Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Bundestag
Wie die Mini-Opposition um Gehör ringt

Die Linken und die Grünen bilden in dieser Legislaturperiode eine Mini-Opposition. Damit sie in dieser Zeit nicht nur zum Zuschauen verdonnert sind, haben sie gemeinsam einen Gesetzentwurf und einen Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung eingebracht. Morgen berät der Bundestag darüber.

Von Stefan Maas | 12.02.2014
    "Eine Große Koalition ist eine Koalition für große Aufgaben."
    Angela Merkel. Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende.
    "Eine Große Koalition ist in der Tendenz eine Zeit einer schwachen zumindest innerparlamentarischen Opposition."
    Sebastian Roßner. Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Heinrich Heine-Universität Düsseldorf.
    "Wir haben als CDU/CSU immer Wert darauf gelegt, dass die Opposition im Deutschen Bundestag gerade wenn sie besonders klein ist, ihre Argumente deutlich vernehmbar äußern können muss."
    Michael-Grosse-Brömer. Erster parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag.
    "Wir wollen nicht abhängig sein vom Goodwill einer Großen Koalition, das haben wir immer wieder betont. Wir wollen, dass es rechtlich verbindliche Regelungen gibt für die Opposition im Deutschen Bundestag."
    Britta Haßelmann. Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion. Der kleineren der beiden Oppositionsfraktionen.
    Es werden keine leichten Jahre für Linke und Grüne; die Jahre der dritten Großen Koalition. Bei der Bundestagswahl am 22. September haben beide kräftig Wählerstimmen verloren. Und weil die FDP nicht mehr im Parlament sitzt, bilden sie nun zu zweit die Mini-Opposition. Zusammen kommen sie auf gerade einmal rund 20 Prozent der Stimmen. CDU, CSU und SPD stellen 504 Volksvertreter. Damit wird es den 64 Abgeordneten der Linken und den 63 der Grünen schwerfallen, ihrer wichtigsten Aufgabe nachzukommen.
    "Es ist nämlich vor allem die Opposition, die die Regierung dazu zwingt, ihre Politik öffentlich auf der großen Bühne des Bundestages zu rechtfertigen."
    Sagt Sebastian Roßner, der in Düsseldorf am Lehrstuhl für öffentliches Recht, Rechtstheorie und Rechtssoziologie der Heinrich Heine-Universität arbeitet. Dafür braucht die Opposition entsprechende Instrumente.
    "Das Grundgesetz und auch die Geschäftsordnung des Bundestages sehen solche Instrumente vor. Das Problem ist nur, dass man eine bestimmte Größe braucht, um an diese Klaviatur zu gelangen. Und unsere gegenwärtige Opposition ist einfach zu klein, um alle Tasten erreichen zu können, die sie da spielen sollte."
    Gesetzentwurf und einen Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung
    Damit die Fraktionen von CDU, CSU und SPD bis 2017, dem Ende der Legislaturperiode, nicht ein Solo nach dem anderen aufführen, während die Opposition zum Zuschauen verdonnert ist, haben Linke und Grüne gemeinsam einen Gesetzentwurf und einen Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung eingebracht. Beides steht morgen auf der Tagesordnung des Bundestages. Denn die Mini-Opposition will erreichen, dass ihre Rechte verbindlich festgeschrieben werden und deshalb die entsprechenden Gesetze ändern:
    "Das betrifft das Recht zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, es betrifft das Recht zur Einsetzung einer Enquete-Kommission, das Recht zur Durchsetzung von Anhörungen, öffentlichen wie nicht-öffentlichen Anhörungen im Ausschuss. Das Recht zur Einberufung des Bundestages zu einer Sitzung. Und verschiedene Beteiligungsrechte in Angelegenheiten der Europäischen Union."
