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Bundesgerichtshof
Urteil gegen früheren SS-Buchhalter Gröning bestätigt

Der Bundesgerichtshof hat die Verurteilung des früheren SS-Manns Oskar Gröning wegen Beihilfe zum massenhaften Mord im NS-Vernichtungs- und Konzentrationslager Auschwitz höchstrichterlich bestätigt. Ob der 95-Jährige tatsächlich für mehrere Jahre ins Gefängnis muss, ist noch unklar.

28.11.2016
    Der frühere SS-Mann Oskar Gröning sitzt im Gerichtsaal in Lüneburg.
    Nach der Urteilsbestätigung droht dem früheren SS-Mann Oskar Gröning eine Gefängnishaft. (AFP / Pool / Ronny Hartmann)
    Gröning ist der erste Mann, dessen Verurteilung wegen Beihilfe zum massenhaften Mord in Auschwitz vom BGH bestätigt wurde. Der Schuldspruch gegen den 95-Jährigen sei rechtskräftig, sagte Grönings Verteidiger Hans Holtermann am Montag in Karlsruhe. Das BGH bestätigte dies (Az. 3 StR 49/16).
    Vier Jahre Haft
    Gröning war im Juli 2015 in einem der letzten großen Auschwitz-Prozesse vom Landgericht Lüneburg zu vier Jahren Haft verurteilt worden. Zwischen 1942 und 1944 gehörte er zum SS-Verwaltungspersonal des größten deutschen Konzentrations- und Vernichtungslagers. Der ehemalige Buchhalter hatte eingeräumt, das Geld der verschleppten Juden verwaltet und die Ankunft der Transporte mit beaufsichtigt zu haben. Das Gericht wertete das als Beitrag zum Funktionieren der nationalsozialistischen Tötungsmaschinerie.
    Damit wurde der Mitarbeiter der Devisenabteilung sieben Jahrzehnte nach dem Holocaust wegen Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen verurteilt, ohne dass er an einzelnen Mordtaten direkt beteiligt war. Revision dagegen eingelegt hatten Gröning selbst sowie mehrere Nebenkläger.
    Lager Auschwitz-Birkenau im Nebel
    Im Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau wurden hunderttausende Menschen von den Nazis ermordet. (picture alliance / zb / Fritz Schuhmann)
    Mit dem Karlsruher Beschluss wäre nun der Weg frei, um weiteren hochbetagten Handlangern des NS-Regimes den Prozess zu machen. Einige können auch nach so langer Zeit noch ausfindig gemacht werden. Im August hatte die Zentrale Stelle zur Aufklärung nationalsozialistischer Verbrechen acht mutmaßliche Nazi-Kriegsverbrecher aufgespürt. Die vier Männer waren als Wachleute, die vier Frauen als Schreibkraft, Telefonistin oder Fernsprechvermittlerin in dem KZ Stutthof bei Danzig tätig. Auch ihnen wird wie Gröning Beihilfe zum Mord vorgeworfen.
    Gröning befindet sich bislang auf freiem Fuß, weil das Urteil gegen ihn noch nicht rechtskräftig war. Nun muss die Staatsanwaltschaft als Strafvollstreckungsbehörde in einem separaten Verfahren darüber entscheiden, ob er haftfähig ist und seine Strafe verbüßen muss. Allgemein gilt dies in Anbetracht seines Alters als unwahrscheinlich.
    Demjanjuk-Prozess als Wende in Rechtsprechung
    Jahrzehntelang wurden in Auschwitz am Holocaust Beteiligte nicht zur Verantwortung gezogen, weil sie zwar Rad im Getriebe waren, aber nicht selbst getötet hatten. Eine Wende leitete erst das Münchner Urteil gegen den früheren Sobibor-Aufseher John Demjanjuk 2011 ein. Dessen Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord an 28.000 Juden wurde nie rechtskräftig, weil Demjanjuk vorher in einem Pflegeheim starb.
    (fwa/jasi)