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Tod durch Bleivergiftung
Verbot von Bleischrot beim Jagen könnte scheitern

Aus vielen Bereichen wurde Blei verbannt. Nur bei der Jagd wird das giftige Metall in Munition noch häufig eingesetzt. Die Folge: Hunderttausende Vögel sterben an einer Bleivergiftung. Die EU stimmt nun über ein Verbot ab, was aber an einem Streit in der deutschen Bundesregierung scheitern könnte.

Von Benjamin Dierks | 13.07.2020
Ein Jäger steckt eine Patrone mit bleihaltiger Munition in seine Flinte.
Beim Jagen kommt bleihaltige Munition noch häufig zum Einsatz. Durch die Folgen sterben jedes Jahr hunderttausende Tiere in der EU. (picture-alliance/ ZB / Patrick Pleul)
Der Wildtierforscher Oliver Krone war gerade im Naturpark Nossentiner/Schwinzer Heide, ein grünes Paradies, das zur Mecklenburgischen Seenplatte gehört. Aber Krone war nicht zum Vergnügen in diesem Wald-, See-, und Flussgebiet. Auf der Rückfahrt berichtet er aus dem Auto vom traurigen Anlass seines Besuchs.
"Ich habe gerade zwei tote Seeadler abgeholt, die dort gefunden wurden. Die sind nach wie vor auch dort selten und bedroht. Deswegen ist jeder Wegfall eines adulten Vogels ein Problem, weil dann auch das lokale Brutpaar keinen Nachwuchs produzieren kann. Und häufig genug sterben die Seeadler nach wie vor an einer Bleivergiftung."
27.04.2020, Berlin: Svenja Schulze (SPD), Bundesministerin für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, sitzt hinter einem Schreibtisch. Im Vordergrund ist eine Videokamera zu sehen.
Umweltministerin Schulze: "Wichtig, dass Blei bei der Jagd eingeschränkt wird"
Die EU will den Einsatz von Bleimunition bei der Jagd verbieten. Zwar wurde das Abstimmungsverfahren vorerst verschoben, Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) ist jedoch zuversichtlich, dass durch die deutsche Zustimmung ein Verbot zustande kommt.
Tod durch Bleivergiftung
Grund dafür ist bleihaltige Jagdmunition, vor allem Bleischrot, mit dem Enten und Gänse aber auch invasives, also gebietsfremdes Wild wie Marderhunde und Waschbären geschossen werden. Der Seeadler frisst liegengebliebene Innereien von Wildtieren oder nur angeschossene und dadurch geschwächte Vögel. So gelangt das hochgiftige Blei in seinen Organismus und kann ihn erblinden oder ersticken lassen. Oliver Krone ermittelt die Todesursachen am Berliner Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung.
"Jeder dritte tot aufgefundene Seeadler ist an einer Bleivergiftung gestorben. Und in vielen Fällen finden wir noch Geschossrückstände im Magen oder im Kopf des Seeadlers."
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Rund 20.000 Tonnen Blei aus Jagdmunition landen in der EU jedes Jahr in der Landschaft, überschlägt die Europäische Chemikalienagentur. Eine Million Wasservögel stürben jedes Jahr daran. Das Blei belastet auch Mensch und Umwelt. Deshalb will die EU-Kommission nun zumindest die Verwendung von Bleischrot in Feuchtgebieten europaweit verbieten.
Aber das Verbot droht zu scheitern. Denn Deutschland hat angekündigt, sich zu enthalten. Der Grund: Das Bundesumweltministerium und das Landwirtschaftsministerium können sich nicht einigen. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) hat eigens einen Brief an ihre christdemokratische Amtskollegin aus dem Agrarressort, Julia Klöckner, geschrieben, um sie von dem Verbot zu überzeugen. Aber die sperrt sich — zum Ärger von Umweltschützern.
"Wir glauben, dass das Ministerium sehr nah an der Jagdlobby und insbesondere auch an Einzelinteressen gelagert ist. Wir bitten dringend die Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner diesem europaweiten Verbot von bleihaltiger Munition in Feuchtgebieten zuzustimmen," sagt Diana Pretzell von der Umweltschutzorganisation WWF.
Wie schnell tötet Bleimunition?
Das Landwirtschaftsministerium hält auf Anfrage dagegen, dass bleifreies Stahlschrot Tiere womöglich nicht so schnell töte wie Bleischrot und deshalb dem Tierschutz entgegenstehe. Das Ministerium beruft sich auf Studien der Deutschen Versuchs- und Prüfanstalt für Jagd- und Sportwaffen, kurz DEVA. Es gibt aber ebenso Studien, die zu dem Schluss kommen, dass man sehr wohl ohne Blei auskomme.
In Deutschland ist das Jagen mit Bleischrot in und über Gewässern in allen Bundesländern bis auf Hamburg und Bremen ohnehin längst verboten. Das Ministerium stößt sich allerdings auch daran, dass die EU mit dem Begriff Feuchtgebiete und einer Pufferzone darum eine größere Verbotszone ziehe als es die enger definierten Gewässer seien, für die das Verbot bisher in Deutschland gelte. Damit folgt Ministerin Klöckner den Argumenten des Deutschen Jagdverbands.
"Wenn es nach der Definition der EU-Kommission geht, dann wäre auch eine Wasserpfütze auf einem Acker oder der Goldfischteich in Nachbars Garten ein Feuchtgebiet. Und überall dort wäre dann eben auch der Einsatz von Bleischrot verboten," sagt Torsten Reinwald vom Deutschen Jagdverband.
Allerdings ist auch die Jägerschaft in dieser Frage uneins. Elisabeth Emmert, die Vorsitzende des Ökologischen Jagdverbands, stört sich nicht an der Formulierung der EU-Kommission: "Wir wären dafür, dass man überhaupt auf Bleischrot und Bleimunition verzichtet. Deshalb sehe ich das nicht als Problem. Das ist halt ein Problem für die, die an sich weiter mit Blei jagen wollen."