    Zählt Britta Haßelmann, die Fraktionsmanagerin der Bündnisgrünen im Bundestag einige der mit einem Quorum verbundenen Rechte auf. Zur Durchsetzung sind, je nach Fall, 25 oder 33 Prozent aller Stimmen der Bundestagsabgeordneten notwendig. Die beiden Oppositionsfraktionen drängen nun darauf, diese festgelegten Quoren für diese Legislaturperiode aufzuheben. Auf Absichtserklärungen, und Versprechungen der übermächtigen Koalitionsfraktionen wollten sie sich nicht verlassen. Eine Lehre aus der Vergangenheit:
    Die erste Große Koalition
    "Herr Doktor Honoris Causa Kiesinger ist gewählt. Herr Ministerpräsident, ich frage Sie, ob Sie diese Wahl annehmen. – Ich nehme die Wahl an."
    Am 01. Dezember 1966 wurde Kurt Georg Kiesinger zum Kanzler der ersten Großen Koalition gewählt. Zuvor war die schwarz-gelbe Koalition nach nur etwas mehr als einem Jahr daran zerbrochen, dass die Unionsfraktion wegen eines Haushaltsdefizits und steigender Staatsverschuldung Steuererhöhungen plante; ein Trennungsgrund für die Liberalen. CDU und CSU nahmen daraufhin Gespräche mit den Sozialdemokraten auf. Die erste Große Koalition war geboren. Zurück blieb die FDP. Mit nicht einmal elf Prozent der Abgeordneten.
    "Es waren 50 Abgeordnete, davon ein Berliner Abgeordneter, der war nicht stimmberechtigt."
    Die FDP kam mit eigenen Gesetzentwürfen und mit Versuchen, die Regierung zu kontrollieren gegen die übermächtige Große Koalition einfach nicht an, sagt Bettina Tüffers. Sie arbeitet für die Kommission für Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien und hat sich mit den Jahren 1966 bis 69 beschäftigt:
    "Die FDP war einfach ohnmächtig in dieser Zeit. Sie hatte zwei Ausschussvorsitzende. Postausschuss und es gab noch einen zweiten. Für Wirtschaft und Mittelstandsfragen."
    Viel Gestaltungsspielraum ließ das nicht. Zumal auch in den Ausschüssen bei Entscheidungen das Mehrheitsprinzip herrscht. Dabei versprachen damals zu Beginn der Großen Koalition vor allem die Sozialdemokraten – nach 17 Jahren Opposition für das Thema sensibilisiert –, sich auch für die Belange der FDP in der Opposition einzusetzen. Ein Resultat dieses Entgegenkommens: Nach Regierungserklärungen durfte als erstes ein Redner der FDP-Fraktion antworten. Eigentlich fällt dieses Recht der größten Fraktion zu. Schon damals CDU/CSU. Doch abgesehen davon, resümiert Bettina Tüffers, passierte nicht viel. Vor allem bei wichtigen Fragen zeigte sich die Diskrepanz zwischen guter Absicht anfangs und parlamentarischer Praxis später.
    "Also, am deutlichsten wurde das vor der zweiten Lesung der Notstandsgesetze. Da wollte die FDP eigentlich namentliche Abstimmung beantragen, nur hat sich da die SPD quergestellt. Weil das innerhalb der SPD-Fraktion sehr umstritten war, die Notstandsgesetze. Und man wollte sich schlicht und einfach keine Blöße geben und sozusagen den Zwiespalt bei der Abstimmung öffentlich zu machen. Und darauf hin hat die SPD einfach gesagt, wir tragen diesen Antrag nicht mit. Und die CDU wollte es auch nicht. Also ist die FDP schlicht und einfach abgeblitzt."
    Die drei Jahre Große Koalition – für die Liberalen war es eine schwierige Zeit. Unterm Strich hatte die FDP als Mini-Opposition im Parlament nicht viel zu sagen. Die eigentliche Opposition war – ausgehend von den Universitäten längst auf der Straße zu finden. Außerparlamentarisch.
