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Burkina Faso
Angst vor einem Verrat der Revolution

Der Druck auf Burkina Fasos Militär wächst. Die Afrikanische Union hat den Offizieren ein Ultimatum gestellt: In zwei Wochen müssten sie den Weg für eine zivile Alternative freimachen. Die Menschen fürchten einen neuen militärischen Machthaber.

Von Alexander Göbel | 04.11.2014
    Der Übergangspräsident von Burkina Faso, Isaac Zida.
    Der Übergangspräsident von Burkina Faso, Isaac Zida. (AFP / Issouf Sanogo)
    Nein, Nein, und nochmals Nein: Die Menschen in Burkina Faso wollen keinen Staatschef in Uniform. Gerade erst haben sie einen Präsidenten aus dem Amt und aus dem Land gejagt: Blaise Compaoré, den Mann, der selbst vor 27 Jahren mit einem Putsch an die Macht kam. Nun hat seine Armee ihn weggeputscht, andere sagen, sie sei dem Volk zur Hilfe gekommen. Die Burkinabé sind froh, Compaoré ist weg. Aber die Menschen beklagen auch Dutzende tote und noch mehr verletzte Demonstranten. Und sie fürchten: Die Geschichte ihres von Staatsstreichen geplagten Landes könne sich nun einfach wiederholen: als militärisches Déjà-Vu.
    "Die größten Demokratien der Welt werden von Zivilisten geführt, nicht vom Militär. Die Soldaten sind diejenigen, die auf uns geschossen haben, jetzt dürfen sie nicht die Macht bekommen! Sie sollen abhauen, so wie Blaise Compaoré! Diese Leute haben sich mit Gewalt durchgesetzt, an ihren Händen klebt Blut. Und deshalb wollen wir keine Militärs an der Macht!"
    Doch die Macht hat erst einmal Issac Zida, Oberstleutnant Ex-Vizechef der Präsidentengarde. Während als Staatspräsident Compaoré vor den Massenprotesten ins Nachbarland Elfenbeinküste flieht, setzt Zida die Verfassung außer Kraft und erklärt sich zum starken Mann. Ein Jahr wolle er Übergangschef bleiben, bis zu Neuwahlen. Sofort geht ein Aufschrei durch die Massen: Die Armee stehle die Revolution. Die Lage droht wieder zu eskalieren, als die Militärs das Gebäude des Staatsrundfunks besetzen.
    "Die Macht interessiert uns nicht!", beteuert ein Sprecher von Oberstleutnant Zida später im staatlichen Fernsehen. "Es geht uns ausschließlich um die Nation. Deshalb werden wir eine Übergangsregierung einsetzen, und das werden wir in Abstimmung mit den politischen Parteien und der Zivilgesellschaft tun."
    Sieg der Straße über das Regime gehört dem Volk
    "In Abstimmung" - das heißt nicht direkt, dass Zida von der Macht lassen wird. Deshalb macht die ehemalige Kolonialmacht Frankreich weiter Druck auf die Offiziere. Die Präsidenten aus dem Senegal, aus Nigeria und Ghana wollen sie zur Vernunft bringen, die Afrikanische Union droht mit Sanktionen und stellt ein Ultimatum: Zwei Wochen hätten die Militärs, um den Weg frei zu machen für eine zivile Regierung. Und für die bringen sich schon die Politiker in Stellung, auch Jean-Hubert Bazié von einer Oppositionspartei mit dem schönen Namen "Gemeinsame Hoffnung".
    Die politische Opposition und die zivilgesellschaftlichen Gruppen dieses Landes bekräftigen, dass der Sieg der Straße über das Regime dem Volk gehört. Daher steht auch dem Volk zu, den Übergangsprozess dieses Landes nicht nur mitzugestalten, sondern auch zu führen. Die Armee kann diesen Prozess jedenfalls nicht für sich beanspruchen oder gar die Revolution konfiszieren.
    Damit dürfte der Politiker bei den Menschen offene Türen einrennen. Doch in Burkina Faso wissen alle, dass die Probleme nicht gelöst sind, wenn die Militärs die Macht abgeben. Denn wer wäre da, um Burkina Faso zu regieren, wenn nicht die Offiziere, fragt sich der Handwerker Yussuf Ouédraogo. Anders gesagt: Welcher Volksvertreter wäre vertrauenswürdig, wer hätte überhaupt eine saubere Weste, nach 27 Jahren, in denen Präsident Compaoré eine Menge Leute um seine Fleischtöpfe versammelt hat? Yussuf Ouédraogo kann nur hoffen, dass dieser Umsturz nicht verspielt wird, wie so oft in Burkina Faso. Und: dass er Strahlkraft hat. Für den gesamten Kontinent.
    "Ganz Afrika starrt gebannt nach Burkina Faso. Unser Land muss ein Beispiel werden, eine Warnung an alle Präsidenten dieses Kontinents, die die Verfassung zu ihren Gunsten ändern wollen. Wir trauern heute um unsere Brüder, die in den Protesten gegen Compaoré getötet wurden. Und wir beten, dass ihr Kampf - unser Kampf - nicht umsonst war."