Seit Jahren grast das Berliner Festival Tanz im August den Planeten Erde nach jedem jungen Menschen ab, der sich willig den Titel Choreograf verleihen lässt, und doch nicht im strengen Sinne Tanz macht. Zuletzt zeigte man, wie Leute auf der Bühne wichtig herumstanden, unmaßgebliche Reden an das Publikum hielten, Kleiderberge auf- und umschichteten, oder eine Dreiviertelstunde zu Tonbandmusik in einem Scheindirigat die Luft zerteilten. Zur Eröffnung dieser neuesten, seiner 21. Ausgabe im nicht ausverkauften Haus der Berliner Festspiele sollte die afrikanische Compagnie Salia Seydou dem Publikum laut Programmheft erklären, wie sich die Entwicklung von Gewalt vollzieht.
Nun sahen die Zuschauer eine bildschöne Sängerin, ein präsentes Musikerensemble und wundervoll trainierte Tänzer, die in schweißtreibenden Exerzitien ihr Becken im Vierfüsslerstand vor und zurück schleuderten, einander geschmeidig traten oder unnachgiebig umklammerten. Ein Tanztheater, es wurde dazu ausführlich gesprochen und lautstark gesungen.
Leider war die Bühnensprache eine der 60 Sprachen, die in Burkina Faso, wo die Compagnie ein Tanzhaus ihr eigen nennt, gesprochen werden. Erstaunt erinnerte sich da der geneigte Zeuge der Eröffnungsansprachen, in denen als Festival-Motto "listen", zu deutsch "höre" angeführt wurde. "Höre, ohne zu wissen was und warum", müsste es wohl vollständig heißen. Kein Lied, kein Monolog der Afrikaner stand übersetzt im Programmheft, von Übertitelung ganz zu schweigen. Man musste diese Einstellung der Festivaldirektion für blanken Zynismus halten.
Salia Seydou aus Burkina Faso haben ein Stück produziert, weil in ihrer Stadt Ouagadougou plötzlich Soldaten und Polizei aufeinander losgingen, aber wen schert's, was sie genau dazu auf der Bühne sprachlich mitzuteilen haben. Es musste ihnen reichen, als Dokumentatoren von gewalttätigen Entwicklungen annonciert zu werden - etwas, das ihr Stück auf der inhaltlichen Ebene gar nicht einlösen kann.
Es kann Entsetzen hervorrufen, aber nicht Ursachen bebildern. Wie wenig intelligent es eigentlich ist, als Motto eines Tanzfestivals den Hörsinn isoliert hervorzuheben, hätten die Veranstalter spätestens begreifen müssen, als sie Richard Siegals Solo-Choreografie "Muscle" zu Live-Musik des New Yorker Avantgarde-Komponisten Arto Lindsay einluden.
Denn natürlich hören der Tänzer Siegal und der Gitarrist und Sänger Lindsay nicht nur aufeinander. Die faszinierende wortlose Verständigung der beiden funktioniert auf verschiedenen Ebenen. Sie messen einander mit Blicken, als wollten sie sagen - hält er diese Phrase länger durch als ich - auf keinen Fall! Der schlaksige Lindsay mit der nachdenklichen Stimme und den herrlich schrammelnden Akkorden kontrastiert Siegals geballter körperlicher Energie. Mit der gewohnten dunklen Mütze auf dem Kopf entwickelt der Tänzer aus schlenkernden oder speerartig geworfenen Armen, Schritten, Battements, behenden Drehungen eine so präzise wie lässige Sprache. An ihr überzeugen die überraschenden Richtungs- und Tempiwechsel, die wie unwillentlichen Gliederverrenkungen zwischendurch, aber auch die vielfältigen charmanten Zitate. Das konnten ein Armkreisen als Reverenz vor der großen Choreografin Pina Bausch sein , oder frech aufgestützte Hände des wie Nijinsky als Faun im Profil schreitenden Tänzers.
