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Bundesgesundheitsministerin: Keine Impfpflicht, sondern ein Impfangebot

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt erwartet den Abschluss der klinischen Studien zum Impfstoff gegen den Schweinegrippe-Virus spätestens Anfang Oktober. Dann könne sich jeder, der wolle, impfen lassen, sagte die SPD-Politikerin.

Ulla Schmidt im Gespräch mit Jochen Spengler | 19.08.2009
    Jochen Spengler: 12.500 Menschen in Deutschland haben sich bislang mit der Schweinegrippe infiziert. Zwar ist das H1N1-Virus hoch ansteckend, der Verlauf der Krankheit selbst ist bislang allerdings eher moderat. Die Bundesregierung will heute dennoch die rechtlichen Voraussetzungen für die geplante Massenimpfung ab Ende September gegen die Schweinegrippe schaffen.

    Die gesetzlichen Krankenkassen tragen also die Impfkosten für die ersten 35 Millionen Bürger. Erst wenn sich noch mehr Bürger impfen lassen wollen, springt der Staat ein. Die Kassen haben versprochen, keine Zusatzbeiträge zu erheben. Nun will die gemeinsame Betriebskrankenkasse Köln für ihre 30.000 Versicherten doch acht Euro pro Monat kassieren. - Am Telefon begrüße ich Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt. Guten Morgen, Frau Schmidt.

    Ulla Schmidt: Guten Morgen!

    Spengler: Das ist der erste Zusatzbeitrag, den eine Kasse erhebt. Ist das schon ein Verstoß gegen die Absprache mit Ihnen?

    Schmidt: Nein. Wenn die Kasse einen Zusatzbeitrag erheben muss, ist es die einzige, die wir in Deutschland haben, aber dann hätte sie diesen Zusatzbeitrag erheben müssen, ob mit oder ohne Impfen, denn pro Impfung fallen ja für einen Versicherten rund acht Euro an, wenn man es auf die Gesamtzahl der Versicherten überträgt, und bei der geringen Anzahl hat das nichts mit dem Zusatzbeitrag zu tun, sondern eventuell etwas mit der Finanzlage der Kasse und da wäre das beste, die Kasse sucht sich einen Fusionspartner, denn so haben auch andere Kassen verhindern können, dass sie Zusatzbeiträge erheben müssen.

    Spengler: Über die Risikogruppen hinaus, die wir schon erwähnt haben, die zunächst geimpft werden sollen, wem empfehlen Sie noch eine Impfung?

    Schmidt: Wir sagen, jeder, der geimpft werden möchte, der kann geimpft werden. Ich persönlich würde die Impfung von Kindern weiter verschieben, weil die klinischen Studien an Kindern wahrscheinlich erst im Frühjahr nächsten Jahres fertig sind. So waren meine Informationen, das weiß ich nicht. Aber jeder Erwachsene, der geimpft werden will, kann geimpft werden. Wir starten nur, dass wir sagen, erst mal das Personal und dann die Risikogruppen vorrangig, aber keiner wird ausgeschlossen.

    Spengler: In den USA, Frau Schmidt, sollen Schwangere und Kleinkinder auf keinen Fall mit dem neuartigen Zusatzstoff geimpft werden, der in Europa zum Einsatz kommt. Können Sie denn die Sicherheit des Impfstoffes garantieren?

    Schmidt: Ich kann nur das garantieren, was die Experten auch bei der Zulassung sagen. Bisher gehören laut Weltgesundheitsorganisation Schwangere zu den Gruppen, die auch besondere Risikogruppen sind. Ich glaube aber, dass in jedem Einzelfall dort auch die ärztliche Beratung stattfinden muss, und im Moment laufen ja erst die klinischen Tests. Deswegen haben wir auch jetzt keinen Impfstoff, obwohl er produziert werden könnte, sondern wir wollen warten, bis die klinischen Tests abgeschlossen sind, und dann muss man auch die Empfehlungen der Experten hören, denn die schlagen ja vor, wer ist eine Risikogruppe, wer sollte geimpft werden. Bisher gehören Schwangere eben auch zu den besonderen Risikogruppen.

    Spengler: Also auf keinen Fall eine Impfempfehlung für alle. Es gibt ja Forscher die sagen, dass die Sicherheit und die Wirksamkeit dieses neuartigen Impfstoffs erst während der Massenimpfung selbst untersucht werden kann. Ist denn das Schweinegrippen-Virus nicht zu harmlos, um überhaupt solch einen gigantischen Menschenversuch zu riskieren?

