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Bundesnachrichtendienst
Bundesverfassungsgericht prüft Abhörpraxis im Ausland

Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe verhandelt ab Dienstag über eine Klage von Journalisten. Sie klagen gegen den Bundesnachrichtendienst (BND) wegen seiner Abhörpraxis im Ausland. Aus ihrer Sicht betreibe der BND eine grundrechtswidrige "weltweite Massenüberwachung" im Internet.

Von Gudula Geuther | 14.01.2020
Das Logo des Bundesnachrichtendienstes durch eine Glastür betrachtet.
Das Bundesverfassungsgericht prüft, welche Befugnisse der deutsche Auslandsgeheimdienst (BND) beim Ausspähen und Abhören von Nicht-Deutschen hat. (picture alliance / dpa / Reuters Pool)
Verhandeln werden die Verfassungsrichter über das BND-Gesetz. Das gibt dem Auslandsnachrichtendienst sehr weitgehende Befugnisse, um Ausländer im Ausland zu belauschen. Das Gesetz ist gerade mal drei Jahre alt - die Praxis des Bundesnachrichtendienstes ist sehr viel älter.
Öffentlich breiter bekannt wurde sie im NSA-Untersuchungsausschuss, nach den Enthüllungen Edward Snowdens. Und breiter bekannt wurde damals auch: Für diese - wie die Opposition es nannte - weltweite Massenüberwachung hatte der BND keine gesetzliche Grundlage. Zumindest das änderte sich in der Folge.
Edward Snowden im Dlf-Interview
2013 ging Edward Snowden mit geheimen Dokumenten an die Öffentlichkeit, die eine massenhafte Überwachung durch US-Geheimdienste enthüllte. Im Dlf kritisierte er, dass es für Quellen investigativer Recherche immer schwieriger werde.
Geringe Hürden für Überwachung
Mit den Stimmen der Großen Koalition erließ der Bundestag 2016 das neue BND-Gesetz. Unter anderem eben mit der Befugnis, Kommunikationsströme mit Suchbegriffen zu durchforsten, mit sehr geringen Hürden, solange diese Kommunikation nicht in, von oder nach Deutschland stattfindet.
Es sei unabdingbar, befand im Bundestag der damalige Vorsitzende des Untersuchungsausschusses, der CDU-Politiker Clemens Binninger:
"Dass der BND - eine andere Chance hat er nämlich nicht - die Datenströme im Ausland, in einer Krisenregion zwischen zwei ausländischen Gesprächspartnern, analysieren können muss. Wie wollen wir denn auch Terrorverdächtige kommen? Wie wollen wir sie denn entdecken, wenn ich so?"

Von Anfang an erhob die Opposition den Vorwurf, das Gesetz sei verfassungswidrig. So nun auch die Verfassungsbeschwerdeführer. Die Organisation Reporter ohne Grenzen, Journalisten und ein Menschenrechtsanwalt, koordiniert von der Gesellschaft für Freiheitsrechte, sehen ihre Grundrechte verletzt. Ihr rechtlicher Vertreter ist der Staatsrechtsprofessor Matthias Bäcker.
Der Vorsitzende des Parlamentarischen Kontrollgremiums, Clemens Binninger, spricht in Mikrofone.
Der CDU-Politiker Clemens Binninger. (imago / Christian Ditsch)
"Die Grundfrage, die sich in diesen Verfahren stellt, ist letztlich, ob deutsche Grundrechte, insbesondere das Fernmeldegeheimnis des Grundgesetzes, auch Ausländerinnen und Ausländer im Ausland schützen. Wenn man diese Frage bejaht, dann reicht es nicht, dass uns irgendein Gesetz gibt, dass die Aufklärung legitimiert, sondern dieses Gesetz muss auch bestimmten Anforderungen genügen. Es muss hinreichenden Anlass dafür geben, die Aufklärung durchzuführen. Es muss eine hinreichende Kontrollen geben. Das ist alles nicht der Fall, sondern im Gesetz steht im Wesentlichen drin: Der BNG darf tun, was er will. Er darf aufklären, wie er es für richtig hält. Das ist rechtsstaatlich nicht ausreichend."
Fernmeldegeheimnis vieler Menschen wird verletzt
Potentiell, so argumentiert er in der Verfassungsbeschwerde, würde das Fernmeldegeheimnis vieler Menschen verletzt. Besonders deutlich würde das bei Berufsgeheimnisträgern - wie eben Journalisten, erläutert Matthias Bäcker.
"Denn diese Personen kommunizieren mit Quellen, und für die Quellen kann das gefährlich sein, sich an die Journalisten zu wenden. Die können dann Repressionen ausgesetzt sein. Die können sich im schlimmsten Fall in Gefahr für Leib und Leben begeben."
BND im Ausland: Datensammeln wie ein Staubsauger (5:47)
Den Klägern gehe es um Verhältnismäßigkeit und den Schutz für Berufsgeheimnisträger, erklärt Gudula Geuther in @mediasres. Man könne sich das Datensammeln wie bei einem Staubsauger vorstellen, der erstmal alles aufsaugt, bevor der Beutel untersucht wird.
Die Verfassungsbeschwerde geht weit über diese Grundfrage hinaus. Wie dürfen Daten ausgetauscht werden? Können Deutsche überhaupt, wie es sein müsste, geschützt werden? Können sie nicht, sagen die Beschwerdeführer, unter denen auch ein Deutscher ist. Der BND hält dagegen – und auch die Bundesregierung und ihr Sprecher Steffen Seibert.
"Wir sind überzeugt, diese Ausland-Ausland-Fernmeldeaufklärung, genau wie die Kooperation mit ausländischen öffentlichen Stellen, sind unverzichtbare Instrumente zur Erfüllung des gesetzlichen Auftrags, den der BND hat."
Für Krisensituationen ja, aber bitte nicht uferlos
Mehr als jede dritte Meldung der Technischen Aufklärung stamme aus der Auslands-Auslands-Aufklärung, schreibt die Bundesregierung ans Gericht und warnt davor, die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung gerade in Krisensituationen und bei der Bewältigung übergreifender Gefahrenphänomene zu schwächen.
Auch die ehemaligen BND-Präsidenten August Hanning und Gerhard Schindler warnen eindringlich. Für Krisensituationen, sagen dagegen die Kläger, für Krisenregionen, für Einsatzorte der Bundeswehr, könne man ja die Befugnis zum Durchforsten zugestehen, aber eben nicht uferlos. Bis zu zwei Tage lang wollen die Richter verhandeln. Ein Urteil wird Monate später fallen.