    Auch wenn es nicht einer gewissen Ironie entbehrt, dass sich heute ausgerechnet die "Bild"-Zeitung selbst zur APO ernennt, gegen deren Besitzer, Axel Springer, sich zu Zeiten der ersten Großen Koalition der Zorn der Studenten auf der Straße richtete. Die Oppositionsarbeit sollte doch lieber im Parlament stattfinden, darin sind alle Fraktionen im Bundestag einig. Nur bei der Frage, wie das angesichts der ungleichen Größen- und damit Machtverhältnisse gewährleistet werden kann, kommen Koalition und Opposition auf keinen gemeinsamen Nenner. Die Oppositionsparteien wollen dort ansetzen, wo die Verfahren und Quoren geregelt sind.
    Recht auf Bundestagssondersitzung
    "Und deshalb ist uns die Änderung Geschäftsordnung und anderer gesetzlicher Regelungen wichtig."
    Sagt die Grüne Britta Hasselmann. Das Recht etwa eine Bundestagssondersitzung zu fordern, ist zum Beispiel im Grundgesetz verankert. Laut Artikel 39 Abs. 3 Satz 3 Grundgesetz können der Bundespräsident, der Bundeskanzler und auch Abgeordnete die Einberufung des Bundestages verlangen. Allerdings müssen sich dafür ein Drittel der Volksvertreter zusammentun. Zu viel für die Ein-Fünftel-Opposition. Linke und Grüne sehen an dieser Stelle Handlungsbedarf. Und nicht nur hier:
    "Sie dürfen auch die Bedeutung des Normenkontrollverfahrens im Grundgesetz nicht unterschätzen."
    Erklärt Gregor Gysi, der Vorsitzende der Linken-Bundestagsfraktion. Beim Normenkontrollverfahren geht es darum, ein im Bundestag verabschiedetes Gesetz vom Bundesverfassungsgericht auf seine Rechtmäßigkeit überprüfen zu lassen. Dabei geht es nicht selten um wegweisende Entscheidungen. Das bundesweite Verbot von Studiengebühren zum Beispiel hatte 2005 vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand. Und 2012 verpflichteten die Richter in Karlsruhe die Politik, die Frage der Überhangmandate neu zu regeln.
    Allerdings: In den vergangenen 14 Jahren haben sich die Karlsruher Richter nur ganze 24 Mal mit Normenkontrollklagen beschäftigt. Und nur ein Bruchteil davon - nämlich vier Fälle - wurde von der Bundestagsopposition angestrebt. Gegen das bundesweite Verbot von Studiengebühren, das die rot-grüne Bundesregierung beschlossen hatte, klagten zum Beispiel unionsgeführte Bundesländer. Während einer Großen Koalition aber gilt:
    "Es gibt keine Landesregierung, an der nicht CDU, CSU oder SPD beteiligt sind. Gibt es nicht. Das heißt, von keiner Landesregierung wird es in den nächsten vier Jahren eine Klage geben."
    Folgt man Gysis Argumentation, würde es – solange die Große Koalition im Amt ist - Normenkontrollverfahren nur durch die Bundestags-Opposition geben. Und hier setzt seine Kritik an: Denn statt ein scharfes Schwert zur Regierungskontrolle hält die Opposition ein Buttermesser in der Hand. Wieder einmal ist sie nicht groß genug. Obwohl das Quorum bereits während der letzten Großen Koalition, 2009, abgesenkt wurde, damit es für die Opposition aus FDP, Grünen und Linken reichte. Statt einem Drittel muss nur noch ein Viertel der Abgeordneten im Bundestag zustimmen, doch selbst das schafft die heutige Opposition nicht. Auch der Jurist Sebastian Roßner sieht die Notwendigkeit, dass die Opposition eine solche Organklage anstrengen können muss, gibt allerdings zu bedenken:
    "Es ist natürlich ein Recht auf rechtliche Kontrolle und nicht auf politische. Insofern ist es ein Unterschied zu den Verfahren, die im Bundestag angewendet werden."