    Schmidt: Es ist kein gigantischer Menschenversuch. Im Moment verläuft die Grippe sehr milde, aber in allen anderen Pandemien, die vorhergegangen sind, war es eine erste milde Welle. Die zweite Welle war mit einem viel aggressiveren Virustyp ausgestattet und dann gab es eine dritte Welle, in der das ganze wieder abflachte. Alle Experten befürchten, dass durch die saisonale Grippe auch jetzt auf der Südhalbkugel und durch die massenhafte Verbreitung - wir haben ja eine sprunghafte Verbreitung des Virus - eine Veränderung des Virus auch hin zu einer aggressiveren Gestaltung und auch Auswirkung passieren kann. Insofern müssen wir vorsorgen und bei allen Infektionskrankheiten ist Impfen der beste Schutz.

    Im Moment finden die klinischen Studien statt und sobald der Impfstoff zugelassen ist - das wird ja noch bis Ende September, Anfang Oktober dauern nach unseren bisherigen Informationen -, kann dann auch mit einer Impfung begonnen werden und jeder kann ja auch für sich selbst entscheiden. Es gibt ja keine Impfpflicht, sondern ein Impfangebot für alle.

    Spengler: Frau Schmidt, wir sprechen im Deutschlandfunk mit der Bundesgesundheitsministerin, die in diesen Wochen auch noch mit der Dienstwagengeschichte zu tun hat. Werden Sie den Rechnungshof einschalten, um auch Ihre Spanien-Urlaube 2006 bis 2008 zur Prüfung vorzulegen? Das fordert die FDP.

    Schmidt: Ich bin nächste Woche im Haushaltsausschuss und dort können die Fragen auch beantwortet werden. Ich von meiner Seite aus sehe überhaupt keine Veranlassung dazu, aber ich gehe in den Haushaltsausschuss.

    Spengler: Brauchen wir eine neue Dienstwagenverordnung, so wie Sie es vorgeschlagen haben, oder einfach mehr Fingerspitzengefühl?

    Schmidt: Das weiß ich nicht. Wenn eine Richtlinie angewandt wird, so wie sie auch dargelegt ist, auch die Einkommenssteuerregeln so angewandt werden, wie sie vorgeschrieben sind, und wenn das dann doch zu solchen Diskussionen führt, dann habe ich gesagt, dann muss man die Richtlinie überprüfen: Gibt es da irgendwo Dinge drin, die vielleicht nicht zueinander passen. Aber es ist ja schwer möglich zu sagen, wenn man sich genau an das hält, was dort steht, dann führt das zu solchen Verunsicherungen.

    Spengler: Es sagen ja alle, Sie haben sich daran gehalten, Frau Schmidt. Aber war es denn auch wirtschaftlich angemessen, wegen einiger Termine einen Dienstwagen tausende Kilometer in den Urlaub nachkommen zu lassen?

    Schmidt: Es sind gar nicht einige Termine, sondern ich gehe regelmäßig an den gleichen Ort und im Laufe der Jahre haben die Menschen dort auch ihre Probleme an mich herangetragen, die sind immerhin hier Beitragszahler. So hat sich daraus entwickelt: Ich bin auch dort an dem Ort, wenn ich mal zur Ruhe kommen muss, und ich habe nebenbei genau die Arbeit gemacht, wie ich sie hier auch mache. Jetzt kann man darüber streiten, war das klug oder nicht. Vielleicht fährt man lieber drei Wochen irgendwo in Urlaub und das andere macht man nicht. Darüber kann man ja reden. Aber ich habe keinen Dienstwagen genutzt, um ihn für mich privat zu haben, sondern habe versucht, die Probleme der dort lebenden Deutschen, die die haben in Bezug auf die Krankenversorgung, auf die Pflegeversorgung, auch mit deutschen Organisationen, die dort tätig sind, mit Pfarrern und so weiter zu regeln, damit wir Lösungen finden für Menschen, die hier zahlen, die Beitragszahler sind, damit sie wenigstens dort auch im Alter das erhalten können, was geht im grenzüberschreitenden Austausch. Es geht nicht nur um einige Termine, wie das immer dargestellt wird, sondern das ist schon eine sehr intensive Arbeit gewesen, über die Jahre aufgebaut.

    Spengler: Ulla Schmidt, die Bundesgesundheitsministerin und SPD-Mitglied. Danke für das Gespräch, Frau Schmidt.

    Schmidt: Bitte schön.