bundesrat dem Verordnungspaket zu, tritt die Einbaupflicht stufenweise ab 2017 in Kraft. Und zwar zuerst bei Verbrauchern mit einem Strombezug von mindestens 20.000 Kilowattstunden im Jahr und für alle Betreiber eines Kraftwerks zwischen sieben und 100 Kilowatt Leistung. Haushalte und Gewerbebetriebe mit weniger als 6.000 Kilowattstunden Jahresverbrauch sollen lediglich einen digitalen Zähler erhalten, der den Energiefluss visualisiert, aber nicht kommunikationsfähig sein muss. Maximal 20 Euro darf er im Jahr kosten, also etwa so viel wie ein analoges Gerät heute. Über den Einbau sollen die Messstellenbetreiber selbstständig entscheiden - Zeit wäre dafür bis 2032.