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Bundeswehr
"Die Einsatzfähigkeit ist gesichert"

Der CDU-Verteidigungspolitiker Henning Otte hat die finanzielle Ausstattung der Bundeswehr verteidigt. Sie werde nicht kaputtgespart, sagte Otte im Deutschlandfunk. Die Geräte seien aber über Gebühr im Einsatz und die Rüstungsindustrie komme mit der Lieferung schon bestellten Materials nicht nach.

Henning Otte im Gespräch mit Christiane Kaess | 27.09.2014
    Ein Militärtransporter vom Typ Airbus A400M in einer Fertigungshalle in Toulouse im Südwesten Frankreichs.
    Die Bundeswehr wartet immer noch auf den A400M. (AFP PHOTO / Remy Gabalda)
    Es gebe eine enorme Beanspruchung des Personals und des Materials in den laufenden Einsätzen, sagte der Verteidigungspolitiker Henning Otte (CDU) im Deutschlandfunk. Die Bundeswehr sei in 17 Auslandseinsätzen aktiv. Die Beanspruchung sei hoch, die Einsatzfähigkeit sei aber gesichert.
    Auch die finanzielle Ausstattung stimme, "die Lieferung schon bestellter Geräte dauert aber zu lange", sagte Otte. Als Beispiel nannte er das Transportflugzeug A400M, der schon vor Jahren bestellt, aber immer noch nicht ausgeliefert sei. "Die Truppe braucht das neue Material", erklärte Otte. Das Problem seien die weit zurückliegenden Altverträge mit der Rüstungsindustrie. Bei Neuverträgen müsse stärker darauf geachtet, dass fristgerecht geliefert werde, dass Preis und Güte stimmten.

