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Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
Karl Wilhelm Fricke erhält Preis für journalistisches Lebenswerk

Der Publizist und langjährige Deutschlandfunk-Redakteur Karl Wilhelm Fricke ist von der Bundesstiftung für die Aufarbeitung der SED-Dikatur geehrt worden. Die Stiftung würdigte Fricke, selbst DDR-Entführungsopfer, für seine saubere journalistische Arbeit im Kampf für Freiheit, Demokratie und Zivilcourage.

Von Claudia van Laak | 15.06.2017
    Karl Wilhelm Fricke
    Journalist und Publizist Karl Wilhelm Fricke wurde am 15. Juni 2017 für sein Lebenswerk mit dem Aufarbeitungspreis der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur ausgezeichnet. (picture alliance / dpa )
    Der Arm der Stasi war lang. Das Ministerium für Staatssicherheit verfolgte nicht nur vermeintliche Feinde innerhalb der DDR-Grenzen, es ließ auch etwa 400 Menschen in Westberlin, in der Bundesrepublik und im Ausland entführen. Eines dieser Entführungsopfer war Karl Wilhelm Fricke - im April 1955 ließ sich der Journalist für eine Recherche in eine Wohnung in Westberlin locken. "Und in dieser Wohnung wurde mir ein Betäubungsmittel verabreicht, und zwar in einem kleinen Cognac, und das war mein Verhängnis."
    Denn so konnte ihn die Stasi nach Ostberlin entführen. Nach 15 Monaten in der Untersuchungshaftanstalt des Ministeriums für Staatssicherheit in Hohenschönhausen verurteilte ihn ein DDR-Gericht wegen - Zitat - Kriegs- und Boykotthetze - zu vier Jahren Zuchthaus.
    Mit journalistischen Mitteln gegen das Regime
    "Ich kam aus der Haft mit der festen Überzeugung, noch viel stärker mit journalistischen Mitteln, aber ohne Agitation und ohne Ressentiments zu arbeiten. Und das beste Kompliment, das mir ein Kollege vom Westdeutschen Rundfunk mal gemacht hat, das war dieses: Er sah auf einem Buchumschlag von mir einen Kurzlebenslauf von mir und sagte: 'Was, Sie waren in politischer Haft, das hat man ja Ihrer Arbeit nicht angemerkt.' Ich sagte: 'Lieber Kollege, das ist das beste Kompliment, das Sie mir machen konnten'."
    Nach vier Jahren Einzelhaft wurde Karl Wilhelm Fricke in die Bundesrepublik entlassen. Schnell nahm er seine journalistische und publizistische Tätigkeit wieder auf, seine Bücher über die sowjetischen Speziallager in der DDR, über Widerstand und Opposition im anderen Teil Deutschlands, über die Staatssicherheit, sie sind bis heute Standardwerke. "Ich wollte gegen das Regime anschreiben."
    "Kein Kalter Krieg im Rundfunk"
    Karl Wilhelm Fricke arbeitete von 1970 bis 1994 im Deutschlandfunk, als Leiter der Ost-West-Abteilung und stellvertretender Chefredakteur. "Der Deutschlandfunk war Rundfunk im Kalten Krieg, aber er hat keinen Kalten Krieg im Rundfunk gemacht."
    Eigentlich sollte der mittlerweile 87-Jährige den Preis der Stiftung Aufarbeitung heute in Berlin persönlich entgegennehmen. Aus gesundheitlichen Gründen musste er kurzfristig absagen - die Laudatio von Rainer Eppelmann, dem Vorstandsvorsitzenden der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur konnte Fricke also nicht hören. "Für uns in der DDR war dieser Kontakt mit westlichen Journalisten und Politikern ungemein wichtig. Er bedeutete Schutz und er bedeutete zugleich auch, dass wir nicht vergessen waren - in unserem Bemühen um Menschenrechte und demokratische Freiheitsrechte. Sondern erstgenommen wurden, und dadurch wertvolle und wichtige Unterstützung fanden."
    Mit journalistischen Mitteln gegen die Diktatur angeschrieben
    Rainer Eppelmann - früher Pfarrer in der Ostberliner Samariterkirche und letzter freigewählter Verteidigungsminister der DDR - lobte, dass Karl Wilhelm Fricke trotz seiner Entführung und der vier Jahre währenden Einzelhaft nie eine Abrechnung mit dem SED-Regime im Sinne gehabt habe, keine Vergeltung.
    Anna Kaminsky, Geschäftsführerin der Stiftung Aufarbeitung, lobt den Preisträger als einen Journalisten: "Der mit seinem ganzen Leben, mit seinem ganzen Schaffen - vor der Verhaftung, nach der Verhaftung, immer wieder gegen die Diktatur angeschrieben hat. Und zwar nicht mit Schaum vor dem Mund, sondern mit präziser, sauberer journalistischer Recherche. Mit den Mitteln des Journalismus Aufklärung betrieben hat auch zu Zeiten, als der Zeitgeist im Westen Deutschlands dieses Thema nicht so gern auf der Tagesordnung gesehen hat."
    Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur hat heute ihren Preis zum ersten Mal verliehen. Ab sofort wird die Auszeichnung jährlich vergeben - sie heißt jetzt Karl-Wilhelm-Fricke-Preis.