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Cannabis-Produzent Aurora
Lizenz zur Hanf-Herstellung

Schmerz- oder Tumorpatienten können seit zwei Jahren Cannabis auf Rezept erhalten. Bislang sind dies aus dem Ausland importierte Medikamente. Seit kurzem hat als eines von drei Unternehmen, die in Deutschland Hanf anbauen dürfen, auch die Berliner Firma Aurora eine Lizenz.

Von Claudia van Laak | 06.09.2019
Die zwei Geschäftsführer von Aurora Europe Axel Gille und Philip Schetter stehen vor einem Fenster
Axel Gille und Philip Schetter, das Geschäftsführer-Duo von Aurora ((Aurora Europe GmbH/ Alexander Klebe))
Weiße schneebedeckte Berge im blauen Polarlicht vor einem fast schwarzen See – wer die Webseite von Aurora Deutschland aufruft, ist überrascht. Nicht ein charakteristisches grünes Hanfblatt zeigt der Internetauftritt. Aus gutem Grund, sagt Marketingchefin Sandra Bütow.
"Wir haben uns in der Kommunikation für unsere Firma ganz klar gegen ein fünfblättriges Hanfblatt entschieden. Das ist zwar das Produkt, das wir vertreiben, das ist auch das Produkt, an das wir glauben, das ist gar keine Frage. Aber unsere Positionierung ist da ganz klar: Wir sind ein pharmazeutisches Unternehmen."
Bloß kein Kiffer-Image
Dazu gehört auch: keine Auftritte auf Hanfmessen oder sonstigen Veranstaltungen der "Legalize-it"-Szene. In diesen Geruch will Aurora Deutschland, Tochter des gleichnamigen kanadischen börsennotierten Konzerns, auf keinen Fall kommen. Seit zwei Jahren vertreibt das Berliner Unternehmen die Produkte des kanadischen Mutterkonzerns auf dem deutschen Markt.
"Ich zeig Ihnen mal unsere Räumlichkeiten."
Die Leiterin der Qualitätskontrolle, Felicitas Martin, desinfiziert ihre Hände, dann öffnet sie mithilfe eines Transponders die Tür zum Tresorraum. Die Cannabis-Medikamente fallen unter das Betäubungsmittelgesetz, entsprechend hoch sind die Sicherheitsauflagen. Die Klimaanlage sorgt für eine gleichbleibende Temperatur, Personen und Waren müssen getrennte Schleusen passieren, die Alarmanlage ist direkt mit der Polizei verbunden, das Unternehmen bittet darum, die Adresse nicht zu veröffentlichen. Verpackt und versendet wird das Cannabis-Medikament in doppelwandigen Kartons. Felicitas Martin greift zum Scanner.
"Beim Scannen hat man auch Sicherheitsmechanismen, jede Dose und jede Charge hat eine individuelle Nummer, und die werden hier auch erfasst. Das heißt, wenn man eine Dose doppelt scannen würde, würde das auffallen. Das ist ein zusätzlicher Sicherheitsmechanismus, dass die richtige Menge versendet wird."
Angebaut wird in Leuna
Die Sicherheitsauflagen treiben die Kosten nach oben, dies gilt auch für den jetzt anstehenden Anbau der Hanfpflanzen und deren anschließende Verarbeitung. Im Frühjahr erteilte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte die Zuschläge für die Produktion. In den nächsten vier Jahren wird Aurora 4 bis 6 Tonnen Cannabis liefern. Angekauft wird es von der beim Bundesinstitut für Arzneimittel angesiedelten Cannabis-Agentur.
Die Hanfpflanzen wachsen künftig im Biochemiepark Leuna in Sachsen-Anhalt. Wir bauen die Produktionsanlage gerade auf, erläutert Geschäftsführer Axel Gille. Im Frühjahr nächsten Jahres kommen die ersten Pflanzen in die Erde. Natürliches Sonnenlicht werden sie nicht zu sehen bekommen.
"Wir bauen im Prinzip in einem Bunker Cannabis an. Und dieser Bunker ist zusätzlich abgesichert durch einen Industriepark, in dem der Bunker steht. Und diese Sicherungsvorkehrungen treiben die Kosten in die Höhe, auf jeden Fall."
Es muss ein Arzneimittel sein
Damit das Cannabis zu einem Medizinprodukt verarbeitet werden kann, müssen die Hanfpflanzen ständig überwacht werden, Wasser- und Nährstoffzufuhr sind genau geregelt. Das künstliche Licht muss zu genau vorgeschriebenen Zeiten an- und wieder abgestellt werden. Ziel sind gleichbleibende Anteile von THC und CBD - den beiden Hauptwirkstoffen für die Therapie.
"Um wirklich ein Medizinprodukt herzustellen und nicht irgendwas, was Sie im Badezimmer anbauen, wo sie manchmal ein Prozent THC haben und manchmal 8. Wichtig ist für den Patienten, dass er sich darauf verlassen kann, dass der Inhalt immer der gleiche ist."
"Es ist eine besondere Herausforderung, aus einem landwirtschaftlichen Produkt ein Arzneimittel zu machen. Aus meiner Sicht können das nicht viele Unternehmen. Wenn man auch weltweit guckt, wie viele Unternehmen haben überhaupt Lizenzen, um Arzneimittel aus Cannabis herzustellen nach EU-Richtlinien, das sind sehr, sehr wenige. Aurora besitzt davon einen Großteil,"
ergänzt Co-Geschäftsführer Philip Schetter.
Kunden, nein, Patienten werden mehr
Geschäftszahlen gibt das Unternehmen nicht preis. Klar ist aber: Aurora agiert auf einem wachsenden Markt. Etwa 20 bis 30.000 Patienten erhalten derzeit in Deutschland Cannabis als Medizin, in erster Linie als schmerzlinderndes Medikament. Es könnten künftig zehnmal so viele sein, vergleicht man Deutschland mit Ländern, in denen Cannabis schon länger zugelassen ist. Außerdem:
"Wir bereiten uns darauf vor, dass weitere europäische Länder Cannabis zu medizinischen Zwecken frei geben, wir sehen ja auch, dass einige Länder das schon gemacht haben, andere das gerade vorbereiten, wenn wir in Richtung Frankreich beispielsweise aktuell schauen, und da bauen wir nach und nach als Aurora Landesgesellschaften in verschiedenen europäischen Ländern auf und werden neben Deutschland auch in weiteren Ländern Produktionsstätten bauen."
Deshalb stellt Aurora auch ein. Von momentan 50 Mitarbeitern will man bis Ende nächsten Jahres auf 150 wachsen, in Berlin und Leuna. Grundvoraussetzung für einen Job beim Cannabis-Produzenten: ein polizeiliches Führungszeugnis.