    Das Interview in voller Länge:
    Christiane Kaess: Im Zusammenhang mit dem Vorgehen der Terroristen in Syrien und im Irak war das für Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen sicher keine einfache Situation, als sie vorgestern zu einem Überraschungsbesuch in den Nordirak kam. Die von Deutschland zugesagte militärische Hilfe für die kurdischen Kämpfer sollte schon vor der Ministerin eingetroffen sein, aber die Ausbilder saßen in Bulgarien fest wegen einer defekten Maschine, und die Waffen für die kurdischen Kämpfer waren wegen eines technischen Defekts des Transportflugzeugs auch noch nicht da. Es war nicht das erste Mal, dass der offenbar teilweise schlechte Zustand des Bundeswehrmaterials so offensichtlich wurde. Schon davor wurde bekannt, dass ein großer Teil der deutschen Marinehubschrauber kaputt ist. Seitdem gibt es Kritik an der Ausrüstung der Bundeswehr.
    Und am Telefon ist jetzt Henning Otte - er ist Verteidigungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag. Guten Tag, Herr Otte!
    Henning Otte: Guten Tag, Frau Kaess!
    Kaess: Wird die Bundeswehr kaputt gespart?
    Otte: Nein. Der Finanzplan ist mittelfristig gesichert. Die Investitionen für die bevorstehenden Zulieferungen neuen Materials ist gesichert. Was wir haben, ist eine enorme Beanspruchung, personell wie auch materiell, in den laufenden Einsätzen, mit immer neuen Aufgaben. Und hier brauchen wir mehr Geld für die Materialbewirtschaftung. Und ich kann sagen, die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr ist gesichert. Die Beanspruchung ist sehr hoch.
    Die Truppe braucht das neue Material
    Kaess: Woher kommen denn die Mängel?
    Otte: Die Mängel kommen daher, dass Geräte über Gebühr im Einsatz sind, genutzt werden, ohne dass das bereits bestellte neue Material, wie die Zulieferung neuer Hubschrauber, neuer Panzer, oder auch des Eurofighters einfach zu lange dauert. Ich nenne hier die Transall, die über Jahrzehnte hier ihren Dienst leistet, aber wir auf das neue Flugzeug, den A400M, immer wieder warten müssen. Das geht nicht. Die Truppe braucht das neue Material, wie vom Ministerium bestellt.
    Kaess: Warum hat denn das Parlament da bisher nicht genauer hingesehen?
    Otte: Wir haben sehr genau hingesehen. Es sind aber Altverträge, die weit zurückliegen, die im Nachhinein nicht geheilt werden müssen. Für die Neuverträge ist klar geregelt, dass wir hier auch im Rahmen der Neuausrichtung der Bundeswehr erreichen müssen, dass fristgerecht zum richtigen Preis in der bestellten Güte auch geliefert werden muss. Darauf muss sich die Truppe verlassen können.
    Kaess: Das sagen ja auch die Kritiker, dass die Verantwortung nicht nur der aktuellen Führung zuzuschreiben ist. Aber es wird eben auch gesagt, die derzeitige Regierung habe in ihrer bisherigen Amtszeit auch zu wenig gegen die Missstände getan.
    Otte: Ganz im Gegenteil. Es ist deutlich herausgestellt, dass mit dem sogenannten Rüstungs-Board, das heißt, die Vorlage der 15 Großprojekte hier eine genaue Unterrichtung und Begutachtung erfolgt, dass die neue Rüstungsstaatssekretärin, Frau Doktor Suda, jetzt das Gutachten entgegennehmen wird, wo der gesamte Beschaffungsprozess noch einmal beleuchtet wird. Und die Neuausrichtung der Bundeswehr ist auch eine Antwort auf diese Fehlentwicklung, wie sie von Ihnen dargestellt worden ist. Und das ist der richtige Weg. Aber es dauert eben. Das ist nicht alles von heute auf morgen zu ändern.
    In Notlagen wird immer die Bundeswehr gerufen
    Kaess: Nun geht es ja auf der einen Seite in der Tat, und darüber haben wir gerade gesprochen, um die Verantwortung gegenüber den Soldaten. Es geht aber auf der anderen Seite natürlich auch um die Solidarität gegenüber den NATO-Partnern, und da hält Deutschland seine Zusage ja zum Beispiel auch nicht ein, zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung auszugeben. Überlässt Deutschland also die Sicherheit den anderen in der NATO?
    Otte: Da halte ich dagegen. Deutschland ist in 17 Einsätzen ein ganz wesentlicher Partner. Wir haben über -
    Kaess: Aber jetzt geht es um den Betrag, der investiert wird und der auf zwei Prozent eigentlich zugesagt worden ist.
    Otte: Ja, es geht darum, dass wir die Fähigkeiten bezahlt haben müssen, die wir als notwendig erachten und die wir einbringen im NATO-Verbund. Der NATO-Gipfel in Wales hat aufgegeben, in den nächsten zehn Jahren hier eine Anpassung zu erfolgen. Wenn die Gerätschaften, wie neue Hubschrauber, wie neue Transportflugzeuge, wie neue geschützte Fahrzeuge, fristgerecht kommen, dann ist die Bundeswehr hochmodern ausgestattet. So lange muss es gelingen, dass wir mit dem vorhandenen Gerät die Einsätze erfüllen. Und ich kann nur sagen, wenn eine Notlage auftritt, dann wird immer zuerst die Bundeswehr gerufen. Dies ist auch ein Ausdruck von Vertrauen und Einsatzfähigkeit.
    Kaess: Aber für Sie ist es durchaus in Ordnung, dass Deutschland bisher unter diesen zugesagten zwei Prozent geblieben ist?
    Otte: Es geht nicht nur um, ich sage mal, eine feste Summe oder eine Prozentzahl, sondern es geht darum, dass wir unsere Fähigkeiten abbilden. Die Neuausrichtung hat zum Ziel, ein breites Fähigkeitsspektrum zu haben, um der Politik alle Möglichkeiten anzubieten, dieses breite Fähigkeitsspektrum ist gegeben, die Einsatzbereitschaft ist sichergestellt. Aber wir müssen eben darauf achten, dass nicht zu sehr aus der Substanz die hohe Leistungsanforderung kompensiert wird, sondern dass wir zum Beispiel die Bevorratungsmittel erhöhen müssen, hier die Quote erhöhen müssen.
    Es gibt eine klare Aufgaben- und Arbeitsteilung
    Kaess: Herr Otte, jetzt ist es ja so, dass Deutschland sich am Kampf gegen den Islamischen Staat nur mit Waffenlieferungen beteiligt. Kann man sagen, zu mehr wäre die Bundeswehr auch technisch gar nicht in der Lage?
    Otte: Die Bundeswehr ist technisch in der Lage, zu helfen. Das zeigt sie in 17 aktuellen Auslandseinsätzen, das zeigt sie, indem sie sofort bereit steht, bei der Ebola-Bekämpfung zu helfen. Und es gibt eine Aufgabenteilung: Wir sind angefragt worden, Hilfsgüter zur Verfügung zu stellen. Das machen wir in Höhe von 50 Millionen.
    Kaess: Sie sprechen jetzt von der Ebola-Bekämpfung oder vom Kampf gegen den Islamischen Staat?
    Otte: Kampf gegen IS. Wir sind aufgefordert worden, Ausrüstungshilfe für die Peschmerga zur Verfügung zu stellen, damit die im Kampf gegen die IS sich auch behaupten können -
    Kaess: Was, wenn mehr gefordert wird?
    Otte: Dann müssen wir darüber sprechen. Wir stellen Ausbilder zur Verfügung. Und so gibt es eine klare Aufgaben- und Arbeitsteilung innerhalb des Völkerbundes gegen die Bekämpfung dieser wirklichen Gefahr der IS-Terrormilizen.
    Kaess: Und mehr könnte die Bundeswehr - rein theoretisch - leisten?
    Otte: Die Bundeswehr könnte theoretisch mehr leisten, ist aber nicht abgefragt jetzt. Es gibt keine konkrete Anfrage an die Bundeswehr, und von daher machen wir die Aufgabe, die uns zufällt, aber auch hundertprozentig.
    Kaess: Sagt Henning Otte, Verteidigungspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag. Danke für dieses Interview!
    Otte: Auf Wiederhören!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.