Sonntag, 28. Mai 2023

Bundestag
Debatte über Sterbehilfe - diese drei Gesetzentwürfe liegen vor

Vor mehr als zwei Jahren hat das Bundesverfassungsgericht das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gekippt - weil es das Recht des Einzelnen auf selbstbestimmtes Sterben verletze. Nun hat der Bundestag über drei fraktionsübergreifende Gesetzesentwürfe beraten. Wir erklären, worin sie sich unterscheiden.

24.06.2022

    Ein 61 jaehriger Krebspatient im Palliativzentrum der Uniklinik Köln sitzt mit dem Rücken zur Kamera auf seinem Bett und schaut aus dem Fenster.
    Die indirekte Sterbehilfe ist in Deutschland erlaubt. Damit ist die Behandlung starker Schmerzen gemeint, die kurzfristig zu einer Verbesserung des Zustands führen können, aber auch zu einer Verkürzung der Lebensdauer. (imago / epd / Joern Neumann)
    „Ärztliche Sterbehilfe ist ein Akt der Humanität und kein Verbrechen. Er hilft Schwerstkranken in Not“ – so äußerte sich der heutige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts bei Twitter. Auch in Umfragen befürwortet eine Mehrheit der Bevölkerung regelmäßig die Möglichkeit zum assistierten Suizid. Nun werden in erster Lesung drei konkrete Vorschläge im Bundestag debattiert, die geschäftsmäßige Sterbehilfe in Deutschland neu zu regeln.
    Wie ist die Rechtslage?

    In der Rechtsprechung wird zwischen aktiver Sterbehilfe, passiver Sterbehilfe, indirekter Sterbehilfe und der Beihilfe zum Suizid unterschieden. Die aktive Sterbehilfe ist in Deutschland verboten. Wer einem todkranken Menschen beispielsweise ein tödliches Medikament verabreicht, kann wegen „Tötung auf Verlangen“ bestraft werden. Die passive Sterbehilfe ist erlaubt. Hierbei geht es um den Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen. Die indirekte Sterbehilfe ist ebenfalls erlaubt. Damit ist beispielsweise die Behandlung starker Schmerzen gemeint, die kurzfristig zu einer Verbesserung des Zustands führen können, aber auch zu einer Verkürzung der Lebensdauer. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2020 ist die Beihilfe zum Suizid auch in der Praxis wieder straffrei. Sie erfasst die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung. Wichtig: „Geschäftsmäßig“ hat nichts mit Geld zu tun, sondern bedeutet „auf Wiederholung angelegt“. Dabei geht es in erster Linie um die Tätigkeit von Sterbehilfevereinen.

    Erster Entwurf: Geschäftsmäßige Förderung soll grundsätzlich strafbar werden

    Nach dem Entwurf einer Abgeordnetengruppe um Lars Castellucci (SPD) und Ansgar Heveling (CDU) soll die geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung grundsätzlich unter Strafe gestellt werden. Es soll aber eine Ausnahme für Volljährige geben. Zwei Untersuchungen durch einen Facharzt für Psychiatrie oder Psychotherapie sollen klären, ob die Entscheidung des Patienten ohne inneren und äußeren Druck getroffen wurde. Im Anschluss soll eine ergebnisoffene Beratung vorgegeben werden. Der Entwurf wird von 85 Abgeordneten unterstützt.

    Zweiter Entwurf: Neuregelung außerhalb des Strafrechts

    Eine Gruppe um Katrin Helling-Plahr (FDP) und Petra Sitte (Linke) schlägt eine Neuregelung außerhalb des Strafrechts vor. Damit soll das Recht auf einen selbstbestimmten Tod legislativ abgesichert werden. Außerdem will die Gruppe klarstellen, dass die Hilfe zur Selbsttötung grundsätzlich straffrei möglich ist. Vorgesehen ist auch hier ein breites Beratungsangebot. Ärzte sollen Arzneimittel zum Zweck der Selbsttötung dann verschreiben dürfen, wenn sie von einer "gewissen Dauerhaftigkeit und inneren Festigkeit des Sterbewunsches" ausgehen. Zwischen Beratung und Verschreibung müssten in der Regel mindestens zehn Tage vergangen sein. Der Entwurf wird von 68 Abgeordneten unterstützt.

    Dritter Entwurf: Sicherer Zugang zu Betäubungsmitteln

    Der dritte Antrag kommt aus einer Gruppe um Renate Künast (Grüne) und Nina Scheer (SPD). Das vorgeschlagene Gesetz soll Betroffenen sicheren Zugang zu bestimmten Betäubungsmitteln eröffnen. Vor der Abgabe soll eine verpflichtende Beratung vorgegeben und nach Motiven unterschieden werden. Bei Menschen in einer "gegenwärtigen medizinischer Notlage" müssten zwei Ärzte im Abstand von zwei Wochen die Voraussetzungen bestätigen. Bei einem Sterbewunsch aus anderen Gründen sind die Anforderungen höher. Hier soll eine Landesbehörde überprüfen, ob die Voraussetzungen für den Zugang zu Betäubungsmittel vorliegen. Dieser Entwurf wird von 45 Abgeordneten unterstützt.

    Kritik von Patienschützern

    Die Deutsche Stiftung Patientenschutz hält alle drei Entwürfe für unzureichend. Wenn der Bundestag die organisierte Suizidbeihilfe regeln wolle, müsse die Selbstbestimmung der Sterbewilligen gestärkt werden und der Schutz vor Fremdbestimmung gewährleistet sein. „Keiner der drei Gesetzentwürfe kann diesen Ansprüchen gerecht werden“, sagte Vorstand Eugen Brysch der „Neuen Osnabrücker Zeitung“.
    Die vorgesehenen Pflichtberatungen gingen an der Realität vorbei. So seien etwa die medizinisch-pflegerischen Angebote aktuell nicht ausreichend, Selbstbestimmung zu stärken und Fremdbestimmung auszuschließen. Auch Psychotherapie und eine die Würde wahrende Pflege seien für viele sterbenskranke oder psychisch kranke Menschen oft unerreichbar. Brysch fordert, der Bundestag solle als Minimalkonsens die Suizidbeihilfe gegen Geld verbieten.
    Vorstand Eugen Brysch vor dem Logo der Deutschen Stiftung Patientenschutz
    Eugen Brysch ist Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz (Deutsche Stiftung Patientenschutz)