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Bundeswehr-Zentrum für Kampfmittelbeseitigung
Die Entschärfer von der Schwäbischen Alb

Um die Gefahren bei Auslandseinsätzen zu minimieren, hat die Bundeswehr vor zehn Jahren ein Zentrum für Kampfmittelbeseitigung eingerichtet. Hier arbeiten mehr als 600 Soldaten daran, Taktik, Technik und Verfahren weiterzuentwickeln, um etwa Minen und Munition aufzuspüren und sie unschädlich zu machen.

Von Thomas Wagner | 20.01.2015
    Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zu Besuch im Zentrum für Kampfmittelbeseitigung der Bundeswehr.
    Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zu Besuch im Zentrum für Kampfmittelbeseitigung der Bundeswehr. (dpa/picture alliance/Patrick Seeger)
    Nach außen dringt nur ein monotones Schnaufen:
    "Er trägt jetzt einen EOD-0. Das ist ein Splitter-Schutzanzug. Also er hält in etwa eine Sprengladung von einem Kilo TNT aus. Also ein Kilo TNT - das ist teilweise schon Geschoss-Größe."
    Leutnant Bastian Ulrich zeigt auf den Soldaten neben ihm, der in seinem Splitter-Anzug so ähnlich aussieht wie ein Astronaut im Weltraum. Nebendran steht ein kleines Fahrzeug mit allerlei Greifarmen dran, so ähnlich wie eine metallische Spinne auf Rädern.
    "Das ist ein Manipulator-Fahrzeug. Das ist ein ferngesteuerter Roboter. Die beiden Rohre sehen nicht zufällig aus wie Kanonen. Allerdings schießen sie Wasser mit Überschall-Geschwindigkeit. Das wird benutzt, um vorbereitete Sprengfallen zu öffnen, im Idealfall sogar so schnell zu zerreißen, dass der Zünder vernichtet wird, ehe er überhaupt ansprechen kann."
    Der Splitter-Schutzanzug, der Roboter, der ferngesteuert Sprengfallen zur gezielten Explosion bringt, dazwischen allerlei Labtops in gepanzerten Koffern und viel elektronisches Gerät: Solche Technologien erproben die Experten des "Zentrums für Kampfmittelbeseitigung der Bundeswehr" in Stetten am Kalten Markt auf der Schwäbischen Alb.
    "Das Zentrum Kampfmittel-Abwehr oder Kampfmittel-Beseitigung ist derzeit einzigartig in der Bundeswehr."
    Nicht nur Technologie, auch Hunde
    Und zwar in dieser Form seit knapp zehn Jahren, weiß Oberstleutnant Stefan Portz, stellvertretender Kommandeur des Zentrums. Dort werden regelmäßig Soldaten geschult, die ins Ausland entsandt werden. Daneben testen die Fachleute auf der Schwäbischen Alb auch immer wieder neue Technologien. Denn: Auch die sogenannten "Insurgent", also die Feinde, die den Bundeswehrsoldaten nach dem Leben trachten, entwickeln immer perfidere Methoden.
    "Nun, wenn wir beim Beispiel Afghanistan bleiben: Die Insurgent sind mehr und mehr dazu übergegangen, Sprengfallen nicht mehr über der Straße abzulegen, sondern unter der Fahrbahndecke einzubringen, sodass man auf den ersten Blick über der Fahrbahndecke gar nicht sehen konnte, dass da irgendetwas ist, weil es wirklich in der Erde tief vergraben war."
    Solchen Gefährdungen lassen sich nur mit neuen Technologien begegnen:
    "Zum Beispiel Bodendurchdringungsradare, mit denen Sie eingebrachte Sprengfallen entdecken können, selbst wenn sie der Insurgent metallfrei baut."
    Um solche Sprengladungen zu erkennen, bedarf es somit viel High-Tech - aber nicht nur:
    "Wuff, Platz. Fuß, Platz, so. Er weiß, wo er hingehört..."
    Minensuchhund Lappi, vier Jahre alt, begrüßt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, die sich von der Arbeit des Zentrums für Kampfmittelbeseitigung ein Bild macht, sich die verschiedenen Gerätschaften erklären lässt:
    "Links oder rechts? Ist nicht immer ridy, tidy, lefty, lossy... Hier ist das Schießgerät, das ist unter alles."
    Doch die Technologie vorzuhalten, ist das eine - aber im Ernstfall sicher damit umzugehen, das andere.
    "Zum Beispiel hatten wir mal ein Objekt auf dem Weg von Faisabad nach Kundus, ein Kanister, ein 30 Kiloobjekt, das haben wir da gefunden, und da haben wir dann vor Ort beseitigt."
    Lebensgefährlicher Umgang
    Hauptfeldwebel Andreas Lerch ist Kampfmittel-Beseitigungsexperte, hat während seines Auslandeinsatzes in Afghanistan so manchen Sprengsatz entschärft - kein einfaches Unterfangen.
    "Es ist sehr schwierig. Man hat natürlich ein gewisses Maß an Adrenalin im Körper drin. Man blendet sehr viel aus und geht dann, wie man es eigentlich gelernt hat beim Militär, vorsichtig ans Objekt heran, um es zu beseitigen."
    Ein hochexplosives Objekt, wohlgemerkt. Der Umgang damit ist lebensgefährlich.
    "Und deshalb haben wir auch beschlossen, dass in dem Attraktivitätsgesetz, was derzeit in der Beratung im Bundestag ist, die Zulage für die Kampfmittelbeseitiger um 40 Prozent erhöht wird."
    So Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Zudem kann Thomas Bareis, CDU-Bundestagsabgeordnete in der Region Sigmaringen/Stetten am kalten Markt, auch vorstellen, dass die Fachkenntnis des Bundeswehr-Kampfmittelbeseitigungsdienstes indirekt auch zur Terrorismusbekämpfung im Inneren genutzt werden kann.
    "Ich glaube, dass das Know-how, das hier entwickelt wird, auch für alle anderen Sicherheitskräfte von Bedeutung ist. Ich glaube, dass es gut wäre, wenn hier auch Polizei- und andere Einsatzkräfte herkommen könnten und üben könnten, wenn sie es denn wollten. Ich denke, wir müssen dieses Know-how stärker nutzen und breiter zur Verfügung stellen."
    Hierzu stellt die Bundesverteidigungsministerin zwar klar:
    "Wir haben eine ganz klare Gesetzeslage über den Einsatz der Bundeswehr im Inneren: und das ist nur in Katastrophenfällen der Fall."
    Allerdings kann sich von der Leyen durchaus vorstellen, dass die Bundeswehr-Experten auf der Schwäbischen Alb ihr Fachwissen zur Entschärfung von Minen aller Art auch den Anti-Terror-Experten der Bundes- und Landes-Polizeibehörden zur Verfügung stellten, sollte dies beispielsweise im Falle einer größeren terroristischen Bedrohung notwendig werden:
    "Das Teilen von Expertise ist eine Selbstverständlichkeit. Das Teilen von Wissen ist eine Selbstverständlichkeit. Das gehört einfach zum Alltag auch mit dazu."