    Diesen Unterschied betonen auch CDU, CSU und SPD und lehnen deshalb eine erneute Änderung des Grundgesetzes strikt ab. Die Koalitionsfraktionen argumentieren, dass es sich bei der Möglichkeit das Bundesverfassungsgericht anzurufen nicht um ein spezifisches Minderheitenrecht handelt. Und so steht für den parlamentarischen Geschäftsführer der Union, Michael Grosse-Brömer fest:
    "Wir wollen der Opposition entgegenkommen, da wo Minderheitenrechte möglicherweise nicht geltend gemacht werden können. Was nicht sein kann, ist, dass über Minderheitenrechte hinausgehend die Opposition meint, sie möchte ihr schlechtes Wahlergebnis korrigieren und auf dem Wege noch schnell zusätzlich ein paar Rechte geltend machen."
    Bleibt es dabei, hat die Linke bereits angekündigt, dagegen notfalls vor Gericht zu ziehen.
    Möglichkeit eines parlamentarischen Untersuchungsauschusses
    Entgegenkommen signalisiert Grosse-Brömer dagegen an anderer Stelle, bei der es tatsächlich auch um politische Kontrolle geht. Es geht um die Möglichkeit, einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss einzusetzen.
    Laut "Untersuchungsausschussgesetz" bräuchte es dafür eigentlich ein Viertel der Stimmen im Bundestag. Das Gremium, dient dazu, Missstände, politische Skandale oder Fehlverhalten staatlicher Stellen aufzuklären. Ein solcher Ausschuss hat das Recht, Akteneinsicht zu verlangen und Zeugen zu befragen. Zeugen, die wie vor Gericht, zur Aussage verpflichtet und vereidigt werden können. In der vergangenen Legislaturperiode sorgte vor allem der NSU-Ausschuss für Schlagzeilen, der sich für das Versagen staatlicher Sicherheits- und Ermittlungsbehörden im Zusammenhang mit dem Terror-Trio vom Nationalsozialistischen Untergrund interessierte.
    Nicht weniger spannend wird der wahrscheinlich nächste U-Ausschuss werden: Dann soll es nämlich um die NSA-Abhör-Affäre gehen. Dass die US-amerikanischen Behörden wenig Ehrgeiz zeigen werden, den Deutschen bei der Aufklärung zu helfen, darüber sind sich alle vier Fraktionen einig. Trotzdem wollen alle vier, dass es diesen U-Ausschuss gibt. Was aber genau untersucht werden soll, an der Frage scheiden sich noch die Geister:
    "Nun, wir haben natürlich noch Fragen in puncto Aufklärung, aber wir haben vor allem noch Fragen, was die Zukunft betrifft. Was wir besser machen können. Im Übrigen auch, wie man sich besser schützen kann vor möglichen Ausspähaktionen."
    Die Koalitionsfraktionen haben ihren Antrag noch nicht in den Bundestag eingebracht, der Antrag der Opposition steht morgen auf der Tagesordnung. Den werden die Abgeordneten von Union und SPD in den zuständigen Geschäftsordnungsausschuss überweisen. Dort wird man versuchen, doch noch einen gemeinsamen Untersuchungsauftrag zu formulieren. In diesem Ausschuss ist die Union mit sieben, die SPD mit fünf und beide Oppositionsparteien mit jeweils einem Mitglied vertreten. Wie viel Chancen der ursprüngliche Auftrag der Opposition hat, ist also leicht zu errechnen.
    Damit wird dieser U-Ausschuss ein Testfall für die beiden Parteien werden, was sie als Opposition wirklich ausrichten können, sagt Sebastian Roßner:
    "Wichtig für die Untersuchungsausschüsse ist ja vor allem auch die Arbeit um Ausschuss. Welche Zeugen höre ich an, welche Akten werden herbeigezogen, in die man hineinschauen möchte. Und auch da brauche ich immer wieder ein Viertel der Abgeordneten, um einen solchen Antrag durchzubringen, einen Beweisantrag."
    Das bedeutet für die Opposition, wenn ein Untersuchungsausschuss eingesetzt wird, muss auch für die Arbeit im Ausschuss das Quorum gesenkt werden. Ansonsten könnten CDU, CSU und SPD mit ihrer Großen Koalitions-Mehrheit jeden von der Mini-Opposition gewünschten Zeugen ablehnen und jeden Beweisantrag abschmettern.
