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Bunte Kandidatenschar in Tschechien

Anständigkeit, Ehrlichkeit und Transparenz. Mit diesen politischen Tugenden werben alle neun Kandidaten um das Amt des tschechischen Staatsoberhaupts im Wahlkampf um Vertrauen. Auf Platz eins in den Umfragen liegt Jan Fischer.

Von Stefan Heinlein | 07.01.2013
    Pauken und Trompeten für die neun Kandidaten. Der Auftakt für eine Podiumsdiskussion in einer alternativen Kulturfabrik am Prager Stadtrand. Ein junges Publikum ist gekommen, um die Bewerber persönlich in Augenschein zu nehmen.

    "Das ist total aufregend - zum ersten Mal können wir unseren Präsidenten wählen. Das ist schon eine historische Angelegenheit."

    Bisher wurde das Staatsoberhaupt unter Ausschluss der Öffentlichkeit durch beide Kammern des Parlamentes bestimmt. Vor fünf Jahren bei der Wiederwahl von Vaclav Klaus gab es wochenlange Mauscheleien und Gerüchte über gekaufte Stimmen. Eine Wiederholung dieser Hinterzimmerpolitik ist nun ausgeschlossen,

    "Die Direktwahl wird helfen, das Vertrauen in unsere politischen Institutionen zu stärken."

    Meint der Politikwissenschaftler Lukas Jelinek.

    "Das stärkt die Demokratie in unserem Land."

    Anständigkeit, Ehrlichkeit und Transparenz. Mit diesen politischen Tugenden werben alle neun Kandidaten im Wahlkampf um Vertrauen. Ein Ende der allgegenwärtigen Korruption verspricht auch Außenminister Karel Schwarzenberg. Der Fürst will das politische Erbe des verstorbenen Bürgerpräsidenten Vaclav Havel antreten:

    "Der Präsident sollte sich nicht in die Alltagspolitik einmischen. Seine Aufgabe ist die Wahrung von Freiheit, Demokratie und Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft."

    Doch trotz seines internationalen Renommees sind die Wahlchancen des 75-Jährigen eher gering. In Tschechien ist seine Popularität durch den harten Sparkurs der Mitte-Rechts-Regierung deutlich gesunken.

    "Hallo Jungens! Für mich den Schweinebraten - und natürlich ein Bier"."

    Milos Zeman mischt sich gerne in den Kneipen unter die Menschen. Hemdsärmlig präsentiert der frühere Sozialdemokrat seine politischen Vorstellungen:

    ""In der tschechischen Politik gibt es nur Amateure. Ich werde dafür sorgen, dass die Politiker endlich miteinander reden. Die Wähler werden merken - die anderen Kandidaten sind noch schlimmer als ich selbst."

    Obwohl seine vierjährige Amtszeit bis 2002 vom Makel der Korruption umweht wird, ist der ehemalige Ministerpräsidenten bis heute populär bei vielen Tschechen. Amtsinhaber Vaclav Klaus empfiehlt ihn als seinen geeigneten Nachfolger und auch bei den wieder erstarkten Kommunisten genießt er viele Sympathien.

    Ganz anders präsentiert sich Jan Fischer in seinen Werbespots. Als Mitte 2009 die Regierung an internen Streitigkeiten zerbricht, steuert er als Chef einer Beamtenregierung sein Land unaufgeregt durch die Zeit der EU-Ratspräsidentschaft.

    "Die sehr angespannte und nervöse Situation in unserem Land muss sich wieder beruhigen. Ich will das Vertrauen der Menschen in die Politik wieder herstellen. Der Präsident muss versöhnen und nicht spalten."

    Trotz seiner kommunistischen Vergangenheit liegt Jan Fischer in den Umfragen konstant auf Platz eins vor dem Politikveteranen Milos Zeman. Dieser Zweikampf dürfte wohl erst in der Stichwahl zwei Wochen nach der ersten Runde entschieden werden.

    Für die meisten Schlagzeilen sorgt jedoch ein ganz anderer Kandidat: Professor Vladimir Franz ist der bunteste Bewerber für das Amt des tschechischen Staatspräsidenten. Von Kopf bis Fuß ist der Komponist schwarz-blau tätowiert. Vor allem für die junge Generation ist der exzentrische Künstler die einzig echte Alternative zur etablierten Politik.

    "Zivilisierte Menschen tolerieren meine Andersartigkeit. Nur wer totalitär denkt und intellektuell im Gefängnis hockt, den empört meine Visage. Mein Aussehen ist im 21. Jahrhundert ein Vorteil und keinesfalls ein Handicap."

    Die meisten Tschechen blicken mit großen Hoffnungen auf das Wahlwochenende. Sie erwarten vom Ende der Ära von Vaclav Klaus eine positive Veränderung des politisch-gesellschaftlichen Klimas. Der Abschied vom EU-Skeptiker Klaus dürfte auch Brüssel nicht schwer fallen. Acht von neun Kandidaten haben angekündigt: Nach der Wahl wird auf der Prager Burg die Europafahne wieder selbstverständlich neben der tschechischen Flagge wehen.