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Bundeshaushalt 2015
Umstrittene Schwarze Null

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble will im kommenden Jahr auf neue Schulden im Bundeshaushalt verzichten. Rückendeckung erhält Schäuble dafür aus den Koalitionsfraktionen. Die Opposition im Bundestag bezeichnet den von der Großen Koalition eingeschlagenen Weg der Haushaltskonsolidierung hingegen als verfehlt.

Von Theo Geers | 22.12.2014
    "Das kann keine seriöse Haushaltpolitik sein – das ist der Versuch ein Denkmal zu setzen."
    "Das hat mit Denkmal wenig zu tun."
    Zwei Stimmen, zwei Urteile – Angriffslustig Dietmar Bartsch von den Linken, unwirsch, fast mürrisch Wolfgang Schäuble. Beide reden in einem historischen Moment über eine historische Zahl: Die erste Null bei der Neuverschuldung in einem Bundeshaushalt seit 1969. Damals hieß der Finanzminister Franz-Josef Strauß, ihm fiel der ausgeglichene Bundeshaushalt allerdings eher unverhofft in den Schoß: Weil die Konjunktur im Jahresverlauf anzog, musste Strauß die eigentlich eingeplanten neuen Schulden doch nicht aufnehmen.
    Neuschuldung Null
    Am Ende stand sogar ein Haushaltsüberschuss von damals 500 Mark. Seitdem kam keine Regierung mehr ohne neue Schulden aus. Den Minusrekord und damit den Gegenpol zu 1969 markiert das Jahr 2010. Im Nachgang auf die Finanzkrise plante die Regierung anfangs mit einer Neuverschuldung von 80,2 Mrd. Euro ein, am Ende kam es weniger schlimm, aber es standen immer noch tiefrote 44,3 Mrd. Euro unter dem Haushaltsabschluss. Finanzminister damals wie heute: Wolfgang Schäuble. In nur fünf Jahren hat er das Kunststück vollbracht – Neuschuldung Null.
    "Im Haushaltsjahr 2015 nimmt der Bund keine Kredite zur Deckung von Ausgaben auf."
    Geradezu genüsslich zitiert der CDU-Haushaltsexperte Norbert Barthle diesen einen entscheidenden Satz aus dem Haushaltsgesetz, um dann hinzuzufügen:
    "Wir schreiben mit diesem Haushalt 2015 in dieser Großen Koalition Geschichte."
    Die Geschichte dieser schwarzen Null ist leicht erzählt. Unnachgiebig haben Schäuble und die Haushälter aus Union und FDP und jetzt SPD in den letzten fünf Jahren viele Ausgabenwünsche abgewehrt, die Ausgaben des Bundes gedeckelt und immer in der Nähe von 300 Mrd. Euro gehalten. Gleichzeitig haben sie fünf Jahre darauf vertraut, dass die Steuereinnahmen steigen, sich so die Lücke im Haushalt von alleine schließt.
    Zwei unterschiedliche wirtschaftliche Denkschulen
    Im kommenden Jahr ist es so weit: 299,5 Mrd. Euro stehen auf der Ausgabenseite, 278,5 Mrd. Euro davon sind durch Steuern gedeckt, die restlichen 20 Mrd. entfallen auf die sonstigen Einnahmen wie den Bundesbankgewinn, die LKW-Maut oder auf Privatisierungen. Unumstritten ist die Schwarze Null allerdings nicht. Sie steht im Kreuzfeuer zweier wirtschaftspolitischer Denkschulen. Für die eine steht beispielsweise der Wirtschaftsforscher Marcel Fratscher, Präsident des DIW:
    "Wir müssen realisieren, dass wir in den letzten 15 Jahren knapp 500 Mrd. Euro an Nettovermögen des Staates verloren haben und das muss man der schwarzen Null gegenüberstellen. Letztlich bedeutet dieser Vermögensverlust, dass wir nach wie vor von der Substanz leben."
    Zu wenige Investitionen
    Die schwarze Null steht danach für zu wenig Investitionen, für zu viele Griffe in die Sozialkassen oder auch das Mitnehmen ungerechtfertigter Steuereinnahmen etwa durch die kalte Progression. Solche Vorwürfe perlen an der anderen wirtschaftspolitischen Denkschule ab, der Wolfgang Schäuble erklärtermaßen anhängt:
    "Eine nachhaltige verlässliche Finanzpolitik, die Wort hält, ist ein Anker für Vertrauen. Und Vertrauen ist in einer Zeit, in der die wirtschaftliche Lage höchst fragil ist, ein ganz wichtiges Kapital für eine nachhaltige stabile Entwicklung."
    Schäuble geht es geht es nicht um mehr Staatsausgaben, mit denen nur konjunkturelle Strohfeuer entfacht werden. Es geht nach der Finanzkrise immer noch ums Wort halten, ums Schulden reduzieren und ums Haushalte in Ordnung bringen. Deshalb blickt nicht nur der Finanzminister nach vorn.
    "Wichtig ist, dass wir in den nächsten Jahren, in 2016,17,18,19,20, auch keine neuen Schulden machen – trotz der Risiken, die auch dieser Haushalt hat."
    ...sagt der SPD-Haushaltsexperte Johannes Kahrs mit Blick auf die erste schwarze Null in dieser Reihe. Auch Wolfgang Schäuble weiß, dass die schwarze Null 2015 über 12 lange Monate zu bringen ist, doch sein Anspruch geht darüber hinaus.
    "Es ist eine Verpflichtung. Eine Verpflichtung für die Zukunft. Daran werden wir alle gemessen werden."