    Hoffnung der Opposition entsprechende Gesetze zu verändern
    Mit ihrem "Antrag zur Sicherung der Minderheitenrechte der Opposition" versuchen, Linke und Grüne das zu verhindern. Die Opposition hofft darauf, die entsprechenden Gesetze zu verändern. Begrenzt auf diese Legislaturperiode, sagt Gregor Gysi, der Fraktionsvorsitzende der Linken:
    "Und zwar muss da drin stehen, dass wenn die Fraktionen, die nicht an der Regierung beteiligt sind, ein Minderheitenquorum nicht erreichen, dann können sie dieses Recht gemeinsam wahrnehmen. Punkt. Mehr brauchen wir nicht."
    Grundsätzlich sind CDU, CSU und SPD mit den Forderungen der Opposition einverstanden. Allerdings wollen sie nicht die Gesetze ändern, sondern nur die Geschäftsordnung anpassen. Dieser Antrag ist morgen ebenfalls Thema im Bundestag. Darin findet sich auch die von der Opposition vorgeschlagene Formulierung. Zum Thema Untersuchungsausschuss heißt es dort zum Beispiel:
    "Die Zahl der Mitglieder des Untersuchungsausschusses wird nach dem vom Bundestag beschlossenen Verteilverfahren (...) so bestimmt, dass die Fraktionen, die nicht die Bundesregierung tragen, gemeinsam ein Viertel der Mitglieder stellen."
    Man habe lange gerungen, an welchen Stellen man die Rechte der kleinen Opposition angemessen fixieren könnte, sagt Christine Lambrecht, die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Fraktion.
    "Also ich hoffe sehr, dass damit klar wird, dass uns daran gelegen ist, dass die Opposition diese Rechte auch gesichert hat. Und ich gehe auch davon aus, dass das als Konsequenz der Fall ist. Und wenn sich tatsächlich an einem Fall deutlich machen würde, dass es nicht ausreicht, dann wären wir sicherlich die Ersten, die auch mithelfen würden, dafür eine Lösung zu finden."
    Eine Änderung innerhalb der Geschäftsordnung. Das ist ein Anfang, sagt Petra Sitte, die Parlamentarische Geschäftsführerin der Linksfraktion. Denn bislang hatte sich vor allem die Union dagegen gewehrt, die Geschäftsordnung selbst zu ändern. Sie wollte vielmehr einen Beschluss anhängen. In dem wären die Rechte der Opposition gewährleistet gewesen. Dagegen hatte sich die Opposition immer gewehrt.
    "Insofern ist vielleicht ein Drittel der Forderungen erfüllt."
    Das Recht eine Normenkontrollklage anstrengen zu können, findet sich im schwarz-roten Entwurf jedoch nicht. Und ganz zufrieden ist die Linken-Politikerin noch nicht:
    "Rechtssicher ist nur, wenn die Gesetze geändert werden, aus unserer Sicht."
    Denn die Geschäftsordnung des Bundestages könnten CDU, CSU und SPD mit ihrer Mehrheit leicht wieder ändern. Das will die Opposition mit ihrem Antrag zur Änderung der Geschäftsordnung verhindern. Er würde ihr das Recht geben, einer Änderung zu widersprechen. Die Chancen dieses Antrags sind, wie zu erwarten, nicht besonders groß. Denn damit würden die Mehrheitsverhältnisse umgekehrt, heißt es bei Union und SPD.
    Redezeiten der Fraktionen in Plenardebatten
    Und noch an einer anderen Stelle bleiben die Koalitionsfraktionen hart: Bei der Redezeiten-Verteilung. Es geht um die Redezeiten der Fraktionen in Plenardebatten. In der Geschäftsordnung heißt es zum Thema Debatten im Plenum:
    "Der Präsident bestimmt die Reihenfolge der Redner. Dabei soll ihn die Sorge für sachgemäße Erledigung und zweckmäßige Gestaltung der Beratung, die Rücksicht auf die verschiedenen Parteirichtungen, auf Rede und Gegenrede und auf die Stärke der Fraktionen leiten; insbesondere soll nach der Rede eines Mitgliedes oder Beauftragten der Bundesregierung eine abweichende Meinung zu Wort kommen."
