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Bundesarbeitsgericht
Kirchliche Einrichtungen dürfen Kopftuch verbieten

Eine muslimische Krankenschwester hat vor dem Bundesarbeitsgericht gegen ein Krankenhaus geklagt, das ihr das Kopftuch verbietet. Die Entscheidung der Richter: Kirchliche Einrichtungen dürfen Musliminnen die Kopfbedeckung untersagen. Für die Klägerin ist die Sache damit aber noch nicht beendet.

24.09.2014
    Eine junge Frau mit Kopftuch, die Klägerin, läuft am 24.09.2014 in Erfurt (Thüringen) am Behördenschild mit der Aufschrift "Bundesarbeitsgericht" vorbei.
    Das Tragen des Kopftuches gehört zu den am häufigsten diskutierten Symbolen islamischen Glaubens. (picture alliance / dpa / Martin Schutt)
    Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt stellt das kirchliche Selbstbestimmungsrecht über das Recht der Mitarbeiter auf Religionsfreiheit im Dienst. Die Richter haben entschieden, dass kirchliche Einrichtungen ihren muslimischen Mitarbeiterinnen in der Regel das Kopftuch verbieten dürfen. Eine Gerichtssprecherin erklärte, Mitarbeiter in solchen Einrichtungen seien zumindest zu neutralem Verhalten verpflichtet. Damit sei das Kopftuch als Symbol der Zugehörigkeit zum islamischen Glauben nicht vereinbar.
    Klinik verlangte Neutralität von nicht-christlichen Mitarbeitern
    In Einzelfällen könne je nach konkreter Tätigkeit jedoch auch anders entschieden werden, so die Sprecherin. Als Beispiel nannte sie Mitarbeiter eines Labors, die wenig Kontakt zu Menschen haben. Im konkreten Fall hatte eine muslimische Krankenschwester gegen ein evangelisches Krankenhaus in Bochum geklagt. Sie hatte dem Krankenhaus nach eigenen Angaben angeboten, andere Kopfbedeckungen zu tragen, etwa eine Kappe oder die Haube einer Nonne. Die Klinik verlangte jedoch Neutralität von ihren nicht-christlichen Mitarbeitern.
    Die Richter verwiesen sie jedoch zunächst an das Landesarbeitsgericht in Hamm zurück, weil für sie unklar war, ob es sich bei der Klinik tatsächlich um eine kirchliche Einrichtung handelt. Die heute 36-Jährige hatte mehrere Jahre an einem Bochumer Krankenhaus gearbeitet. Nach einer längeren Pause wegen Elternzeit und Krankheit wollte sie 2010 an ihren Arbeitsplatz zurückkehren und im Dienst ein Kopftuch tragen. Die Klinik lehnte das ab.
    Bisher nur Entscheidungen zu privaten und staatlichen Einrichtungen
    Das Bundesarbeitsgericht hat zum ersten Mal über ein Kopftuchverbot in kirchlichen Einrichtungen geurteilt. Bisher gibt es nur höchstrichterliche Entscheidungen zum Umgang mit dem umstrittenen Kleidungsstück in privaten und staatlichen Einrichtungen. Einer Verkäuferin darf das Kopftuch nicht verboten werden, einer Lehrerin an einer staatlichen Schule dagegen schon.
    Kirchen haben einen Sonderstatus im Arbeitsrecht. Das Bundesverfassungsrecht hat ihnen 1985 das Recht zugebilligt, Arbeitsverhältnisse nach ihrem Selbstverständnis zu regeln. Auf dieses Selbststimmungsrecht gehen auch bestimmte Pflichten für Arbeitnehmer in kirchlichen Einrichtungen zurück. Sie können zum Beispiel ihre Arbeit verlieren, wenn sie aus der Kirche austreten.
    Das Kopftuch zählt zu den Symbolen islamischen Glaubens, die am häufigsten diskutiert werden. Für Kritiker handelt es sich um ein Zeichen der Unterdrückung der Frau; viele Musliminnen sehen in der Verhüllung des Kopfes aber in erster Linie den Ausdruck ihres Glaubens oder eine selbstverständliche Tradition. Der Koran fordert nicht ausdrücklich dazu auf, die Haare zu verhüllen. Entsprechende Stellen werden von Anhängern verschiedener Rechtsschulen allerdings unterschiedlich interpretiert.

    In Deutschland tragen einer Studie des Bundesamtes für Migration zufolge etwa 25 Prozent der Musliminnen ab 16 Jahren immer oder meistens ein Kopftuch, knapp 70 Prozent dagegen nie. Auch unter den stark gläubigen Frauen verzichten rund 50 Prozent auf das Kopftuch, gut 43 Prozent von ihnen haben es immer oder meistens auf.
    (tj/bor)