Noch stärker als in den vergangenen Jahren ohnehin schon setzt der Berliner Tanz im August auf hauptsächlich redende Darsteller bei ihren ersten Experimenten. Inzwischen ist es soweit, dass deshalb Workshops für das Publikum angeboten werden, in denen ihm eingeredet wird, wieso es das toll finden muss, wenn es nicht blöd dastehen will. Je nachdem, ob einem Metaphern aus dem Bad oder der Küche besser gefallen, ist der Tanz im August der Durchlauferhitzer oder der Pürierstab tanztheoretischer Tagesschickheiten. Es fehlt einer, der das Gequassel mal abstellt.
Nun sahen die Zuschauer eine bildschöne Sängerin, ein präsentes Musikerensemble und wundervoll trainierte Tänzer, die in schweißtreibenden Exerzitien ihr Becken im Vierfüsslerstand vor und zurück schleuderten, einander geschmeidig traten oder unnachgiebig umklammerten. Ein Tanztheater, es wurde dazu ausführlich gesprochen und lautstark gesungen.
Leider war die Bühnensprache eine der 60 Sprachen, die in Burkina Faso, wo die Compagnie ein Tanzhaus ihr eigen nennt, gesprochen werden. Erstaunt erinnerte sich da der geneigte Zeuge der Eröffnungsansprachen, in denen als Festival-Motto "listen", zu deutsch "höre" angeführt wurde. "Höre, ohne zu wissen was und warum", müsste es wohl vollständig heißen. Kein Lied, kein Monolog der Afrikaner stand übersetzt im Programmheft, von Übertitelung ganz zu schweigen. Man musste diese Einstellung der Festivaldirektion für blanken Zynismus halten.
Salia Seydou aus Burkina Faso haben ein Stück produziert, weil in ihrer Stadt Ouagadougou plötzlich Soldaten und Polizei aufeinander losgingen, aber wen schert's, was sie genau dazu auf der Bühne sprachlich mitzuteilen haben. Es musste ihnen reichen, als Dokumentatoren von gewalttätigen Entwicklungen annonciert zu werden - etwas, das ihr Stück auf der inhaltlichen Ebene gar nicht einlösen kann.
Es kann Entsetzen hervorrufen, aber nicht Ursachen bebildern. Wie wenig intelligent es eigentlich ist, als Motto eines Tanzfestivals den Hörsinn isoliert hervorzuheben, hätten die Veranstalter spätestens begreifen müssen, als sie Richard Siegals Solo-Choreografie "Muscle" zu Live-Musik des New Yorker Avantgarde-Komponisten Arto Lindsay einluden.
Denn natürlich hören der Tänzer Siegal und der Gitarrist und Sänger Lindsay nicht nur aufeinander. Die faszinierende wortlose Verständigung der beiden funktioniert auf verschiedenen Ebenen. Sie messen einander mit Blicken, als wollten sie sagen - hält er diese Phrase länger durch als ich - auf keinen Fall! Der schlaksige Lindsay mit der nachdenklichen Stimme und den herrlich schrammelnden Akkorden kontrastiert Siegals geballter körperlicher Energie. Mit der gewohnten dunklen Mütze auf dem Kopf entwickelt der Tänzer aus schlenkernden oder speerartig geworfenen Armen, Schritten, Battements, behenden Drehungen eine so präzise wie lässige Sprache. An ihr überzeugen die überraschenden Richtungs- und Tempiwechsel, die wie unwillentlichen Gliederverrenkungen zwischendurch, aber auch die vielfältigen charmanten Zitate. Das konnten ein Armkreisen als Reverenz vor der großen Choreografin Pina Bausch sein , oder frech aufgestützte Hände des wie Nijinsky als Faun im Profil schreitenden Tänzers.
Noch stärker als in den vergangenen Jahren ohnehin schon setzt der Berliner Tanz im August auf hauptsächlich redende Darsteller bei ihren ersten Experimenten. Inzwischen ist es soweit, dass deshalb Workshops für das Publikum angeboten werden, in denen ihm eingeredet wird, wieso es das toll finden muss, wenn es nicht blöd dastehen will. Je nachdem, ob einem Metaphern aus dem Bad oder der Küche besser gefallen, ist der Tanz im August der Durchlauferhitzer oder der Pürierstab tanztheoretischer Tagesschickheiten. Es fehlt einer, der das Gequassel mal abstellt.