    Die Redezeiten waren bislang nicht grundsätzlich schriftlich fixiert, sondern werden nach Stärke der Fraktionen festgelegt. Rein rechnerisch stehen Linken und Grünen pro voller Stunde lediglich zwölf Minuten zu. Union und Sozialdemokraten zeigten sich aber großzügig: Nach der Regierungserklärung der Bundeskanzlerin etwa dufte die Opposition sage und schreibe pro Stunde 16 Minuten lang sprechen. Und auch sonst haben sie der Opposition etwas mehr Zeit zugestanden. Das heißt für ihre Fraktion, rechnet Linken-Politikerin Sitte vor:
    "Bei 25 Minuten vier Minuten als Oppositionsfraktion, die Linke, bei 38 Minuten fünf Minuten plus eins, sofern wir Einreicherin sind. Bei Debattendauern von 60 Minuten hat die Linke acht Minuten plus eins, sofern sie Einreicherin ist. Bei 96 Minuten haben wir zwölf Minuten. Bei 125 Minuten haben wir 17 Minuten."
    Etwa die gleiche Zeit bekommen die Grünen. Diese Woche haben Union und SPD den Oppositionsparteien auch beim Debattenformat XXL – also 224 Minuten - noch etwas mehr Zeit zugestanden:
    "Von 28 Minuten auf 33 Minuten. Das heißt, die Grünen und wir haben dann noch einmal fünf Minuten mehr. Das ist genau ein Redner, wenn man so will."
    Der Opposition reicht das nicht. Sie sagt: Das demokratisch gewollte Prinzip der Rede und Gegenrede kann auf diese Weise nicht gewährleistet werden. Diesen Eindruck teilt Michael Grosse-Brömer von der Unions-Fraktion nicht. Ihm scheint vielmehr:
    "Dass diese lebhafte Debatte dann auch bewusst so gestaltet wurde, dass bei der Redezeit der Grünen dann meistens auch nur noch einer gesprochen hat. Obwohl für die Redezeit dann auch mehrere Redner hätten sprechen können. Das haben wir auch bei den Linken festgestellt. Dann entsteht in der Tat manchmal der Eindruck, Mensch, da reden ja so wenige von der Opposition und so viele von der Koalition. Aber da muss man selbst auch kreativ werden."
    Statt ihre Redezeit weiter aufzuteilen, verweisen Grüne und Linke darauf, wie dieses Thema in einigen Landesparlamenten gehandhabt wird. So haben zum Beispiel im hessischen Landtag alle Fraktionen Anrecht auf einen gleichgroßen Anteil an der Redezeit. Die parlamentarischen Geschäftsführer von SPD und Unionsfraktion ärgert es, dass die Opposition auf mehr Redezeit besteht. Es könne ja nicht sein, dass auf diese Weise versucht werde, das Wahlergebnis zu korrigieren, sagt Michael Grosse-Brömer:
    "Nicht nur bei Redezeiten, aber auch bei Redezeiten hat im Übrigen ein Mitglied der CDU/CSU Fraktion dieselben Rechte als Abgeordneter wie ein Mitglied der grünen Fraktion. Deswegen haben wir von Anfang an gesagt, die Rechte unserer Kolleginnen und Kollegen müssen bestehen bleiben. Die sind auch verfassungsrechtlich ja garantiert."
    Ob es in dieser Frage noch Bewegung geben wird, wird sich zeigen. Morgen wird der Bundestag zunächst die Anträge zur Änderung der Geschäftsordnung und den Gesetzentwurf beraten und voraussichtlich in die zuständigen Ausschüsse überweisen. Auch dort ist die Opposition nur eine kleine Minderheit.