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Cannabis-Konsum
Kiffen ist in Kanada ab heute erlaubt

Ab heute darf jeder Erwachsene in Kanada Cannabis kaufen und konsumieren. Ökonomen rechnen in Zukunft mit einem milliardenschweren Markt für Produkte mit Marihuana, von Gummibärchen bis hin zu Bier. Doch die Regelungen, ab wann und wie viel Gras man kaufen kann, sind von Provinz zu Provinz unterschiedlich.

Von Kai Clement | 17.10.2018
    Ein Mann dreht sich einen Joint.
    Ab heute darf jeder Erwachsene in Kanada Cannabis in geringen Mengen kaufen, besitzen und konsumieren (dpa / picture-alliance / Christophe Morin)
    Lange Schlangen vor den Geschäften, verspricht Bruce Linton. Einen Andrang wie bei der Einführung eines neuen I-Phones. Das würde Bruce Linton bestens gefallen, schließlich leitet er mit Canopy Growth die größte Cannabis-Firma der Welt.
    Eigentlich hätten die Geschäfte bereits diesen Sommer für die Droge öffnen sollen. Doch alles hat länger gedauert. Zu viele offene Fragen, zu viel Regelungsbedarf. Wie viel Cannabis im Handgepäck im Flieger? Dürfen Cannabis-Geschäftsleute überhaupt noch in die USA einreisen? Wie hoch sollen die Steuern sein? Wer in der Regierung weiß schon, wie man einen legalen Markt für eine Droge aufbaut - spottet Kanadas Sender CBC.
    Patchwork-Regelungen im ganzen Land
    Klar ist immerhin: ab heute darf jeder Erwachsene Cannabis in geringen Mengen kaufen, besitzen und konsumieren. Aber: nicht am Steuer. Der Rest ist ein Patchwork, geregelt von Kanadas Provinzen und Territorien, vergleichbar den deutschen Bundesländern. Fast alle sagen: zulässiger Höchstbesitz 30 Gramm. In Quebec allerdings ist es mit 150 Gramm das Fünffache. Verkauf nur über Abgabestellen der Regierung - vergleichbar den kanadischen Alkoholgeschäften. So ist es in Nova Scotia, auch online. Zulässig sind auch private Geschäfte - so ist es in Britisch Kolumbien. Das Alter liegt mal bei 18, mal bei 19 Jahren. In Quebec könnte es auf 21 steigen. Das passt Premier Justin Trudeau nicht, wie er jetzt auf einer Auslandsreise in Armenien erklärt hat.
    "Das könnte ein Marktsegment schaffen, das ausschließlich von illegalen Händlern bedient wird, vom Schwarzmarkt, von kriminellen Organisationen."
    Den Schwarzmarkt auszutrocknen und Minderjährige besser vor der Droge zu schützen gehört aber zu den erklärten Zielen der kanadischen Regierung. Nun blickt die Welt gebannt auf die erste der großen G7-Industrienationen und nach Uruguay überhaupt erst das zweite Land, das Marihuana freigibt. Werden die Ziele eingelöst? Und wie schlimm sind die Risiken und Nebenwirkungen, die auch ein großer neon-gelber Warnaufkleber auf jeder Packung ausführt, etwa für Schwangere.
    "Es gibt Empfehlungen das Alter noch höher zu setzen, da Marihuana vor allem dem sich entwickelnden Hirn schadet - also eher auf 25 Jahre."
    Ganze Industriezweige stehen in den Startlöchern
    Das aber, so Trudeau weiter, gehe an den Realitäten des Marihuana-Konsums vorbei und nutzte damit wieder nur den kriminellen Dealern. Wie Bruce Linton und sein Cannabis-Hersteller Canopy Growth stehen zudem ganze Industriezweige in den Startlöchern. Kanada als Speerspitze der Bewegung, so sieht er es.
    "Das letzte Mal war Kanada so weit vorne, da ging es noch um einen Typen namens Bell, der einen Anruf machte. Das wird die kommenden 100 Jahre umstürzen."
    Beim Wirtschaftsberater Ernst & Young nennt Monica Chadha sich gar "National Cannabis Leader".
    "Das wird eine Geldmaschine. Wir schreiben Geschichte."
    Ökonomen rechnen mit einem milliardenschweren Markt. Ob Gummibärchen, Schokolade Zimtschnecken oder Bier - überall könnte demnächst Marihuana drin sein. Demnächst heißt allerdings: frühestens in einem Jahr. Bis dahin bleiben all diese Produkte auch in Kanada verboten. Richard Stanwick, Arzt und Leiter der Gesundheitsbehörde von Vancouver Island, freut sich über diese Schonfrist. Vor kurzem erst musste er ein mit Cannabis-Gummibärchen vergiftetes Kind behandeln. Und das, so fürchtet er, werde mit der Legalisierung solcher Lebensmittel nur zunehmen.