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Bundesverwaltungsamt
Droht in Deutschlands Ämtern der Personalnotstand?

In der Verwaltung droht der Personalnotstand: Das befürchtet der Präsident des Bundesverwaltungsamtes Christoph Verenkotte und fordert ein "riesiges Einstellungsprogramm". Sonst könnten bestimmte Dienstleistungen künftig nicht mehr angeboten werden. Der Beamtenbund sagt: Der Öffentliche Dienst muss wieder attraktiver werden.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 19.04.2017
    Ein Amtsstube im Verwaltungsgericht in Berlin-Moabit.
    Ein Amtsstube im Verwaltungsgericht in Berlin-Moabit. Nach jahrelangen Personalsparungen im Öffentlichen Dienst befürchtet der Beamtenbund einen massiven Personalnotstand. (picture alliance / ZB )
    Für Christoph Verenkotte ist das Kind fast schon in den Brunnen gefallen: Der Präsident des Bundesverwaltungsamts befürchtet für die Zukunft einen massiven Personalnotstand in den deutschen Amtsstuben. In einem Interview mit der Funke-Mediengruppe warnt der Behördenchef vor der "absehbaren Pensionierungswelle".
    Bei der Bezahlung nicht konkurrenzfähig
    Verenkotte ist nicht allein, auch Klaus Dauderstädt, Vorsitzender des Beamtenbundes, sieht ein Personalproblem auf den Öffentlichen Dienst zukommen und zwar schon in naher Zukunft:
    "Das liegt unter anderem daran, dass wir im Öffentlichen Dienst mit Tarifverträgen und Besoldungsgesetzen festgelegt sind, was die Bezahlung angeht und mit der Privatwirtschaft nicht konkurrieren können, gerade was Mangelberufe wie Ärzte, Ingenieure oder IT-Fachleute anbetrifft."
    Spürbarer Personalnotstand, lange Warteschlangen
    Nach jahrelangen Personaleinsparungen im Öffentlichen Dienst bekommen Berliner Bürger den Personalnotstand bereits seit langem zu spüren. Ob es darum geht, den Reisepass zu verlängern, eine Baugenehmigung zu beantragen, oder bei der Zulassung für das neue Auto – in vielen Kommunalverwaltungen bilden sich jetzt schon oft lange Warteschlangen. Gewerkschafter Dauderstädt sieht noch ein weiteres Problem:
    "Ich nenne jetzt mal die Gesundheitsämter, die eine absolute Unterbesetzung haben, und wo wir im Falle einer epidemischen Entwicklung im Lande – eine große Grippewelle oder etwas ähnliches – einfach nicht mehr die Kapazitäten haben, die die staatliche Gesundheitsverwaltung haben müsste."
    Hinweis: die Differenz zwischen der Anzahl der Bundesbediensteten (1) und dem Stellenbestand (2) ergibt sich u.a. aus Teilzeitregelungen oder befristet Angestellten, die nicht auf Planstellen sitzen.
    Entwicklung des Stellenbestandes in der Bundesverwaltung (Bundesministerium des Inneren)
    Qualifizierte Kräfte gesucht
    Gleiches gilt aus Sicht von Klaus Dauderstädt für die Lebensmittelkontrolle, und für die verschiedenen Bereiche der Bauverwaltung…
    "...wo wir nicht die richtige Qualifikation finden unter den Ingenieuren, die wir für den Öffentlichen Dienst auch benötigten."
    4,64 Millionen Beschäftigte arbeiten laut Bundesinnenministerium derzeit in ganz Deutschland im Öffentlichen Dienst, so zitiert heute die Westdeutsche Allgemeine Zeitung. Diese Zahl umfasst Bundes- und Landesbehörden, sowie Kommunen und Sozialversicherungsträger.
    Um die absehbare Pensionierungswelle der Babyboomer-Generation abzufedern, fordert Bundesverwaltungsamts-Präsident Verenkotte deshalb ein "riesiges Einstellungsprogramm".
    Innenministerium sieht nur begrenzte Probleme
    Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums verweist hingegen darauf, dass eine Nachbesetzung der Stellen nur in "bestimmten Aufgabenbereichen" schwieriger werden könnte. Gewerkschafter Klaus Dauderstädt nennt als Beispiel die Steuerverwaltung:
    "Die Perspektive, dass Steuerhinterziehung oder einfach auch nur nicht richtige Erfassung von Steuern den Staat Milliarden kostet, liegt auf dem Tisch."
    "Den Öffentlichen Dienst wieder attraktiver machen"
    Die Unterbesetzung in diesem Bereich könne nicht durch Digitalisierung oder vereinfachte Verfahren bei der Steuererklärung aufgefangen werden, warnt Dauderstädt. Schon jetzt nennt er eine Zahl von 20 Prozent Unterbesetzung in der Finanzverwaltung:
    "...wo der Bürger vielleicht sich freut, wenn eine belastende Steuererklärung später kommt. Wo er sich aber ärgert, wenn eine Steuererstattung, die er vielleicht bekommen sollte, nicht rechtzeitig kommt. Und das andere dabei: Mit sehenden Augen des Staates Steuerhinterziehung begehen können, das ist ein Unding. Wir brauchen die Einnahmen dringend, auch, um den Öffentlichen Dienst zu finanzieren."
    Angesichts der demografischen Entwicklung richtet der dbb seine Forderung an alle öffentlichen Arbeitgeber. Bundes und Landesregierungen müssen, so fordert Dauderstädt – mehr Angebote für Schulabgänger schaffen, um den Öffentlichen Dienst wieder attraktiver zu machen.