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Bundespräsident
Gauck verzichtet auf zweite Amtszeit

Joachim Gauck macht Schluss: Er werde aus Altersgründen keine weiteren fünf Jahre als Bundespräsident zur Verfügung stehen, sagte er bei einer Pressekonferenz im Schloss Bellevue. Die Entscheidung sei ihm nicht leicht gefallen. Zahlreiche Politiker würdigten Gaucks Arbeit der letzten Jahre.

06.06.2016
    Bundespräsident Joachim Gauck bei seiner Pressekonferenz im Schloss Bellevue.
    Bundespräsident Joachim Gauck tritt nicht für eine zweite Amtszeit an. (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
    In seiner Erklärung begründete der 76-Jährige den Schritt am Mittag mit seinem Alter. Er könne die für das Amt notwendige "volle Energie und Vitalität" nicht für weitere fünf Jahre gewährleisten, da er am Ende der zweiten Amtszeit 82 Jahre alt wäre. Für ihn sei es eine große Ehre, dem Land zu dienen, und er freue sich auf die nächsten Monate, so der Bundespräsident, und werde seine Aufgaben weiter "mit Hingabe und mit Freude erfüllen". Er dankte denjenigen, die sich für eine zweite Amtszeit ausgesprochen hätten. So hatten sich etwa Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und SPD-Chef Sigmar Gabriel für einen Verbleib Gaucks im Amt stark gemacht.
    Merkel dankte Gauck für seine Arbeit und kündigte an, eine Entscheidung für einen Kandidaten erst in einigen Monaten treffen zu wollen: "Wir werden jetzt in aller Ruhe - wir haben ja noch zwei Landtagswahlen zu bestehen - dann im Lichte der Zusammensetzung der Bundesversammlung die geeigneten Entscheidungen treffen." Dazu würden Gespräche zwischen CDU und CSU und "darüber hinaus" geführt. "Ich glaube, jetzt freuen wir uns erst noch mal auf ein paar Monate Amtszeit von Bundespräsident Gauck."
    Gabriel bedauert Gaucks Entscheidung: "Er hat das eingehalten, was wir damals wussten oder uns gedacht haben - dass er Ecken und Kanten hat."
    "Er hat dem Amt Würde zurückgegeben"
    Zahlreiche weitere Politiker würdigten Gaucks Wirken als Bundespräsident. Er sei ein "guter und mutiger Präsident" gewesen, sagte der Grünen-Politiker Jürgen Trittin im Deutschlandfunk. So habe er schon lange vor dem Bundestag den Völkermord an den Armeniern vor mehr als 100 Jahren als solchen bezeichnet. Die Grünen hatten Gauck 2012 als Bundespräsidenten vorgeschlagen.
    Sowohl Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) als auch Grünen-Politikerin Renate Künast sagten, Gauck habe dem Amt des Bundespräsidenten seine Würde zurückgegeben. CSU-Chef Horst Seehofer äußerte sich mit Bedauern zu Gaucks Amtsverzicht. "Gauck hat eine herausragende Arbeit für unser Land geleistet", so Seehofer. Er habe den Menschen Orientierung gegeben und sie zusammengeführt.
    Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) betonte Gaucks Bedeutung für die neuen Bundesländer: "Für uns als Ostdeutsche war er auch ein Zeichen dafür, dass die Deutsche Einheit damit auch gelungen ist," so Haseloff.
    Zitate aus Joachim Gaucks Amtszeit:

    "Richtet Eure Unzufriedenheit und Eure Wut nicht gegen jene, die viel schwächer und verletzlicher sind als Ihr es seid! Isoliert die Hetzer, die Brandstifter und Gewalttäter. Wenn ihr protestieren wollt, dann achtet die Regeln! Werdet meinetwegen laut gegenüber Euren Bürgermeistern, Abgeordneten, Ministern. Aber hört dann auch denen zu, was sie Euch zu sagen haben." (Am 26. Februar 2016 bei einer Podiumsdiskussion im Schloss Bellevue zu Angriffen auf Flüchtlinge)

    "Wir wollen helfen. Unser Herz ist weit. Doch unsere Möglichkeiten sind endlich." (Am 27. Januar 2015 in Mainz beim Festakt zum Start der Interkulturellen Woche)

    "Euer Hass ist unser Ansporn." (Am 23. März 2012 nach seiner Vereidigung im Bundestag über Rechtsextremisten)

    "Manchmal kann auch der Einsatz von Soldaten erforderlich sein." (Am 31. Januar 2014 auf der Münchner Sicherheitskonferenz)

    "Gerade weil wir Deutsche uns der Last und der Schuld der Geschichte gestellt haben, gilt für uns, gilt auch für mich: Wir feiern gemeinsam mit allen die Befreiung vom nationalsozialistischen Joch." (Am 5. Mai 2012 beim Festakt zur Befreiung der Niederlande von der Naziherrschaft in Breda)
    Vor der offiziellen Erklärung Gaucks hatte es bereits Spekulationen über den Schritt gegeben. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Stephan Mayer, sprach sich für einen gemeinsamen Kandidaten der Großen Koalition aus, für den Fall dass sich Gauck zurückziehe. Gerade in der jetzigen Zeit sei es wichtig, jemanden zu finden, der breite Teile der Gesellschaft vertrete und integrativ wirke, sagte Mayer im Deutschlandfunk. Es wäre ein falsches Signal, könnten sich Union und SPD nicht auf einen Kandidaten einigen.
    Linkspartei will rot-rot-grünen Kandidaten
    SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte gefordert, bis zur offiziellen Erklärung Gaucks mit einer Debatte über einen möglichen Nachfolger zu warten. Er finde es unangemessen, darüber zu spekulieren, sagte Gabriel im ARD-Fernsehen.
    Die Linke-Chefs Katja Kipping und Bernd Riexinger forderten SPD und Grüne auf, "eine gemeinsame Kandidatin oder einen gemeinsamen Kandidaten ins Rennen zu schicken".
    Der frühere evangelische Pfarrer Gauck, der aus Rostock stammt, war 2012 zum Nachfolger des zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff gewählt worden. Von 1990 bis 2000 war er Leiter der Stasi-Unterlagenbehörde.
    Die Bundesversammlung wählt das Staatsoberhaupt für fünf Jahre. Die nächste Präsidentenwahl ist für den 12. Februar 2017 angesetzt.
    (bor/cvo/jasi)