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Bundeswehr-Serie "Die Rekruten"
Der Wehrdienst als Spielfilm

Die Bundeswehr wirbt um junge Rekruten – mit Videos in einer Mischung aus Spielfilm- und YouTube-Optik. Darin werden zwölf junge Menschen während ihrer ersten Wochen beim Militär begleitet. Eine durchaus umstrittene Kampagne.

Von Christoph Sterz | 03.11.2016
    Ein Plakat der Bundeswehr zeigt einen Wecker um 3 Uhr morgens mit der Überschrift "Ab November werden die Tage länger"
    Die Werbekampagne unter anderem mit Plakaten ist teurer als die YouTube-Serie der Bundeswehr selbst. (dpa / Stefan Sauer)
    "Hier kontrollieren wir erstmal die ganzen Sachen, die Sie mitgebracht haben. Gucken, ob Sie bei uns richtig sind. Kann natürlich auch sein, dass Sie sich auch verlaufen haben, aufgeregt wie Sie sind."
    So sieht er also aus, der Alltag bei der Bundeswehr, in der Marinetechnikschule in Parow, Mecklenburg-Vorpommern. Zwölf junge Menschen haben sich hier in den letzten Wochen eingelebt, begleitet von Kameras - für "Die Rekruten", eine Webvideo-Serie der Bundeswehr. Einer dieser Rekruten ist der 18-jährige Jerome aus Nordrhein-Westfalen.
    "Mehr Werte, Ordentlichkeit, Disziplin – so was erwarte ich mir persönlich von der Grundausbildung, dass ich so was halt mitbekomme. Oder auch natürlich Spaß an der Sache."
    Jerome und die anderen Rekruten werden in kurzen, schnell geschnittenen Videos vorgestellt und während ihrer ersten Bundeswehr-Tage begleitet. Wobei sie sich oft auch selbst filmen, in bewährter YouTube-Selfie-Optik.
    Screenshot des YouTube-Trailers zur Bundeswehr-Serie "Die Rekruten"
    Screenshot des YouTube-Trailers zur Bundeswehr-Serie "Die Rekruten" (Bundeswehr / YouTube)
    Professionalisierung der Kommunikation
    Und diese junge, möglichst authentische Ansprache der Zielgruppe lässt sich die Bundeswehr ordentlich was kosten: Die Produktion der zwölfwöchigen Serie beläuft sich laut der Bundeswehr auf 1,7 Millionen Euro. Rundherum gibt es eine zusätzliche Kampagne im Radio, auf Plakaten und im Netz, für nochmal 6,2 Millionen Euro. Ein großer Aufwand, der aber nötig ist, meint Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen im ARD-Fernsehen:
    "Die Bundeswehr muss sich richtig anstrengen für den Nachwuchs, wie jedes andere große Unternehmen auch. Alleine 250.000 Menschen arbeiten bei uns, und wir brauchen im Jahr alleine 20.000 Soldatinnen und Soldaten, die immer wieder eingestellt werden. Das heißt, wir müssen sehr stark werben."
    Dass die Bundeswehr für sich werben und sich wieder stärker ins Gespräch bringen muss, findet auch der Kommunikationsberater und Blogger Sascha Stoltenow. Der Reserveoffizier hat sich intensiv mit dem Kommunikationsmanagement der Bundeswehr beschäftigt und hält die neu eingeschlagenen Kommunikationswege grundsätzlich für eine gute Idee.
    "Die Entscheidung des Ministeriums, mit einer professionellen Agentur zu arbeiten, selbst auch die Kommunikation zu professionalisieren, ist absolut richtig. Vorher hat man da viel zu sehr im eigenen Saft gekocht, hat dort Menschen in Positionen geschoben, die dann auch irgendwelche Budgets zu verwalten hatten, die in diesem Bereich nicht ausgebildet waren. Dass man jetzt sich geöffnet hat und mit professionellen Dienstleistern zusammenarbeitet ist die absolut richtige Entscheidung."
    "Man zeigt die gefährlichen Einsätze nicht"
    Die Serie sei aber nicht ernsthaft genug; die Bundeswehr werde zu sehr dargestellt als Abenteuerspielplatz, meint der Kommunikationsberater. Der Dienst an der Waffe werde zu wenig thematisiert. Das sieht auch Michael Schulze von Glaßer so. Der stellvertretende politische Geschäftsführer der Deutschen Friedensgesellschaft/Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen beklagt, dass die YouTube-Serie den Bundeswehr-Alltag verharmlose.
    "Bei diesem ganzen Thema Bundeswehr-Rekrutierung, da lässt der Staat und die Bundesregierung junge Leute, man kann’s schon fast sagen, in so ein selbstaufgestelltes Messer laufen. Die Bundesregierung schickt die Bundeswehr in irgendwelche Einsätze, braucht dann neue Leute, die schwer zu finden sind für solche Einsätze, und wirbt dann um neue Rekruten, allerdings dann eben nicht mit diesen Einsätzen, sondern mit einem ganz anderen Thema. Eben mit dieser Sportbegeisterung, mit dieser Kameradschaft oder sowas, aber zeigt dann diese eigentlichen gefährlichen Einsätze nicht. Man kann auch eine Werbung machen, gerade als Staat, die eben verantwortungsvoll mit jungen Leuten umgeht und sie nicht so, mit Verlaub gesagt, verarscht."
    Die Bundeswehr wiederum spricht von authentischen Bildern; von Videos ohne Drehbuch. Und auch unabhängig von dieser Diskussion wird die YouTube-Serie "Die Rekruten" in jedem Fall in den kommenden zwölf Wochen weitergehen. Mit täglichen Videos von den jungen Soldaten in Parow und ihrem angeblich ungeschönten Kasernen-Alltag.
    "Wie ihr seht, muss ich das jetzt alles noch einräumen. Das seht ihr nun in der nächsten Folge von der Serie 'Die Rekruten'. Ich sag jetzt erstmal ciao und ja, ich darf einräumen. Tschüss."