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Bundeswehr vs. Friedensaktivisten

Weil die Bundeswehr schon länger per Vertrag mit dem Bildungsministerium das Recht hat, in rheinland-pfälzischen Schulen zu werben, dürfen dies ab sofort auch Bundeswehr-Gegner wie Friedensgruppen. Das birgt jedoch Zündstoff für Konflikte.

Von Ludger Fittkau | 09.12.2011
    "Also, ich bin verpflichtet, meinen Schülerinnen und Schülern alle Möglichkeiten darzustellen, ich darf sie nicht indoktrinieren und darf nicht nur sagen: Das ist das, was richtig ist. Ich muss ihnen eine Vielfalt vermitteln und dazu gehört Pazifismus."

    Hillu Barth ist pensionierte Lehrerin und Vorstandsmitglied der katholischen Friedensorganisation "Pax Christi" im Bistum Mainz. Im Rahmen des neuen rheinland-pfälzischen "Netzwerks Friedensbildung" vermittelt "Pax Christi" interessierten Schulen Kontakt zu Friedensarbeitern, die in Krisengebieten im Einsatz waren und über ihre Erfahrungen im Unterricht berichten können. Hillu Barth:

    "Zum Beispiel gibt es einen Friedensdienst EAPPI, das ist ein ökumenisches Begleitprogramm zu Friedensdiensten in Israel und Palästina; und da ist Pax Christi auch mit Trägerin und da können wir Fachkräfte vermitteln, die dort im Einsatz in Palästina waren und Palästinenserinnen und Palästinenser unterstützt haben auf ihren Wegen."

    Konkrete Tipps für Schüler mit türkischem Migrationshintergrund und doppelter Staatsbürgerschaft hat "Die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegerInnen" – kurz DFG VK – parat. So habe die Abschaffung der Wehrpflicht in Deutschland auch Auswirkungen auf die Militärdienstpflicht in der Türkei gehabt, weiß der Politologe Dr. Gernot Lennert, der für den DFG-Landesverband Rheinland-Pfalz zum Gespräch in die Schulen kommt. Der Druck, den Militärdienst in der Türkei zu leisten, sei nämlich für junge Männer mit deutschem und türkischem Pass gestiegen, so Lennert:

    "Es gibt den Kriegsdienstzwang in sehr vielen Staaten der Welt und gerade für in Deutschland lebende Türken hat sich die Sache verschlechtert, weil die bisher damit rechnen konnten, die Ableistung des Kriegsdienstes in der Türkei, in dem sie sagen – im Fall von Doppelstaatlern – dass sie schon in Deutschland Zivildienst gemacht haben oder bei der Bundeswehr waren. Das geht jetzt nicht mehr. Männliche Türken, die in Deutschland leben und die doppelte Staatsbürgerschaft haben, haben ein Problem, das sie vorher nicht hatten."

    Ausgangspunkt für die Bildung des neuen Netzwerks Friedensbildung in Rheinland-Pfalz war ein Vertrag, den die Bundeswehr mit der rheinland-pfälzischen SPD-Landesregierung Anfang 2010 abgeschlossen hatte. Darin wurde festgelegt, dass die Bundeswehr nicht nur regelmäßig in den Schulen präsent sein darf, sondern auch, dass hauptamtliche Jugendoffiziere in die Aus- und Weiterbildung von Referendaren und Lehrern einbezogen werden sollen. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Rheinland-Pfalz kritisiert diesen Vertrag mit der Bundeswehr bis heute. Klaus-Peter Hammer, GEW-Landesvorsitzender:

    "Dieser Vertrag hat uns sehr verwundert, weil er absolut nicht notwendig war. Es ist nicht notwendig, der Bundeswehr ein Alleinstellungsmerkmal zu geben. Weil alle gesellschaftlichen Gruppen, dazu gehört natürlich auch die Bundeswehr, haben die Möglichkeit, in die Schulen zu gehen, indem sie durch Lehrkräfte eingeladen werden. Es gab auch in den letzten Jahrzehnten immer wieder Programme, wo die Bundeswehr von Schulklassen eingeladen wurde. Insofern war dieser Vertrag absolut nicht notwendig, um die Anliegen der Bundeswehr in die Schulen zu bringen."

    Vor allem kirchliche Friedensaktivisten ergriffen aber nun in Rheinland-Pfalz die Initiative, um auch Friedensbildung an den Schulen vertraglich abzusichern - als Alternative zum Werben fürs Soldatenhandwerk. Die Friedensgruppen konnten sich dabei auf das rheinland-pfälzische Schulgesetz berufen. Gernot Lennert von der DFG/VK:

    "Im rheinland-pfälzischen Schulgesetz ist Friedensbildung vorgesehen, Werbung für Krieg und Rekrutierung ist da nicht vorgesehen. Ich denke, als externe Referenten sollen Schulen frei sein, einzuladen, wen sie wollen. Ich kann mich erinnern, bei mir im Religionsunterricht wurde mal ein Mormone eingeladen, so was ist schon immer möglich gewesen und sollte immer möglich sein."

    Für Hillu Barth von Pax Christi gehört zur Friedensbildung an Schulen ganz zentral die Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte, vor allem den Verbrechen des Nationalsozialismus. Auch dazu machen die katholischen Friedensaktivisten im Bistum Mainz den Schulen ein konkretes Projektangebot mit folgendem Titel:

    "Fragt uns, wir sind die Letzten. Und zwar begleiten und vermitteln wir polnische Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die aus dem Getto kommen und die gehen hier in die Schulen. Also ich war jetzt in diesem Jahr zum ersten Mal auch mit und das war ein ganz tolles Erlebnis, das hat mich sehr berührt. Diese Menschen zu erleben, was die erlitten haben, wie sie darüber berichten können und das die ihrem Lebensmut nicht verloren haben. Und das da für mich eine solche Kraft dahinter war. Das find ich sehr, sehr beeindruckend. Und habe auch bei Schülerinnen und Schülern erlebt, dass die sehr beeindruckt waren."

    www.Netzwerk-friedensbildung-rlp.de
    Bundeswehr